International
Deutschland

Christine Lambrecht: Warum sie wohl gehen muss – und wer folgen könnte

epa10403574 German Defense Minister Christine Lambrecht gestures as she speaks during a joint press statement in Berlin, Germany, 13 January 2023. German Defense Minister Christine Lambrecht gave a jo ...
Bild: keystone

Christine Lambrecht: Warum sie wohl gehen muss – und wer ihr nachfolgen könnte

Laut Medienberichten soll die deutsche Verteidigungsministerin kurz vor dem Rücktritt stehen. Im Amt erschien Lambrecht allzu oft überfordert. Hinzu kam jüngst ein peinlicher Auftritt.
14.01.2023, 09:30
Hansjörg Friedrich Müller, Berlin / ch media
Mehr «International»

Dass die Meldung, die am Freitagabend von den Online-Ausgaben mehrerer deutscher Medien verbreitet wurde, das politische Berlin erschüttert hätte, wird wohl niemand behaupten wollen: Christine Lambrecht, die deutsche Verteidigungsministerin, deren bevorstehenden Rücktritt die Portale vermeldeten, gilt seit langem als angezählt. Nächste Woche, so hiess es in den Berichten übereinstimmend, werde die Sozialdemokratin ihren Posten aufgeben. Eine Bestätigung durch Lambrecht oder ihr Ministerium steht noch aus.

Von den Ministern der derzeitigen deutschen Regierung hat bis jetzt niemand unglücklicher agiert als die 57-Jährige. Lambrechts Amtszeit stand von Anfang an unter schlechten Vorzeichen: Sie wolle unbedingt Ministerin bleiben, verbreiteten die Berichterstatter nach der letzten Bundestagswahl im Herbst 2021. Unter Kanzlerin Angela Merkel hatte die Sozialdemokratin das Justizressort geführt, doch nun fand sich für sie nur das Verteidigungsministerium, sodass sie sich mit Angelegenheiten beschäftigen musste, die ihr denkbar fremd waren.

Sie erhielt mehr Aufmerksamkeit, als ihr guttat

Mit dem schwierigen und unpopulären Ressort gefremdelt hatten auch einige von Lambrechts Vorgängern, etwa Ursula von der Leyen, die heutige EU-Kommissionspräsidentin. Doch im Fall Lambrechts machten die Weltläufte das Unglück komplett: Nachdem Russland im Februar letzten Jahres die Ukraine überfallen hatte, verkündete der deutsche Kanzler Olaf Scholz eilig eine «Zeitenwende».

Seither soll die Bundeswehr, die über Jahrzehnte vernachlässigt worden war, mit 100 Milliarden Euro auf Vordermann gebracht werden. Damit hatte Lambrecht plötzlich eine sehr grosse Aufgabe - und mehr öffentliche Aufmerksamkeit, als ihrem Ansehen guttat.

Schon bald häuften sich die Probleme: Vor allem das ineffiziente Beschaffungswesen der Bundeswehr bekam Lambrecht nicht in den Griff. Zuletzt geriet die deutsche Armee wegen des teuren, aber untauglichen Schützenpanzers Puma in die Schlagzeilen. Hinzu kam, dass Lambrecht äussert unglücklich kommunizierte: Zum Jahreswechsel fiel sie durch ein Instagram-Video auf, in dem sie unter dem Lärm von Silvesterraketen darüber schwadronierte, der Ukraine-Krieg habe ihr «viele, viele Begegnungen mit interessanten, mit tollen Menschen» beschert.

Kanzler Scholz, der als stur gilt und für einen Spitzenpolitiker relativ wenig auf die öffentliche Meinung gibt, hielt dennoch an seiner Parteikollegin fest. Auch der bevorstehende Rücktritt soll auf Lambrechts Initiative hin erfolgen und nicht etwa, weil die Ministerin dazu gedrängt worden wäre.

Eva Högl als Nachfolgerin? Oder doch Lars Klingbeil?

Lambrechts Partei, die SPD, muss nun wohl eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger benennen. Um dem Geschlechterproporz Rechnung zu tragen, müsste das Ministerium zum vierten Mal in Folge von einer Frau geführt werden. Dies könnte für Eva Högl sprechen. Als Wehrbeauftragte des Bundestages ist sie so etwas wie die Interessenvertreterin des Militärs im deutschen Parlament - und scheut dabei auch nicht davor zurück, Missstände klar zu benennen.

Möglich erscheint allerdings auch, dass Scholz und seine Partei die Geschlechterfrage angesichts der grossen Herausforderungen, vor denen der neue Ressortchef steht, hintanstellen könnten. Ein möglicher Nachfolger, der von deutschen Medien genannt wird, könnte der SPD-Chef Lars Klingbeil sein.

Klingbeil hat ebenso wenig gedient wie die letzten drei Ministerinnen, doch als Sohn eines Berufssoldaten ist ihm eine gewisse Militärnähe nicht abzusprechen. Zudem gilt er innerhalb seiner Partei als Konservativer und stünde damit in einer Traditionslinie sozialdemokratischer Verteidigungsminister wie Helmut Schmidt, Georg Leber und Peter Struck. (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
52 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
mMn
14.01.2023 10:04registriert September 2020
Man hat Krieg in Europa und es wird tatsächlich über das Geschlechts des Verteidigungsminister*in diskutiert!?

Die deutsche Bundeswehr wurde zur Verkrüppelung gespart und nun steht sie vor den größten Herausforderungen mit dieser Chance der 100 Mia. wieder Schlagfertig zu werden. Auch Europas Sicherheit hängt davon ab. Es ist schei**egal was diese Person zwischen den Beinen hat, es ist nur das Gehirn und dessen Erfahrung gefragt!

Ich hoffe es kommt jemand, der/die Nägel mit Köpfen macht und nicht rumeiert!
982
Melden
Zum Kommentar
avatar
SBRUN
14.01.2023 09:52registriert September 2019
"doch als Sohn eines Berufssoldaten ist ihm eine gewisse Militärnähe nicht abzusprechen", braucht anscheinend nicht viel, und schon ist man auf dem politischen Parket für ein Fachgebiet qualifizert.
915
Melden
Zum Kommentar
avatar
Kanih
14.01.2023 11:22registriert September 2018
Ministerien nach Geschlechterproporz statt Kompentenz zu verteilen. Schöne neue Welt.
764
Melden
Zum Kommentar
52
Boeing 737 muss in der Türkei mit geplatztem Pneu landen

Ein in Deutschland gestartetes Flugzeug mit 190 Menschen an Bord ist am Donnerstag im türkischen Badeort Alanya trotz eines geplatzten Vorderreifens sicher auf dem Bugfahrwerk gelandet. Das berichtete zuerst der staatliche Rundfunksender TRT. Der Reifen der Boeing 737 der türkischen Billigfluglinie Corendon Airlines platzte demnach während der Landung aus unbekannten Gründen.

Zur Story