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Schwere Gewaltvorwürfe – die letzten 24 Stunden in Lützerath

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Klimaaktivistin Greta Thunberg tauchte am Sonntag erneut in Lützerath auf.Bild: keystone

Greta wird weggetragen, schwere Gewaltvorwürfe – die letzten 24 Stunden in Lützerath

Am Sonntag wurde die Räumung von Lützerath fortgesetzt. Greta Thunberg tauchte erneut bei den Protesten auf. Und es gibt schwere Gewaltvorwürfe der Demonstrierenden in Richtung Polizei – ein Überblick über die Ereignisse.
16.01.2023, 08:1210.03.2023, 10:24
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Der deutsche Weiler Lützerath wird zugunsten des Braunkohleabbaus geräumt. Diesem Vorhaben widersetzen sich Umweltaktivistinnen und -aktivisten seit Tagen, dabei kommt es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Das geschah am Sonntag in Lützerath:

Das Gelände ist grossmehrheitlich geräumt

Laut der Polizei Aachen war das Protestdorf am Sonntagabend grossmehrheitlich geräumt. Einzig zwei Aktivisten sollen noch in einem Tunnelsystem ausharren (siehe unten). Bereits am Freitag berichtete die Polizei, dass sämtliche besetzten Gebäude geräumt worden seien. Auch 35 Baumstrukturen und etwa 30 von den Demonstrierenden errichtete Holzkonstruktionen seien abgebaut worden.

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Menschen an der Protestkundgebung gegen den Tagebau Garzweiler in der Nähe des Dorfes Lützerath.Bild: keystone

Zwei Aktivisten verschanzen sich in Tunnel

Die zwei letzten verbliebenen Aktivisten auf dem Gelände sollen sich laut der Polizei in einem Tunnelsystem verstecken. Es sei völlig unklar, wie lange es dauere, diese dort herauszuholen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag.

Wie der Spiegel berichtet, ist der Präsident der Aachener Polizei, Dirk Weinspach, selbst in den zum Tunnel führenden Schacht gestiegen. Er beschrieb den Tunnel als «Kellergewölbe, aus dem ein Schacht von vier Metern geht, dann eine Konstruktion in der Waagrechten». Die Konstruktion sei nicht sicher.

Laut der Einschätzung der Polizei ist es gefährlich, innerhalb des Gewölbes auszuharren, weil die Sauerstoffversorgung nicht mit Sicherheit gewährleistet werden könne. Von der unterstützenden Feuerwehr wurde das Vorgehen zur Entfernung der Aktivsten deshalb als «Rettungsaktion» bezeichnet.

Schwere Gewaltvorwürfe seitens der Aktivisten

Nach den heftigen Zusammenstössen zwischen den Demonstrierenden und der Polizei am Samstag werden Vorwürfe bezüglich Gewaltanwendung von beiden Seiten laut.

Wie eine Sprecherin des Sanitärdienstes der Demonstranten sagte, sei eine hohe zweistellige bis dreistellige Zahl von Teilnehmenden verletzt worden. Ursache der Verletzungen seien Pfeffersprays, Schlagstock- und Faustangriffe durch die Polizei gewesen. Nebst vielen Schwerverletzten gebe es auch einige lebensgefährlich verletzte Personen. Zudem habe die Polizei «nicht nur in Einzelfällen, sondern systematisch auf den Kopf von Aktivistinnen und Aktivisten geschlagen.»

Der Polizei ist derweil nichts davon bekannt. Man wisse nur von zehn Fahrten von Rettungswagen im Zusammenhang mit verletzten Demonstrierenden.

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Polizisten versuchen auf Pferden, die Lage unter Kontrolle zu bringen.Bild: keystone

Sie hingegen hätten über 70 verletzte Polizistinnen und Polizisten zu beklagen, heisst es von einem Polizeisprecher. Dafür seien aber nicht nur Demonstrierende verantwortlich. So seien einige Verletzungen auch auf das Umknicken auf schlammigem Boden zurückzuführen. Des Weiteren kam es zu Sachbeschädigungen: 30 Dienstfahrzeuge seien beschädigt worden.

Greta weigert sich Erdwall zu verlassen und wird weggetragen

Auch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg war am Samstag nach Lützerath gereist.

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Die Klimaaktivistin Greta Thunberg steht zwischen Keyenberg und Lützerath am Rande des Tagebaus.Bild: keystone

Im Interview mit dem Spiegel sagte sie:

«Was sie hier gemacht haben, war sehr beeindruckend und hat enorme Aufmerksamkeit gebracht. Ich merke auch, dass die internationale Klimabewegung hier sehr genau hinschaut, sich darüber austauscht. Die Aktionen hier haben etwas ausgelöst.»

Sie wandte sich am Samstag als Hauptrednerin einer Kundgebung an die Anwesenden und sprach ihnen Mut zu. Ihre Rede beendete sie auf Deutsch:

«Ich sag' Lützi – ihr sagt?»

Die Menge schrie zurück:

«Bleibt!»

Auch am Nachmittag tauchte sie nochmals in Lützerath auf. Laut eines dpa-Reporters habe sie an einer Spontan-Demo teilgenommen und mit anderen Klimaaktivistinnen und Aktivisten getanzt und gesungen.

Wie ein Polizeisprecher berichtet, habe sich Greta dann auf einen Wall an der Tagebaukante gesetzt und sich geweigert, diesen zu verlassen. Die Beamten hätten sie daraufhin einige Schritte weggetragen. Dies sei harmonisch verlaufen und die Schwedin sei danach ihrer Wege gegangen.

Wie geht es weiter?

Der Energieversorgungskonzern RWE geht davon aus, dass der Rückbau Lützeraths noch acht bis zehn Tage dauere. Der Tagebau dürfte bald folgen, wie ein Sprecher gegenüber der «Rheinischen Post» sagte: «Im März oder April könnte der Tagebau dann das frühere Dorf erreichen und abbaggern».

Aktivistinnen und Aktivisten kündigten weitere Proteste an. Auf einer Pressekonferenz dankten Vertreter der Organisationen «Ende Gelände», «Alle Dörfer bleiben» und «Fridays for Future» allen Demonstrierenden für ihre Teilnahme am Protest. In dieser Woche solle es zu weiteren friedlichen Aktionen «mit der ganzen Bandbreite des zivilen Ungehorsams» kommen. (saw/con)

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Besetzter Weiler Lützerath wird geräumt
Video: watson
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196 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Kommissar Rizzo
16.01.2023 08:47registriert Mai 2021
Sinnbildlich für die Kommunikation der Protestierenden: *Greta Thunberg is attacked by the police.* und dann sieht man sich den Tweet an: nix von "attacked".
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Troichean Mangita
16.01.2023 08:51registriert Januar 2018
"Wie eine Sprecherin des Sanitärdienstes der Demonstranten sagte"

Abfluss verstopft?
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mitch01
16.01.2023 09:12registriert September 2015
Wenn man sich Videos anschaut dann sieht man deutlich, dass die Gewalt von beiden Seiten ausgeht.
Habe nur Mitleid mit den Polizisten, die sich das antun müssen.
204103
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