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Hubert Seipel – das ist (wohl) Putins Mann im deutschen Journalismus

SPIEF-2023. Guests ahead of the plenary session 8460479 16.06.2023 SPIEF-2023. Journalist Hubert Seipel at the ExpoForum Congress and Exhibition Center. Pavel Bednyakov / host photo agency: RIA Novost ...
Putins Mann im deutschen Journalismus? Der Filmemacher Hubert Seipel am 16. Juni auf einer Konferenz in St. Petersburg.Bild: IMAGO / SNA

Hubert Seipel – das ist (wohl) Putins Mann im deutschen Journalismus

Hubert Seipel, ein preisgekrönter Dokumentarfilmer, soll 600'000 Euro von einem russischen Oligarchen genommen haben. In seinen Büchern und Dokumentarfilmen behandelte der Journalist den russischen Präsidenten auffällig freundlich.
15.11.2023, 11:25
Hansjörg Friedrich Müller, Berlin / ch media
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«Geht's noch!?», herrschte Hubert Seipel 2021 einen Radiomoderator an, der ihn gefragt hatte, ob er jemals Geld aus Russland genommen habe. Der deutsche Buchautor und Dokumentarfilmer schien sich in seiner Ehre gekränkt zu fühlen, die Sendung kurz vor dem Abbruch zu stehen.

Zwei Jahre später scheint der Verdacht Gewissheit zu werden: Seipel, so berichtet ein internationales Recherchekonsortium von 69 Medien, zu dem unter anderem das ZDF und der «Spiegel» gehören, soll 600'000 Euro von einer Briefkastenfirma mit Sitz auf den Britischen Jungferninseln angenommen haben. Hinter der Firma stehe der russische Oligarch Alexei Mordaschow, der zum Umfeld Wladimir Putins gehöre.

Ein weiterer Schlag für eine gebeutelte Branche

In einem Vertrag vom März 2018 soll sich Seipel verpflichtet haben, ein Buch «über das politische Umfeld in der Russischen Föderation» zu schreiben, das sich «an ein breiteres Publikum» richten sollte. Bereits 2015 war eine Putin-Biografie Seipels erschienen; 2021 brachte er ein Buch mit dem Titel «Putins Macht. Warum Europa Russland braucht» heraus.

Sollte sich der Verdacht gegen Seipel erhärten, wäre er der bisher bekannteste westliche Journalist, der sich von Putins Umfeld bezahlen liess. Für die Glaubwürdigkeit der Branche, die sich in Deutschland wie in den meisten Ländern der Welt in einer schwierigen Lage befindet, könnte der Fall Seipel ein weiterer Schlag sein: Deutsche Kommentatoren sprechen bereits vom grössten Medienskandal seit dem Auffliegen des «Spiegel»-Reporters Claas Relotius, dessen Reportagen in weiten Teilen auf Erfindungen basierten.

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Putin im Interview bei Seipel, 2014.Bild: EPA/RIA NOVOSTI / POOL

Seipel arbeitete in seiner mehr als 40-jährigen Laufbahn unter anderem als Auslandskorrespondent für den «Spiegel» und den «Stern». In den vergangenen Jahren drehte er rund 30 Dokumentarfilme für ARD und ZDF. Für seine Arbeiten wurde der 73-Jährige mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Deutschen Fernsehpreis und dem Adolf-Grimme-Preis. 2012 produzierte er für die ARD die Dokumentation «Ich, Putin».

Seine Auftraggeber der letzten Jahre, der Norddeutsche Rundfunk sowie der Buchverlag Hoffmann und Campe, erklärten am Dienstag, nichts von Seipels «Sponsorenvertrag» gewusst zu haben. Den Verkauf der beiden Bücher hat der Verlag unterdessen gestoppt. Seipel behauptet, Mordaschow habe keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Bücher über Putin gehabt. Tatsächlich heisst es in dem Vertrag zwischen dem Journalisten und dem Oligarchen, Ersterer gehe keinerlei Verpflichtungen «in Bezug auf den Inhalt oder die Zusammensetzung des Buches» ein.

Die Vorwürfe scheinen niemanden zu überraschen

Auf dem sozialen Netzwerk X, wo sich zahlreiche Medienleute äussern, gaben sich deutsche Journalisten nach Bekanntwerden der Vorwürfe demonstrativ unverwundert: Dass Seipel von den Russen gekauft sein soll, sei nicht überraschend, lautete der Tenor. Tatsächlich bemühte sich der Filmemacher, der Putin knapp 100 Mal getroffen haben will, nach Ansicht von Rezensenten kaum um Distanz zum russischen Präsidenten. «Ich wollte etwas aus Putin rauskriegen. Das geht aber nur, wenn ich ihn möglichst lange reden lasse», sagte Seipel 2015 gegenüber CH Media Zeitung.

Beim deutschen Publikum warb der Journalist für eine Kooperation zwischen Russland und Europa. Damit vertrat er eine Position, die in Deutschland bis zum russischen Einmarsch in der Ukraine von vielen Angehörigen der politischen und wirtschaftlichen Elite geteilt wurde. Der einzige prominente Deutsche, dessen Blick auf Putins Russland von Geschäftsinteressen geprägt zu sein scheint, ist Seipel beileibe nicht.

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Acai
15.11.2023 11:49registriert März 2017
Naja, wäre Putin ein normal denkender Mensch, dann hätte zwischen Russland und Europa durchaus eine fruchtbare Kooperation aufblühen können.
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Walter Sahli
15.11.2023 12:29registriert März 2014
Ich habe das mal lokalisiert - wir sind ja hier schliesslich in der Schweiz, nä!?
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Der Micha
15.11.2023 12:04registriert Februar 2021
Eigentlich war dies wirklich ein offenes Geheimnis. Hubert Seipel bandelt ja nicht erst seit kurzen mit Putin. Das hier ein Zweckbündnis entstanden ist war jeden klar und der Verdacht auf Zahlungen kam ja auch schon, was im Artikel auch erwähnt wurde.

Ich finde es aber gut, dass ein Investigativ-Kollektiv endlich handfeste Spuren offenlegen kann. Das ist insbesondere wichtig, weil ein schwarzes Schaf im Journalismus andere mit herunterziehen kann.

Menschen sind sehr gut darin alles kollektiv zu verurteilen, wenn wenige von vielen aus der Reihe tanzen.
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