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Sie analysiert messerscharf, was mit Putins Angriffskrieg falsch läuft

Analyse

Diese preisgekrönte Autorin analysiert messerscharf, was im Krieg mit Putin falsch läuft

16.07.2022, 15:3915.09.2023, 19:44
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Kennst du Anne Applebaum?

Die 57-jährige US-Amerikanerin ist eine preisgekrönte Journalistin und Historikerin, die sich intensiv mit der Geschichte Russlands und der Ukraine befasst hat.

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Anne Applebaum, zwischen dem spanischen König Felipe und Königin Letizia.archivBild: keystone

2004 erhielt Applebaum für ihr 750-seitiges Werk «Der Gulag», einer umfassenden Darstellung des sowjetischen Lager- und Zwangsarbeitssystems, den Pulitzer-Preis.

2017 veröffentlichte sie mit «Red Famine» (deutsch: Roter Hunger) ein Buch, das den Holodomor thematisiert – also den Hungertod von mehreren Millionen Menschen in der Ukraine während der Sowjetherrschaft der 1930er-Jahre.

Doch zurück in die Gegenwart. Im Mai 2022 gab Applebaum der «NZZ am Sonntag» ein Interview. Thema: Wladimir Putin und der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Das Gespräch verlief ziemlich unerwartet ...

Die NZZ eröffnete:

«Seit dem russischen Angriffskrieg wird die Ukraine im Westen oft als Demokratie verherrlicht. Dabei geht vergessen, dass die Ukraine keine vollwertige Demokratie war, sondern ein post-sowjetischer korrupter Staat.»

Daraufhin Anne Applebaum:

«Das ist eine bizarre ­Aussage.»

Die NZZ verwundert:

«Finden Sie?»

Applebaum stellte klar:

«Niemand verherrlicht die Demokratie der Ukraine. Die Ukraine hatte eine Serie unangefochtener Wahlen. Die Wahlen 2004 waren gestohlen, weshalb extrem viele Menschen auf die Strasse gingen und protestierten. Seither gab es keine Klagen. Die Ukraine strebt eine Demokratie an, und das macht sie besser als einige Länder in Europa: Ungarn etwa oder die Türkei. Sogar in den USA werden Wahlen angefochten.»

Die NZZ hakte nach:

«Aber was ist mit der Korruption und den oligarchischen Strukturen? Sehen Sie das nicht?»

Applebaum fragte zurück:

«Gibt es in der Schweiz keine Oligarchen und Probleme mit Korruption?»

Die NZZ (plötzlich unerwartet im Verteidigungsmodus):

«Nein, wir haben keine Oligarchen und relativ wenig Korruption. Auf Schweizer Banken liegt jedoch das Geld von russischen Oligarchen.»

Nun lief die Interviewte warm:

«Schweizer Gesetze beschützen russische Oligarchen. Deshalb sind diese Leute in der Schweiz. Es ist ein guter Ort, um gestohlenes Geld zu parkieren.»

Die NZZ (fast schon trotzig):

«Immerhin suchen die Banken nach den ­Geldern von sanktionierten Oligarchen.»

Applebaums perfekter Konter:

«Ja, aber es gibt einen Grund, weshalb diese Gelder überhaupt da sind. Die Schweiz hat die russischen Oligarchen und Gelder geradezu eingeladen. Wenn Sie schon das Thema Korruption aufwerfen, reden wir richtig darüber. Klar, wir müssen über ukrainische Korruption sprechen, aber auch über die Schweizer Korruption und die britische. Die City of London ist tief korrupt. Wir müssen auch über die französische Korruption reden. (...)»

Das war nur der Auftakt zu einem absolut lesenswerten Interview der Kolleginnen und Kollegen von der «Neuen Zürcher Zeitung», das online verfügbar ist (siehe Quellen).

Prädikat: 🍿🍿🍿

Was die Schweiz tun kann

Ebenfalls im Mai hat srf.ch einen lesenswerten Beitrag zur preisgekrönten Journalistin und Historikerin veröffentlicht (siehe Quellen). Auch darin nahm Anne Applebaum kein Blatt vor den Mund, was Putin und seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine betrifft.

Der russische Diktator habe eine imperialistische Sichtweise und diese beinhalte, dass gewisse Staaten nicht existieren dürften. Deshalb müsse ihm und der ganzen russischen Elite aufgezeigt werden, dass dies kein gangbarer Weg sei.

Solange die russische Elite an ihrer Sichtweise festhalte, bringe es nichts, möglichst schnell einen Frieden zu schliessen, argumentierte die Historikerin gemäss SRF-Bericht.

Die gesamte russische Führungsriege gelte es von den Geldquellen abzuschneiden, fordert Applebaum. Denn dieses Geld, das Putin und seine Clique schlicht und einfach gestohlen hätten, halte sie in Russland an der Macht.

Deshalb stehe der Westen und insbesondere auch die Schweiz in der Verantwortung. «Wir – in der Schweiz, in London, in New York – haben diese Geldwäsche ermöglicht.»

«Russlands Krieg gegen die Ukraine hat sich in Terrorismus verwandelt.»