Sie bleibt vorne. Kurz nach dem Ende des TV-Duells Merkel vs. Schulz sehen erste Umfragen die amtierende Kanzlerin als Siegerin. Nach einer ZDF-Schnellumfrage setzte sich Merkel mit 33 Prozent Zustimmung in der lange erwarteten Debatte am Sonntagabend durch. Schulz kam demnach auf 24 Prozent. 43 Prozent der Befragten waren unentschieden. Diese Umfrage wurde allerdings schon zur Halbzeit des Duells gemacht.
Auch in einer Umfrage der ARD lag die Bundeskanzlerin zur Halbzeit des Fernsehduells vor ihrem Herausforderer. 44 Prozent sagten, die CDU-Chefin sei überzeugender gewesen, nur 32 Prozent sagten dies über den SPD-Chef. Bei den unentschiedenen Wählern lag Merkel mit 36 zu 31 Prozent vorne.
Das Wichtigste aus der Debatte:
Merkel verteidigte ihre Entscheide von 2015. Die Flüchtlingslage sei keine Bedrohung für Deutschland, sondern eine Herausforderung. «Ich halte es nach wie vor für absolut richtig», sagte sie zum EU-Türkei-Flüchtlingsabkommen. «Wir haben damals eine sehr dramatische Situation gehabt», bei der man nach dem Motto «Die Würde des Menschen ist unantastbar» reagiert habe.
Schulz kritisierte Merkels Flüchtlingspolitik teilweise. Es sei richtig gewesen, die Grenzen zu öffnen, aber falsch, die europäischen Partner vor vollendete Tatsachen zu stellen. Jetzt gelte es, die Integration voranzutreiben – «eine Generationenaufgabe».
Merkel räumte ein, dass es ein Versäumnis gewesen sei, dass Deutschland ebenso wie auch andere Länder lange die dramatische Lage in den Flüchtlingslagern in Nachbarländern Syriens ignoriert habe. Wichtig sei es jetzt, «bei den Ursachen anzusetzen» und stärker in die Entwicklungshilfe und Konfliktbewältigung zu investieren.
"Best of" #TVDuell: Die wichtigsten Statements von #Merkel und @MartinSchulz. pic.twitter.com/vhjYJSYhiy
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Deutlich wurde Schulz bei der Diskussion um das Verhältnis zur Türkei. Die Türkei habe die rote Linie überschritten, sagt Schulz. «Wenn ich Kanzler werde, werde ich nicht nur das Abkommen mit der Türkei kündigen», sagte Schulz. Er wolle für einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara kämpfen.
Merkel ihrerseits will die finanziellen Vorbeitrittshilfen für die Türkei einfrieren. Echte Beitrittsverhandlungen gebe es im Moment ohnehin keine. «Die Türkei verabschiedet sich in einem atemberaubenden Tempo von demokratischen und rechtsstaatlichen Standards», sagte die Kanzlerin.
Merkel plädieret dafür, wirtschaftlichen Druck auf die Türkei auszuüben, um eine Freilassung der aus politischen Gründen inhaftierten Deutschen zu erreichen. Sie sprach von einer Einschränkung von Exporthilfen und einer Prüfung «stärkerer Reisewarnungen». Die Reisehinweise sind bereits vom Aussenministerium verschärft worden.
"In 60 Sekunden..." Schlusswort von @MartinSchulz im #TVDuell pic.twitter.com/B0SZpgpIn6
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Merkel geht nicht davon aus, dass US-Präsident Trump der richtige Politiker ist, der den Nordkorea-Konflikt lösen könne. Man müsse sich mit den Gegnern im US-Kongress zusammenschliessen sowie mit anderen Partnern, sagte Merkel. Andererseits sei eine Konfliktlösung ohne Trump auch nicht möglich.
Man müsse ihm aber in aller Klarheit sagen, dass nur eine friedliche Lösung in Frage komme, sagte die Kanzlerin weiter. Im übrigen müsse sich in solchen Fällen wie der Nordkorea-Krise Europa stärker einbringen. «Da geht es auch um Krieg und Frieden.» Aber man brauche die USA als Friedensmacht, trotz «schwerwiegender Differenzen mit Trump».
Merkel kritisierte anschliessend die Positionierung Trumps bei den rechtsradikalen Ausschreitungen in Charlottesville stark. «Da stockt einem der Atem», sagte die Kanzlerin.
Schulz hält den US-Präsidenten nicht für fähig, den Konflikt mit Nordkorea zu entschärfen. Er glaube nicht, dass Trump eine Lösung finden könne. «Das Problem, das wir mit Trump haben, ist seine Unberechenbarkeit.»Stattdessen solle man mit Kanada, Mexiko oder auch mit Kräften in den USA wie US-Aussenminister Rex Tillerson zusammenarbeiten. Merkel betonte, es müsse unter allen Umständen eine friedliche Lösung in der Korea-Krise geben. Daran werde sie arbeiten und versuchen, die US-Regierung davon zu überzeugen.
In der Innenpolitik lehnte Merkel eine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittalters auf 70 Jahre ab. «Ein ganz klares Nein», sagte sie. «Es gibt viele Menschen, die können nicht länger arbeiten.» Schon die Rente mit 67 sei für viele Berufsgruppen eine grosse Herausforderung, etwa für Pflegekräfte.
In der Diesel-Krise warf Merkel der Autoindustrie Vertrauensbruch vor, die Umweltprobleme in Städten hätten damit aber nur indirekt zu tun. Selbst wenn die Autos genau wie angegeben Abgase ausstossen würden, bliebe hier noch einiges zu tun. Klar sei aber: «Die Autoindustrie muss das, was sie angerichtet hat, auch wieder gutmachen», sagte sie. «Ich bin stocksauer.»
Allerdings werde der Verbrennungsmotor noch Jahrzehnte gebraucht. «Es gibt zudem 800'000 Menschen, die haben kein Vertrauen gebrochen, die dürfen jetzt nicht die Dummen sein», sagte sie mit Blick auf die Arbeitnehmer in dem Bereich.
(dwi/sda)