Diese Studie dürfte nicht nur die deutsche Regierung hellhörig werden lassen. Laut einer Umfrage hat ein Fünftel der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger ein geschlossen rechtspopulistisches Weltbild, das heisst, ihre politische Haltung ist in sich bereits gefestigt und für andere Sichtweisen kaum noch empfänglich. Zudem glaubt ein Viertel der Deutschen an «geheime Mächte» in der Politik.
Dies fanden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa heraus.
Im Rahmen der jährlich durchgeführten Erhebung wurden mehr als 4000 Bürgerinnen und Bürger zu gesellschaftspolitischen Themen befragt.
Den Teilnehmenden der Studie wurden 22 Aussagen zur Bewertung vorgelegt, einige der Aussagen enthielten verschwörungstheoretische Erzählungen.
So fand etwa die folgende Aussage erstaunlich breite Zustimmung: «Es gibt geheime Organisationen, die grossen Einfluss auf politische Entscheidungen haben.»
25 Prozent der Menschen glaubt das. Genauso viele sind der folgenden Meinung: «Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten dahinterstehender Mächte». Und 16 Prozent halten Deutschland für eine Diktatur, nicht mehr für eine Demokratie.
Wie die Ergebnisse zeigen, ist es um das Demokratieverständnis der Deutschen offenbar nicht zum Besten bestellt. Mit dem mangelnden Vertrauen in die Politik geht offenbar auch die zunehmende Etablierung rechtspopulistischer Positionen einher.
Wie Kommunikationsexperte Frank Brettschneider, der Leiter der Studie, erläutert, bedienen sich Rechtspopulisten dabei eingängiger Narrative: «Rechtspopulisten verwenden immer wieder die gleichen Erzähl-Elemente». Zu den prominentesten gehören laut Brettschneider:
Die Verbreitung rechtspopulistischen Gedankenguts ist laut der Studie im Osten etwas höher als im Westen, bei Menschen im Alter zwischen 45 und 59 Jahren höher als bei den 18- bis 29-Jährigen und bei den Anhängern der AfD aussergewöhnlich stark vorhanden.
79 Prozent der AfD-Anhänger verfügen laut Brettschneider über ein geschlossen rechtspopulistisches Weltbild, aber nur ein Prozent der Grünen-Wähler.
Auch der Bildungsgrad spielt eine Rolle: formal höher gebildete Bürgerinnen und Bürger sind weniger für rechtspopulistische Botschaften empfänglich.
Da die Grenzen zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus fliessend verlaufen, könnte die Studie einen Hinweis auf den Grad der Demokratiegefährdung in Deutschland geben. Zwar betont der Politikwissenschaftler Frank Decker von der Universität Bonn, dass sich der Rechtspopulismus «keineswegs als antidemokratisch verstehe». Decker gibt aber auch zu Bedenken:
Wie eine 2022 durchgeführte Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung gezeigt hat, steht insbesondere das Ansehen der Demokratie in Frage. Dort sind inzwischen nur noch ein Drittel der Bevölkerung zufrieden bis sehr zufrieden mit der Demokratie. Zwei Drittel der Menschen im Osten sind in diesem Punkt mindestens skeptisch oder haben sich innerlich schon von der Demokratie abgewandt.
Der zunehmende Vertrauensverlust in die politischen Institutionen und die damit einhergehenden Narrative, die in sozialen Medien verbreitet werden, könnten dieser Entwicklung Auftrieb geben. «Rechtspopulistinnen machen nicht nur Parteien und Politikerinnen verächtlich, sie diffamieren auch die Massenmedien», sagt Brettschneider.
So ist nicht nur das Vertrauen in die Bundesregierung innerhalb eines Jahres stark gesunken, sondern auch in das Funktionieren der Demokratie im allgemeinen (minus zehn Prozent). Auch stimmen immer mehr Menschen den folgenden Aussagen zu:
Dieses tiefe Misstrauen in die Politik und ihre Protagonisten ist in Ostdeutschland jedoch deutlich stärker ausgeprägt als in Westdeutschland. Das könnte eine der Ursachen für das deutliche Erstarken der AfD in den ostdeutschen Bundesländern und die relativ hohe Ablehnung demokratischer Institutionen dort sein.
Ob es vor diesem Hintergrund eine gute Idee ist, der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) die Mittel zu kürzen, sei dahingestellt. FDP-Finanzminister Christian Lindner hatte kürzlich angekündigt, dem Institut, das sich seit Jahrzehnten um die politische Aufklärung der Bundesbürger kümmert, im kommenden Haushaltsentwurf 20 Millionen Euro weniger zur Verfügung zu stellen.
Allerdings ist es nicht das erste Mal seit der Wiedervereinigung, dass die Zustimmung zum politischen System der Bundesrepublik so niedrig ist. 2005 waren sogar nur noch 28 Prozent der Ostdeutschen und 51 Prozent der Westdeutschen positiv gegenüber Demokratie eingestellt.
Der grosse Unterschied zu heute: Damals waren für die Demokratieverdrossenheit vor allem wirtschaftliche Gründe ausschlaggebend. Gegenwärtig sind es vornehmlich politische Faktoren. Und die sind langfristig wesentlich schwieriger zu beeinflussen als die ökonomische Lage.
(t-online/dsc)
Widersprüchlicher geht es wohl kaum..