International
Deutschland

Überraschende Wende – Türkei lässt deutschen Menschenrechtler frei

Der deutsche Aktivist Peter Steudtner ist wieder auf freiem Fuss. 
Der deutsche Aktivist Peter Steudtner ist wieder auf freiem Fuss. archiv n24

Überraschende Wende – Türkei lässt deutschen Menschenrechtler frei

Ein türkisches Gericht hat die Freilassung des deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner aus der Untersuchungshaft angeordnet. Auch sieben weitere wegen Terrorvorwürfen angeklagte Menschenrechtler sollen freikommen.
26.10.2017, 00:45
Mehr «International»

Nach mehr als drei Monaten werden der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner und sein schwedischer Kollege Ali Gharavi ohne Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen. «Der Ausreise steht nichts mehr im Wege», sagte der Anwalt der beiden, Murat Boduroglu, nach der Gerichtsentscheidung am späten Mittwochabend in Istanbul.

Boduroglu sagte, Steudtner und Gharavi würden nun in das rund 80 Kilometer entfernte Gefängnis Silivri gebracht, wo sie in Untersuchungshaft gesessen haben, um zu packen. Sie wollen mit dem nächstmöglichen Flug ausreisen.

Steudtner hatte zum Prozessauftakt alle Vorwürfe zurückgewiesen: «Ich plädiere auf unschuldig und fordere meine sofortige Freilassung.» Der 46-Jährige war am 5. Juli zusammen mit anderen Menschenrechtlern bei einem Workshop zu Kommunikationssicherheit in einem Hotel auf der Insel Büyükada vor Istanbul festgenommen worden.

epa06287717 Human right activists hold placards and a picture of one of the arrested human right activists, in front of the Istanbul Courthouse before a trial of arrested eleven human right activists, ...
Demonstranten fordern vor dem Gerichtsgebäude die Freilassung der Menschenrechtler. Bild: EPA/EPA

Weitere Aktivisten kommen frei

«Einige der Terrororganisationen, denen ich angeblich angehören soll, kannte ich nicht mal beim Namen», sagte Steudtner vor Gericht. Die Aussagen eines geheimen Zeugen, auf welche die Staatsanwaltschaft ihre Klage stützt, bezeichnete der 46-Jährige als absurd.

Kontakte zu türkischen Organisationen habe er nie gehabt, beteuerte der deutsche Aktivist. Seit zwanzig Jahren setze er sich aus Überzeugung für die gewaltfreie Lösung von Konflikten ein. Zuletzt habe er vor allem in Mosambik, Angola und Kenia gearbeitet.

Das Gericht lässt weitere Aktivisten frei. Unter den Freizulassenden sind die Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Idil Eser, und der schwedische IT-Spezialist Ali Gharavi. Nicht freikommen soll dagegen der inhaftierte Amnesty-Vorsitzende in der Türkei, Taner Kilic.

Der Prozess gegen insgesamt elf Menschenrechtler hatte am Mittwoch begonnen. Den Angeklagten wird die Mitgliedschaft in einer Terrororganisation oder die Unterstützung einer solchen Organisation zur Last gelegt. Zwei der elf Angeklagten befanden sich nicht in Untersuchungshaft. Insgesamt wurden acht der elf Angeklagten am späten Donnerstagabend gegen Kaution auf freien Fuss gesetzt. Die nächste Anhörung findet am 22. November statt.

Gewaltfreie Konfliktlösung

Auch die ebenfalls angeklagte Direktorin von Amnesty International in der Türkei, Idil Eser, wies alle Vorwürfe entschieden zurück: «Die Menschenrechte zu verteidigen ist kein Verbrechen», sagte sie. Ihre Verteidigung wurde vom Publikum in dem randvollen Gerichtssaal mit Applaus bedacht.

Der angeklagte schwedische IT-Spezialist Ali Gharavi beklagte, die Anklageschrift sei voller Namen und Organisationen, zu denen er keinen Kontakt habe. Noch immer wisse er nicht, wer diese Organisationen seien. Seit 110 Tagen sei er in Haft und praktisch alle seine Menschenrechte seien verletzt worden.

«Fehlersituation»

«Ich fürchte um meine Gesundheit und meinen Verstand», sagte der IT-Spezialist, der seit seiner Festnahme zwei Mal mit Herzproblemen ins Spital gebracht werden musste. Er fordere seine «sofortige bedingungslose Freilassung» aus dieser «Foltersituation». Gharavi war wie Steudtner als Trainer zu dem Seminar auf der Insel Büyükada eingeladen worden.

Die genauen Vorwürfe gegen die Angeklagten sind nicht bekannt, da die Anklageschrift als geheim eingestuft ist. Medienberichten zufolge drohen ihnen bis zu 15 Jahre Haft wegen Mitgliedschaft in einer Terrororganisation oder Unterstützung einer solchen Gruppierung. Gemeint waren die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die linksradikale DHKP-C und die Gülen-Bewegung, die in der Türkei als Terrororganisationen gelten.

Die deutsche Bundesregierung hat die Vorwürfe gegen Steudtner stets als nicht nachvollziehbar bezeichnet und drang auf seine Freilassung. Der deutsche Aussenminister Sigmar Gabriel hat die Freilassung des deutschen Menschenrechtlers aus der Untersuchungshaft in der Türkei begrüsst. «Freue mich, dass das Istanbuler Gericht die Untersuchungshaft für Steudtner aufgehoben hat», sagte der SPD-Politiker am späten Mittwochabend nach Angaben des Auswärtigen Amtes. (sda/afp/dpa/reu)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
2 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
2
Vor Abstimmung über Amtsenthebung: Südkoreanischer Präsident entschuldigt sich bei Bürgern

Unmittelbar vor der Abstimmung über einen Antrag für ein Amtsenthebungsverfahren hat sich der südkoreanische Präsident Yoon Suk Yeol bei seinem Volk für das vorübergehende Verhängen des Kriegsrechts entschuldigt. In einer live im Fernsehen übertragenen Rede versprach Yoon zudem, dass so etwas unter seiner Führung nicht wieder geben werde. Er werde die «rechtliche und politische Verantwortung» für sein Handeln übernehmen und es seiner Partei überlassen, wie lange er im Amt bleiben solle. Weitere Einzelheiten nannte er nicht.

Zur Story