Ein per Haftbefehl gesuchter, neu in den bayerischen Landtag gewählter Politiker der rechtspopulistischen AfD ist am Montag festgenommen worden. Der 22-jährige Daniel Halemba ist im Raum Stuttgart gegen 8.00 Uhr gefasst worden – nur Stunden bevor er eigentlich als gewählter Politiker Immunität geniessen würde. Doch dazu wird es jetzt gar nicht erst kommen, stattdessen wird Halemba einem Ermittlungsrichter vorgeführt.
Gesuchter AfD-Abgeordneter Halemba verhaftet https://t.co/SAycmg2FbJ
— BR24 (@BR24) October 30, 2023
Gegen Halemba werde wegen Volksverhetzung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen ermittelt. Der Anfangsverdacht habe sich nach der Auswertung von Beweismitteln erhärtet. Halemba soll noch am Montag, spätestens am Dienstag einem Richter in Würzburg vorgeführt werden, der Untersuchungshaft anordnen könne.
Am Freitag hatte die AfD-Fraktion selbst mitgeteilt, dass gegen einen ihrer Abgeordneten ein Haftbefehl vorliege. Dass es sich um Halemba handelt, bestätigte dann die Staatsanwaltschaft. Halemba war seit dem Erlass des Haftbefehls zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Der Rechtsanwalt Dubravko Mandic, der ihn nach Auskunft der Staatsanwaltschaft Würzburg vertritt, wies die Vorwürfe am Samstagabend in einer Mitteilung zurück: «Nach vorläufiger Würdigung ist an sämtlichen Vorwürfen gegen die Mitglieder der Prager Teutonia nichts dran.»
Mein Mandant Halemba wurde heute früh um 08:00 festgenommen. Er bat mich dieses Video zu veröffentlichen pic.twitter.com/tnJVTklsus
— Dubravko Mandic (@RAMandicDu) October 30, 2023
Halemba ist nach eigenen Angaben seit 2021 Mitglied der «Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg», bei der es im September eine Razzia gab. Laut Staatsanwaltschaft gab es den Verdacht, dass sich im Verbindungshaus der Burschenschaft Gegenstände mit Kennzeichen der Partei der Nationalsozialisten, NSDAP, sowie Aufkleber und Schriften rassistischer Natur befinden könnten. Die sichergestellten Gegenstände seien mittlerweile fast alle ausgewertet worden, sagte der Sprecher der Behörde am Montag. «Die Vorwürfe haben sich für uns erhärtet.» Die Auswertung von Datenträgern laufe noch.
Die Verbindung hat sich bislang nicht auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zu den Vorwürfen geäussert. Halemba hatte bisher alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe als falsch zurückgewiesen.
Der in Polen geborene und im Norden von Baden-Württemberg aufgewachsene Halemba steht seit Wochen im Fokus. Die Ermittler wollen ihn wegen Verdunkelungsgefahr in Untersuchungshaft sehen, weil befürchtet wird, dass er Zeugen beeinflussen oder Beweismittel vernichten könnte. Am Montagabend schliesslich entscheidet das Amtsgericht Würzburg allerdings: Halemba kommt nicht in Untersuchungshaft, der Haftbefehl wird unter Auflagen ausser Vollzug gesetzt.
Halemba müsse sich nun einmal wöchentlich an seinem Wohnsitz Würzburg bei der Polizei melden, erklärt Oberstaatsanwalt Seebach die Entscheidung. Zudem sei ihm unter anderem der Kontakt zu Mitgliedern der «Burschenschaft Teutonia Prag zu Würzburg» untersagt, um deren mögliche Beeinflussung zu unterbinden. «Wir beobachten Herrn Halemba genau», kündigt Seebach an.
Halemba wird rund drei Wochen zuvor als jüngster Politiker frisch in den bayerischen Landtag gewählt. Der 22-Jährige führt den Würzburger AfD-Kreisverband und war bei der Landtagswahl am 8. Oktober im Stimmkreis Hassberge/Rhön-Grabfeld angetreten. Als einer von vier AfD-Politikern aus Unterfranken sollte er am Montagnachmittag eigentlich bei der konstituierenden Sitzung im Landtag sein – und als Jüngster sogar direkt neben dem Alterspräsidenten sitzen.
Dazu kommt es allerdings nicht, stattdessen wird Halemba einem Ermittlungsrichter vorgeführt. Mit der Entscheidung gegen U-Haft ist das letzte Wort jedoch noch nicht gesprochen – die Staatsanwaltschaft will nach Seebachs Angaben eine Beschwerde prüfen. Dann müsste sich das Landgericht Würzburg mit der Sache befassen.
Abgeordnete geniessen grundsätzlich Immunität. In einem historisch aussergewöhnlichen Schritt hebt der bayerische Landtag am Montag aber noch direkt in seiner konstituierenden Sitzung die Immunität Halembas auf. Alle Fraktionen ausser der AfD stimmen dafür – ohne dass Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) dessen Namen in der öffentlichen Sitzung nannte. Die AfD-Fraktion enthält sich. Damit ist juristisch zweifelsfrei geklärt, dass die Ermittlungen gegen den 22-Jährigen weitergehen können.
Aigner nennt die Festnahme und speziell die AfD-Reaktion in ihrer Antrittsrede etwas «nie Dagewesenes». «Weder das Parlament noch ich als Landtagspräsidentin können Einfluss nehmen auf die Entscheidungen der Justiz. Das ist eine der Grundfesten der Demokratie», stellt sie klar. Die Reaktion der AfD sei deshalb ein «gezielter Angriff auf die Institutionen unserer Demokratie». Es seien «Verschwörungsmythen».
AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner hatte hingegen geklagt: «Mit einem herbeikonstruierten Haftgrund wird erheblich und unter fadenscheinigen Gründen in die Rechte der Opposition eingegriffen.»
Wie auch immer der Fall juristisch weitergeht: Der Skandal überschattet die konstituierende Sitzung. Dort sind die Sorgen ohnehin gross, weil die neue AfD-Fraktion nicht nur grösser ist, sondern viele ihrer Mitglieder auch deutlich radikaler sind. Jedenfalls eilt vielen der Ruf voraus, dass mit ihnen die AfD-Fraktion weiter nach rechts rückt. Der Fall Halemba hat diese Sorgen nun endgültig auf die Spitze getrieben.
Die AfD wird vom deutschen Inlandsgeheimdienst als rechtsextremer Verdachtsfall eingestuft. Bei den Landtagswahlen in Bayern am 8. Oktober wurde sie mit 14,6 Prozent drittstärkste Kraft. (lak/rbu/sda/dpa)