Auf einem nur wenige Sekunden langen Video, das am Donnerstag viral gegangen war und zu Pfingsten entstanden sein soll, ist zu sehen und zu hören, wie junge Menschen zur Melodie des mehr als 20 Jahre alten Party-Hits «L’amour Toujours» von Gigi D'Agostino rassistische Parolen grölen. Schauplatz war ein Club auf der deutschen Nordseeinsel Sylt. Die Empörung in Deutschland und über die Landesgrenzen hinweg ist riesig – und hat Konsequenzen für diverse Beteiligte.
Der Bild liegt ein weiteres Video vor, das zeigt, wie die viral gegangenen Aufnahmen entstanden sind. Darin ist zu sehen, wie ein junger Mann zunächst minutenlang auf einer Erhöhung tanzt und dann sein iPhone zur Hand nimmt. Er schwenkt es durch die Menge und filmt seine Freundin, als sie die ausländerfeindlichen Parolen grölt.
Gemäss Bild-Informationen soll es nicht der junge Mann selbst gewesen sein, der das Video in den sozialen Medien veröffentlichte. Stattdessen soll der Clip über eine Chat-Gruppe der Feier-Meute verbreitet worden sein.
Nachdem das Video am Donnerstag viral gegangen war, dauerte es nicht lange, bis die Personen im Video identifiziert wurden. Gemäss Bild-Informationen arbeitete der junge Mann, der filmte, als Berater für mittelständische Unternehmen – jetzt allerdings nicht mehr. Sein Arbeitgeber hatte umgehend auf das Video reagiert und die Konsequenzen gezogen:
Auch seine Freundin muss die Konsequenzen tragen. Bei ihr handelt es sich um eine Studentin der Hochschule für angewandte Wissenschaften in Hamburg. Die Hochschule distanziere sich von derartigen «menschenverachtenden Äusserungen». In einer Stellungnahme schrieb die Bildungsinstitution:
Die Frau soll zudem für die Influencerin Milena Karl gearbeitet haben. Das gehört der Vergangenheit an. Der Social-Media-Star soll die Zusammenarbeit mit der jungen Frau laut Instagram-Story beendet haben. Dort schrieb sie:
Auch der junge Mann mit schwarzem Pullover über den Schultern ist seinen Job los. Er zeigte mit dem rechten Arm den Hitlergruss, während er mit zwei Fingern der linken Hand den «Hitler-Schnauz» andeutete. Die Werbeagentur, für die er arbeitete, nahm am Samstag umgehend Stellung und teilte mit, eine fristlose Kündigung ausgesprochen zu haben.
Am Samstagabend entschuldigte sich ebendieser Mann in den sozialen Medien, bevor er alle seine Kanäle löschte, berichtete die Bild. In einer Erklärung schrieb er:
Er schäme sich für den «ganz schlimmen Fehler», den er gemacht habe, und habe sich bereits bei der Polizei gestellt. Er könne sich nicht erklären, wieso er das getan habe.
Einer der wichtigsten Gründe, weswegen er sich entschieden hätte, an die Öffentlichkeit zu treten, seien die Anfeindungen gegen seine Familie und Freunde im Netz. Er schreibt:
Die Hetzjagd und Hasswelle bekamen auch Unbeteiligte zu spüren. So etwa eine junge Frau, die einen sehr ähnlichen Namen trägt, wie die Frau, die prominent im Sylt-Video zu sehen ist. Am Freitagabend äusserte sie sich auf TikTok dazu. Sie sei geschockt darüber, was gerade abgehe. Das, was auf Sylt geschehen sei, sei eine «Katastrophe». Ebenso geschockt sei sie aber auch über die Tausenden von Nachrichten, die sie erreicht hätten.
Viele User dachten fälschlicherweise, dass es sich bei ihr um die Frau im Video handle. Die Folge: Ihr schlug massiver Hass entgegen. Im TikTok-Video erklärt sie:
Nicht alle Menschen hätten diese Hasswelle verkraften können, so die junge Frau weiter:
Es sei nicht richtig, dass eine falsche Person mit extremen Drohungen und Nachrichten überflutet werde. Und auch wenn sie die Aktion auf Sylt absolut nicht unterstütze, stellt sie klar:
Das originale Lied, zu dem die Sylt-Schnösel ihre fremdenfeindlichen Parolen mitgrölen, heisst «L'Amour Toujours» und stammt vom Gigi D'Agostino. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Song für solche Parolen missbraucht wird.
Der Musiker hatte davon keine Ahnung, wie er gegenüber T-Online erklärt. Er sei nicht viel in den sozialen Medien unterwegs, um sich zu schützen. Sein Megahit habe aber nur eine einzige Bedeutung und das sei die Liebe. Er führt aus:
Die Betreiber des Clubs Pony haben gegen die singenden Gäste Ermittlungen eingeleitet. Doch auch sie selbst müssen Kritik einstecken: Auf Instagram verteidigen sie sich gegen den Hass, der auch ihnen entgegenschlägt:
Am Sonntag teilten sie ein Video, das erklären soll, wieso sie die Parolen der Gruppe nicht mitbekommen hätten:
Wie die Staatsanwaltschaft Flensburg auf Bild-Nachfrage erklärte, seien Ermittlungen eingeleitet worden:
Während der Hitlergruss in Deutschland strafbar ist, gestaltet sich die Sachlange in Bezug auf das Singen der rassistischen Parolen noch als unklar. (saw)