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Warum «Corona-Leaks»-Hintermann Peter Marti aus der SVP ausgetreten ist

Warum «Corona-Leaks»-Hintermann Peter Marti aus der SVP ausgetreten ist

Seine Untersuchungen haben die «Corona-Leaks» offengelegt, er hat Alain Berset, Marc Walder, Peter Lauener und andere Personen einvernommen: Peter Marti ist eine zentrale Figur in der Indiskretionsaffäre, und seine Methoden sind umstritten. Jetzt wird bekannt: Er ist nicht «der SVP-Mann», als den man ihn oft bezeichnet.
06.02.2023, 09:23
Francesco Benini / ch media
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SP-Nationalrätin Jacqueline Badran sprach vor zwei Wochen in der «Arena» von einem «SVP-Filz». Sozialdemokratische Politiker und Medien wie die «Wochenzeitung» und die «Republik», die der SP gewogen sind, verweisen auf personelle Verstrickungen. Damit soll suggeriert werden: Die SVP spielt eine Rolle darin, dass die Indiskretionsaffäre publik geworden ist. Einvernahmeprotokolle zeigen, dass über einen längeren Zeitraum vertrauliche Informationen zur Coronapolitik des Bundesrates aus dem Departement Berset an das Medienhaus Ringier flossen.

Peter Marti in der NZZ
Peter Marti in der NZZBild: screenshot nzz

Welche personellen Verstrickungen sind gemeint? Nationalrätin Badran verlangte in der «Arena», dass SVP-Nationalrat Alfred Heer als Mitglied der Geschäftsprüfungskommission in den Ausstand trete. Die Kommission macht sich daran, die Corona-Leaks aufzuklären. Badran begründete ihre Forderung so: Im Zürcher Kantonsrat sei Heer der Sitznachbar von Peter Marti gewesen.

Marti wurde von der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft als ausserordentlicher Staatsanwalt eingesetzt, um eine Verletzung des Amtsgeheimnisses im Zusammenhang mit einem Bericht über die sogenannte Crypto-Affäre aufzuklären – und er stiess bei den Ermittlungen auf Indiskretionen über Coronamassnahmen der Landesregierung.

Alfred Heer forderte Bundesrat Berset zum Rücktritt auf, nachdem die «Schweiz am Wochenende» die Corona-Leaks vor drei Wochen publik gemacht hatte. Badran wies am Schweizer Fernsehen darauf hin, dass Heer als Nationalrat dem Werbefachmann Alexander Segert mit einem Besucherbadge Zutritt zum Bundesparlament verschafft hatte. Segert wurde bekannt mit aggressiven SVP-Plakaten. Er ist verheiratet mit Alexia Heine. Sie ist Mitglied der SVP, Bundesrichterin und Präsidentin der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft.

Verschwörungstheorien nach Auffliegen der Affäre

Das Komplott der SVP gegen Bundesrat Berset wäre also so abgelaufen: SVP-Richterin Heine lässt zu, dass Sonderermittler Peter Marti, vormaliger SVP-Kantonsrat und pensionierter Zürcher Oberrichter, seine Nachforschungen von der Crypto-Affäre auf die Corona-Leaks ausweitet. SVP-Nationalrat Alfred Heer ruft umgehend nach Bersets Rücktritt, und auch der ehemalige SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli, nun «Weltwoche»-Redaktor, fordert im Wochenmagazin den Abgang des Gesundheitsministers.

Gibt es eine Verschwörung der SVP gegen Alain Berset? In der Volkspartei tragen es ihm manche nach, dass er zur Abwahl Christoph Blochers als Bundesrat beitrug. Auf einem bekannten Foto ist Berset, damals Freiburger Ständerat, an einem Tisch im Hotel Bellevue zu sehen; neben ihm sitzen Christophe Darbellay, Ueli Leuenberger und Christian Levrat. Sie zählen in der Nacht der langen Messer im Dezember 2007 die Stimmen zusammen, die sie für Eveline Widmer-Schlumpf gesammelt haben.

Mehrere Umstände sprechen aber gegen eine SVP-Verschwörung. Erstens wurde Peter Marti als ausserordentlicher Staatsanwalt eingesetzt, als Alexia Heine noch nicht Präsidentin der Aufsichtsbehörde war. Das Gremium wurde damals von Hanspeter Uster (Grüne) geführt.

Zweitens trat der ausserordentliche Staatsanwalt Peter Marti im Jahr 2019 aus der SVP aus. Trotzdem wird er in vielen Medien nach wie vor als SVP-Mann bezeichnet. Warum ist Marti nicht mehr in der Partei? Christoph Blocher sagte kürzlich in seiner Online-Talkshow: Marti habe sich daran gestört, dass er als Oberrichter einen Teil seines Lohnes an die Partei habe abliefern müssen. Darum habe Marti die SVP verlassen.

Blocher scheint über den Grund von Peter Martis Parteiaustritt nicht richtig informiert. Im Juni 2019 ging bei der Geschäftsstelle der Kantonalzürcher SVP in Dübendorf ein Brief ein, den Marti verfasst hatte. «Nach über 40 Jahren engagierter Mitgliedschaft in der SVP gebe ich hiermit empört und wütend, aber durchaus überlegt, den Austritt aus der SVP», schrieb er.

Das Logo der SVP, an der Delegiertenversammlung der SVP Schweiz, am Samstag, 24. Maerz 2018, in Klosters. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
Bild: KEYSTONE

Als Grund gab Marti an: «Was sich eben (erneut) Nationalrat Glarner bezüglich einer Lehrerin in Zürich geleistet hat, kann ich mit meinen ethischen Grundsätzen nicht vereinbaren.» Andreas Glarner hatte auf Facebook die Telefonnummer einer Zürcher Lehrerin veröffentlicht, die an einem muslimischen Feiertag die Kinder muslimischer Eltern ohne weitere Umstände vom Schulbesuch dispensiert hatte.

Marti fuhr fort: «Seit längerem sind es ‹Lautsprecher› wie Glarner, Köppel, Mörgeli, Zanetti, Amrein etc., welche mit gezielten Provokationen das politische Klima in der Schweiz vergiften. Zu oft steht das Bewirtschaften von Problemen statt das Lösen derselben im Vordergrund.» Vernünftige SVP-Politiker wie Ernst Stocker – der Kantonalzürcher Finanzdirektor - würden gezielt schlecht gemacht. «Es reicht!»

Marti erwähnt im zweiten Teil seines Schreibens, dass er für die SVP als Stimmenzähler, Schulpfleger, Kantonsrat, Verfassungsrat, Bezirks- und Staatsanwalt sowie als Oberrichter «mit grossem Engagement» Ämter versehen habe. «Was nun aber seit längerer Zeit in der SVP mit immer wiederkehrenden primitiven und teils menschenverachtenden Aktionen geschieht, will ich nicht mehr mittragen. Genug ist genug!»

Der Brief macht klar: Da hat einer mit seiner Partei gebrochen. Ist es plausibel, dass Marti mit Exponenten ebendieser Partei zusammenspannt, um SP-Bundesrat Berset zu schaden?

Hartnäckige, aber umstrittene Methoden

Peter Marti gilt als hartnäckiger Ermittler, der in der Wahl seiner Mittel manchmal wenig zimperlich ist. Es stellt sich allerdings die Frage, ob er dabei stets auf solidem juristischem Boden steht. Marti wollte Peter Lauener, den vormaligen Kommunikationschef Alain Bersets, in Untersuchungshaft nehmen. Er scheiterte aber mit seinem Antrag, denn er präsentierte dem zuständigen Gericht zur Crypto-Affäre eine Reihe von Vermutungen, aber keinerlei Beweise.

Und es ist umstritten, ob sich Martis sogenannter Beifang, die Indiskretionen aus dem Departement Berset zur Coronapolitik, juristisch verwerten lässt. Bis zu einem abschliessenden Entscheid in dieser Frage dürfte viel Zeit vergehen. Jetzt geben Martis Ermittlungsmethoden erneut zu reden.

Es hat sich in den vergangenen Tagen herumgesprochen, dass der Sonderermittler nicht nur gegen Peter Lauener und zwei Mitarbeiter des Aussendepartements ein Strafverfahren eingeleitet hat, sondern auch gegen einen Redaktor des «Tages-Anzeigers». Ihn befragte Marti zum Crypto-Dossier als Zeugen, nicht als Beschuldigten. Ist der Journalist nun beides zugleich? Und warum weiss er nichts davon, dass ihm seit Juli 2021 die Verletzung eines Amtsgeheimnisses zur Last gelegt wird?

Journalisten sind keine Amtspersonen. Also können sie kein Amtsgeheimnis verletzen, sie können nur zu diesem Delikt anstiften. Was soll Martis weiteres Strafverfahren? Auf Anfrage gab er keine Auskünfte.

Von der SVP hat sich der Sonderermittler entfremdet. Er stiess zufällig auf die höchst ungewöhnliche Kooperation zwischen einem Bundesdepartement und einem Medienunternehmen. Und Peter Marti sieht sich jetzt mit dem Vorwurf konfrontiert, dass er als Jurist zuweilen zu wenig überlegt ans Werk gehe.

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55 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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sealeane
06.02.2023 10:14registriert November 2017
Danke für den Artikel und das Aufräumen von (auch meinen) Vorurteilen scheinbar scheint Herr Marto ja doch ein Integrer Mann zu sein. Jedoch hat er sich meiner Meinung nach in dem Fall schlicht eeg mehrmals nicht korrekt verhalten. Und kommt hinzu das für mich immer noch offen ist wer denn die ganzen Infos aus den Ermittlungen immer schön der Presse weiter gibt und damit gezielt Vorverurteilungen schürt.
Mit zwei ellen messen stört mich einfach immer.. Berset ist der Böse wegen seinen angeblichen Leaks aber die Indiskretion ist richtig? Wir sprechen hier von einem laufenden Verfahren..
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Ruudi65
06.02.2023 12:04registriert Februar 2022
Was ist denn das schon wieder für ein komischer Artikel?

Marti war 40 Jahre SVP Politiker mit Leib und Seele. Wie er selber schreibt, verdankt er seine ganze Laufbahn als Richter der Partei. Wer nun glaubt, ein solcher Typ bleibe nicht in der Wolle SVPler, der ist aber arg naiv.

Und ja es ist plausibel, dass er mit den "alten Kumpels" von früher zusammenspannt um einen Linken Bundesrat zu stürzen. Sein Übername war früher "Linkenjäger".

Dass Hanspeter Uster Marti einsetzte, ja das stimmt, aber Frau Dr. Heine hat die massiven Ausweitungen/Überschreitungen des Auftrags abgesegnet.
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Roli_G
06.02.2023 10:10registriert Januar 2021
Wenn man das so liest könnte man auf die Idee kommen, dass die E-Mail völlig legal und auf einwandfreiem Wege zugespielt wurde. Dies ist aber nicht der Fall - die Unterlagen wurden CH Media illegal zugespielt. Was die Frage aufwirft : WER hat diese weitergegeben? Ich würde wetten, dass da SVP oder FDP die Hand im Spiel hat. Schade, dass hier CH Media so intransparent bleibt.
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