International
Deutschland

Rassismus auf Sylt: Die 7 neusten Entwicklungen

Video: twitter/@jw0365

Eklat auf Sylt hat Folgen – das Wichtigste in 7 Punkten

Das rassistische Gegröle mehrerer Partygäste auf der Insel Sylt sorgt seit Ende letzter Woche für Empörung. Der Vorfall hat Konsequenzen für diverse Beteiligte – und Unbeteiligte. Die sieben neusten Entwicklungen.
27.05.2024, 13:1227.05.2024, 15:04
Mehr «International»

Wie das Video entstand

Auf einem nur wenige Sekunden langen Video, das am Donnerstag viral gegangen war und zu Pfingsten entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen zur Melodie des mehr als 20 Jahre alten Party-Hits «L’amour Toujours» von Gigi D'Agostino rassistische Parolen grölen. Schauplatz war ein Club auf der deutschen Nordseeinsel Sylt. Die Empörung in Deutschland und über die Landesgrenzen hinweg ist riesig – und hat Konsequenzen für diverse Beteiligte.

Der Bild liegt ein weiteres Video vor, das zeigt, wie die viral gegangenen Aufnahmen entstanden sind. Darin ist zu sehen, wie ein junger Mann zunächst minutenlang auf einer Erhöhung tanzt und dann sein iPhone zur Hand nimmt. Er schwenkt es durch die Menge und filmt seine Freundin, als sie die ausländerfeindlichen Parolen grölt.

Gemäss Bild-Informationen soll es nicht der junge Mann selbst gewesen sein, der das Video in den sozialen Medien veröffentlichte. Stattdessen soll der Clip über eine Chat-Gruppe der Feier-Meute verbreitet worden sein.

Die Konsequenzen

Nachdem das Video am Donnerstag viral gegangen war, dauerte es nicht lange, bis die Personen im Video identifiziert wurden. Gemäss Bild-Informationen arbeitete der junge Mann, der filmte, als Berater für mittelständische Unternehmen – jetzt allerdings nicht mehr. Sein Arbeitgeber hatte umgehend auf das Video reagiert und die Konsequenzen gezogen:

«Wir sind schockiert über den abscheulichen Inhalt des Videos. Als der Vorfall bekannt wurde, haben wir umgehend reagiert und den Mitarbeiter fristlos gekündigt.»

Auch seine Freundin muss die Konsequenzen tragen. Bei ihr handelt es sich um eine Studentin der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Die Hochschule distanziere sich von derartigen «menschenverachtenden Äusserungen». In einer Stellungnahme schrieb die Bildungsinstitution:

«Ein solches Verhalten ist ganz und gar nicht normal und nicht hinzunehmen. Wir stehen als weltoffene Hochschule klar dagegen und tolerieren derartige menschenverachtende Äusserungen in keiner Form.»

Die Frau soll zudem für die Influencerin Milena Karl gearbeitet haben. Das gehört der Vergangenheit an. Der Social-Media-Star soll die Zusammenarbeit mit der jungen Frau laut Instagram-Story beendet haben. Dort schrieb sie:

«Für mich stand ausser Frage, dass ich unmittelbar nach Kenntnis dieses Videos das Arbeitsverhältnis mit sofortiger Wirkung auflösen werde und dies bereits getan habe.»

Auch der junge Mann mit schwarzem Pullover über den Schultern ist seinen Job los. Er zeigte mit dem rechten Arm den Hitlergruss, während er mit zwei Fingern der linken Hand den «Hitler-Schnauz» andeutete. Die Werbeagentur, für die er arbeitete, nahm am Samstag umgehend Stellung und teilte mit, eine fristlose Kündigung ausgesprochen zu haben.

Einer entschuldigt sich

Am Samstagabend entschuldigte sich ebendieser Mann in den sozialen Medien, bevor er alle seine Kanäle löschte, berichtete die Bild. In einer Erklärung schrieb er:

«Ich will mich öffentlich und aufrichtig entschuldigen für das, was passiert ist. Alle, die wir damit vielleicht verletzt haben, bitte ich um Entschuldigung.»
Sylt
Für diese Aktion wurde ihm fristlos gekündigt.Bild: twitter

Er schäme sich für den «ganz schlimmen Fehler», den er gemacht habe, und habe sich bereits bei der Polizei gestellt. Er könne sich nicht erklären, wieso er das getan habe.

«Ich kann mir vorstellen, dass viele Menschen, die das jetzt lesen, mir nicht abnehmen, dass es mir unendlich leidtut.»

Einer der wichtigsten Gründe, weswegen er sich entschieden hätte, an die Öffentlichkeit zu treten, seien die Anfeindungen gegen seine Familie und Freunde im Netz. Er schreibt:

«Das war mein Fehler, für den auch nur ich geradestehen sollte, und nicht meine Freunde und Verwandten, die nicht dabei waren. Deshalb meine Bitte: Seid böse mit mir, aber nicht mit meinen Freunden und Verwandten.»

Unbeteiligte kassiert Hass

Die Hetzjagd und Hasswelle bekamen auch Unbeteiligte zu spüren. So etwa eine junge Frau, die einen sehr ähnlichen Namen trägt, wie die Frau, die prominent im Sylt-Video zu sehen ist. Am Freitagabend äusserte sie sich auf TikTok dazu. Sie sei geschockt darüber, was gerade abgehe. Das, was auf Sylt geschehen sei, sei eine «Katastrophe». Ebenso geschockt sei sie aber auch über die Tausenden von Nachrichten, die sie erreicht hätten.

Viele User dachten fälschlicherweise, dass es sich bei ihr um die Frau im Video handle. Die Folge: Ihr schlug massiver Hass entgegen. Im TikTok-Video erklärt sie:

«Ich bin stark. Ich sass hier mit meiner Familie und habe darüber gelacht, weil sie wissen genau, dass ich nichts mit Rassismus zu tun habe.»

Nicht alle Menschen hätten diese Hasswelle verkraften können, so die junge Frau weiter:

«Mit jeder weiteren Nachricht hättet ihr sie weiter auf den Boden gedrückt. Ihr hättet sie umgebracht, mit diesen Nachrichten. Und das einfach zu Unrecht.»

Es sei nicht richtig, dass eine falsche Person mit extremen Drohungen und Nachrichten überflutet werde. Und auch wenn sie die Aktion auf Sylt absolut nicht unterstütze, stellt sie klar:

«Ich würde niemandem den Tod wünschen, niemandem irgendwas so Bösartiges wünschen. Nicht einmal der Person, die ich am meisten hasse. Also überlegt, bevor ihr etwas tut.»

Der Sänger des Originalhits reagiert

Das originale Lied, zu dem die Sylt-Schnösel ihre fremdenfeindlichen Parolen mitgrölen, heisst «L'Amour Toujours» und stammt vom Gigi D'Agostino. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Song für solche Parolen missbraucht wird.

Der Musiker hatte davon keine Ahnung, wie er gegenüber T-Online erklärt. Er sei nicht viel in den sozialen Medien unterwegs, um sich zu schützen. Sein Megahit habe aber nur eine einzige Bedeutung und das sei die Liebe. Er führt aus:

«Es ist die Kraft der Liebe, die mich hochleben lässt. Der Wunsch, meine Familie fest zu umarmen und Danke zu sagen. Der Wunsch, Worte der Liebe zu singen und gemeinsam zu tanzen. Die Liebe zu meiner Frau. Der Drang, zu lachen und zu weinen vor Freude über die Schönheit des Zusammenseins. Das wunderbare Gefühl, das ein Sonnenuntergang oder ein Spaziergang am Strand in mir hervorrufen kann.»

Club Pony verteidigt sich

Die Betreiber des Clubs Pony haben gegen die singenden Gäste Ermittlungen eingeleitet. Doch auch sie selbst müssen Kritik einstecken: Auf Instagram verteidigen sie sich gegen den Hass, der auch ihnen entgegenschlägt:

«Hätte unser Personal zu irgendeinem Zeitpunkt ein solches Verhalten mitbekommen, hätten wir sofort reagiert. Wir hätten umgehend die Polizei verständigt und Strafanzeige gestellt. Das haben wir mittlerweile tun können.»

Am Sonntag teilten sie ein Video, das erklären soll, wieso sie die Parolen der Gruppe nicht mitbekommen hätten:

«An alle, die ständig fragen: ‹Hat man das nicht mitbekommen?› Ihr seht selbst, dass die Mehrheit auf dem Video ihren Spass hat, während eine kleine Gruppe etwas skandiert, das mit unseren Grundwerten nicht vereinbar ist.»

Staatsschutz ermittelt

Wie die Staatsanwaltschaft Flensburg auf Bild-Nachfrage erklärte, seien Ermittlungen eingeleitet worden:

«Wir ermitteln wegen Verdachts der Volksverhetzung und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Darunter fällt beispielsweise der Hitlergruss.»

Während der Hitlergruss in Deutschland strafbar ist, gestaltet sich die Sachlange in Bezug auf das Singen der rassistischen Parolen noch als unklar. (saw)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
187 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
BG1984
27.05.2024 13:59registriert August 2021
Zum Glück filmen sich die Bauern im Partyzelt beim Tractor Pulling nicht beim Singen. Sind offenbar etwas schlauer als die Rich Kids auf Sylt, auch wenn sie das gleiche skandieren.
23236
Melden
Zum Kommentar
avatar
West9
27.05.2024 14:15registriert September 2023
Schön die Zeit als noch ganz normale Punks diesen Ort besuchten.
20325
Melden
Zum Kommentar
avatar
RuZzophob
27.05.2024 15:15registriert Oktober 2022
Natürlich entschuldigt sich derjenige der aus der Marketing Branche kommt 🙄
11712
Melden
Zum Kommentar
187
    Minnesota: Tatverdächtiger fuhr zu weiteren Politikern

    Der Mann, der verdächtigt wird, eine demokratische Politikerin und ihren Ehemann erschossen zu haben, hat in der Tatnacht die Häuser von insgesamt vier Politikern im US-Bundesstaat Minnesota aufgesucht. Er tat dies in der Absicht, sie umzubringen, teilte der zuständige US-Staatsanwalt Joseph Thompson bei einer Pressekonferenz mit.

    Zur Story