«Jenseits aller Realität»: Deutsche Bahn schwächt Pünktlichkeitsziele ab
Mit neuer Bahnchefin, abgeschwächten Pünktlichkeitszielen und einem Fokus auf Sauberkeit und Sicherheit will der Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) die Krise der Deutschen Bahn angehen. Doch bis sich für die Fahrgäste grundlegend Verbesserungen einstellen, dürfte es noch einige Jahre dauern.
Die bisherige Vorständin für den Regionalverkehr, Evelyn Palla, wird den Konzern künftig führen, wie Schnieder in Berlin offiziell mitteilte. Sie löst damit den bisherigen Bahnchef Richard Lutz ab, dessen Aus Mitte August bekannt wurde.
Schnieder gab zudem das Ziel aus, dass bis Ende 2029 mindestens 70 Prozent der Fernzüge ohne grössere Verzögerungen im Netz unterwegs sind. Die bisherigen, deutlich höheren Ziele der Bahn selbst, kritisierte er als «jenseits aller Realität» und als nicht annähernd erreichbar. Die Bahn wollte bereits im Jahr 2027 eine Pünktlichkeit von mindestens 75 Prozent schaffen.
Mittelfristig soll die Quote nun laut Ministerium bei mindestens 80 Prozent liegen, langfristig bei mindestens 90 Prozent. Im Nahverkehr soll die Pünktlichkeit dauerhaft mehr als 90 Prozent betragen. Ein konkreter Zeitraum für diese Ziele geht aus der Strategie nicht hervor.
Schafft die Bahn die neuen Pünktlichkeitsziele?
«Heute drücken wir auf Neustart», sagte Schnieder zur neuen Bahn-Strategie. Mit den Vorgaben zur Pünktlichkeit oder zum Komfort im Fernverkehr nimmt der Bund die Bahn nun wie erwartet enger an die Leine. Im ersten Halbjahr war mehr als ein Drittel der Fernzüge der Bahn unpünktlich unterwegs. Im Juli habe es an drei Tagen in Folge weniger als 40 Prozent Pünktlichkeit im Fernverkehr gegeben, betonte Schnieder. Das könne nicht so bleiben. Am Montag kam es zu weitreichenden Einschränkungen zwischen Hamburg und Berlin aufgrund von Oberleitungsschäden.
Hauptgrund für die hohe Unzuverlässigkeit ist das marode und überlastete Schienennetz. Schneider will dafür sorgen, dass die für die Infrastruktur zuständige DB InfraGo künftig eigenständiger und unabhängiger vom Gesamtkonzern agieren kann. Dafür werde etwa geprüft, ob der bisherige Beherrschungsvertrag zwischen Bahn und InfraGo fortbestehen soll. Eine Entscheidung darüber soll im ersten Halbjahr 2026 fallen.
Die Sparte soll zudem eindeutiger auf das Gemeinwohl ausgerichtet werden. Gewinne sollen nur insofern erzielt werden, als dass sie diesem Ziel zugutekommen.
Zuverlässigkeit als höchste Priorität
An dem Konzept der Generalsanierung hält Schnieder in seiner neuen Strategie fest. Es sieht vor, dass bis 2036 mehr als 40 besonders wichtige Strecken grundlegend modernisiert werden. Ziel ist es, auf diese Weise die Zahl der Baustellen nach und nach zu reduzieren und den Zugverkehr wieder zuverlässiger fahren zu lassen.
«Die Kunden müssen sich auf die angebotene Leistung der DB AG verlassen können, optimal informiert sein und sich gleichzeitig wohlfühlen, wenn sie das System Schiene nutzen», heisst es in der Strategie. Das Ziel «spürbare Zuverlässigkeit» habe für den Bund die höchste Priorität. (cma/awp/sda/dpa)