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Flutkatastrophe als Chance: Der deutsche Gummistiefel-Wahlkampf

Armin Laschet Hochwasser Nordrhein-Westfalen Juli 2021
Armin Laschet (l.) unterwegs in der besonders betroffenen Gemeinde Stolberg-Vicht.Bild: Land NRW / Marcel Kusch

Flutkatastrophe als Chance: Der deutsche Gummistiefel-Wahlkampf

Für deutsche Politiker war Hochwasser wiederholt eine Gelegenheit, um sich zu profilieren. Das gilt auch für die aktuelle Katastrophe im Westen und den Bundestagswahlkampf.
16.07.2021, 20:02
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In der Schweiz treten Flüsse und Seen über die Ufer. Gewitterstürme verursachten schwere Schäden, doch Menschenleben kosteten die Unwetter bislang keine. Ganz anders in Deutschland: Dort wurden bis Freitagmittag mehr als 100 Todesopfer gemeldet. Weitere werden befürchtet. Die materiellen Schäden lassen sich noch kaum beziffern.

Besonders betroffen von den heftigen Regenfällen ist die Eifel, eine gebirgige Region in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Politikerinnen und Politiker eilten am Donnerstag vor Ort, um ihre Betroffenheit auszudrücken, Hilfe zu versprechen und sich als Krisenmanager zu profilieren. Hochwasser als Chance, das hat in Deutschland Tradition.

1962

ARCHIV - 03.12.1962, Hamburg: Hamburgs damaliger Innensenator Helmut Schmidt (SPD) verleiht am 3. Dezember 1962 in der Litzmann-Kaserne in Hamburg-Wandsbek die Dankmedaille der Freien und Hansestadt H ...
Innensenator Helmut Schmidt bedankt sich bei Bundeswehrsoldaten für ihren Einsatz.Bild: DPA

In der Nacht auf den 17. Februar wurde die Nordseeküste von einer verheerenden Sturmflut heimgesucht. 340 Menschen kamen ums Leben, der weitaus grösste Teil in der schwer getroffenen Hansestadt Hamburg. Die Einsatzleitung übernahm SPD-Innensenator Helmut Schmidt, der nationale Bekanntheit erlangte. Zwölf Jahre später war er Bundeskanzler.

2002

German Chancellor Gerhard Schroeder, left, and Saxony Governor Georg Milbradt, right, walk in the town center of Grimma, eastern Germany, Wednesday, August 14, 2002. Booth politician visited the Saxon ...
Gerhard Schröder (l.) unterwegs im sächsischen Grimma.Bild: KEYSTONE/AP Photo/Eckehard Schulz

Besonders denkwürdig war der «Gummistiefel-Wahlkampf» 2002. Der rotgrünen Regierung von Bundeskanzler Gerhard Schröder drohte nach nur vier Jahren die Abwahl. Deutschland steckte damals in einer Art Dauerkrise mit hoher Arbeitslosigkeit und Reformstau. Dann kam es im August zu einer Flutkatastrophe, die vor allem den Osten des Landes hart traf.

Die Elbe trat über die Ufer und verwüstete Städte und ganze Landstriche. Allein in Sachsen kamen 21 Menschen um Leben. Schröder erkannte die Chance. Er besuchte die Region mehrfach, markierte den zupackenden «Krisenkanzler» und versprach umfassende Hilfe. Seine Auftritte in Regenjacke und Gummistiefeln erhielten eine grosse mediale Beachtung.

Sein Kontrahent Edmund Stoiber, Kanzlerkandidat von CDU und CSU, reagierte hingegen zögerlich, obwohl auch seine Heimat Bayern betroffen war und er als Ministerpräsident in der Verantwortung stand. Der Mythos besagt, dass Stoiber damit den sicher geglaubten Sieg bei der Bundestagswahl «verschenkt» und Schröder zur Wiederwahl verholfen hat.

2021

Armin Laschet, Governor of North Rhine-Westphalia and chancellor candidate of the German Christian Democrats, talks to the media at the fire station in Hagen, Germany, Thursday, July 15, 2021 after th ...
Armin Laschet forderte mehr Tempo beim Klimaschutz und wurde dafür kritisiert.Bild: keystone

Nun will es der Zufall, dass sich die aktuelle Flutkatastrophe im Westen des Landes erneut im Vorfeld einer Bundestagswahl ereignet. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet unterbrach seine Wahlkampftour in Süddeutschland und begab sich an den Ort des Geschehens, wo er sich über die Verwüstungen informierte, natürlich in Gummistiefeln.

Laschet geniesst eine Art doppelten Heimvorteil. Er stammt aus Aachen am Nordrand der Eifel und ist Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen. Wie einst Gerhard Schröder versprach er den raschen Wiederaufbau der zerstörten Gebiete. Einen weiteren prominenten Auftritt hatte Armin Laschet am Donnerstagabend in der ZDF-Talkshow «maybrit illner».

Seine Forderung nach mehr Tempo beim Klimaschutz blieb nicht ohne Widerspruch, denn im bisherigen Wahlkampf war von Laschet zu diesem Thema ein «Ja, aber» zu hören, wie die ARD-«Tagesschau» kritisierte. Einen nicht sehr vorteilhaften Eindruck hinterliess Laschet auch bei einem Interview in der WDR-Sendung «Aktuelle Stunde».

15.07.2021, Rheinland-Pfalz, Bad Neuenahr: Olaf Scholz ( l-r), Bundesfinanzminister und Kanzlerkandidat, Malu Dreyer, Ministerpr�sidentin von Rheinland-Pfalz und Innenminister Roger Lewentz (alle SPD) ...
Olaf Scholz (l.) mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer im Katastrophengebiet.Bild: keystone

Davon profitieren könnte SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. Er war am Donnerstag ebenfalls vor Ort und inspizierte die Schäden mit Parteikollegin Malu Dreyer, der Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz. Scholz trug keine Gummistiefel, sondern Wanderschuhe, dafür versprach er als Finanzminister, sein Kässeli zu öffnen.

Nicht mithalten konnte Annalena Baerbock, die Kandidatin der Grünen. Sie hat keinen persönlichen Bezug zur Region (sie stammt aus Hannover und wohnt in Brandenburg), und als einfache Bundestagsabgeordnete und Oppositionspolitikerin hat Baerbock nicht die Mittel, um schnelle Hilfe zu mobilisieren und sich als Krisenmanagerin zu profilieren.

Dabei könnte Baerbock nach den Kontroversen um ihren Lebenslauf und die Plagiate in ihrem Buch ein wenig Wahlkampfhilfe gebrauchen. Ihre einzige Chance ist, dass die Katastrophe das Klimathema ins Zentrum rückt und die Grünen ihre Kompetenz ausspielen können. Ein Auftritt vor Ort in Gummistiefeln könnte dabei sicher nicht schaden.

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Historische Hochwasser in der Schweiz
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Historische Hochwasser in der Schweiz
Sintflutartige Niederschläge lösten am 7. und 8. August 1978 in der Schweiz eine Unwetterkatastrophe aus. Nahezu alle Kantone waren betroffen. Hier waten zwei Kinder in Locarno durch das Wasser.
quelle: keystone
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Hochwasser in Europa nimmt krasse Dimensionen an
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46 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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phreko
16.07.2021 20:51registriert Februar 2014
Falls Laschet aus der Krise profitiert, zeigt das höchstens, wie Ineffizient das System der Demokratie ist, um wichtige Probleme anzugehen.
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DARTH OLAF
16.07.2021 21:58registriert August 2018
Schröder trat schon vor seine Kanzlerkandidatur staatsmännisch auf, wenn auch umstritten und sein Gazprom-Mandat als Altkanzler verstehe ich bis heute nicht. Laschet hat kein Format, wie ich auch gestern erneut gesehen habe. Keine Auhnung, weshalb man ihn für die Kandidatur vorgestellt und dann das Rennen parteiintern gewonnen hatte.
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Aschenmadlen
16.07.2021 20:13registriert Juli 2017
Anstatt Massnahmen zu treffen um Menschenleben zu schützen, wie es die Schweiz nach 2005 tat, lassen die Verantwortlichen in Deutschland diese Baustellen lieber stehen, um sich später wieder profilieren zu können. Oder wie soll man das jetzt verstehen?
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