
Ukrainische Rettungskräfte mit einem Kind, das beim russischen Bombenangriff am 8. Juli 2024 in der Hauptstadt Kiew verletzt wurde.Bild: keystone
Russland hat am Montag einen Marschflugkörper auf eine Kinderklinik in Kiew gefeuert. In dem Waffensystem wohl verbaut: zahlreiche westliche Bauteile – trotz der Russland-Sanktionen.
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Der russische Marschflugkörper, der ein Kiewer Kinderkrankenhaus getroffen hat, basiert offenbar auf zahlreichen westlichen Komponenten. Demnach stammen laut Experten und ukrainischen Beamten mehrere Teile des Marschflugkörpers Kh-101 aus den USA, berichtet die «Financial Times».
So haben ukrainische Spezialisten einen im Januar abgefeuerte Marschflugkörper Kh-101 untersucht. Dieser Typ traf nach ersten Analysen auch das Spital.
Dabei seien 16 Teile aus westlicher Produktion entdeckt worden. Zwei davon kommen demnach vom schweizerischen Unternehmen STMicroelectronics, die übrigen stammen von US-Chipherstellern wie Texas Instruments, Analog Devices und Intel. Die verwendeten Teile seien aber hauptsächlich für den zivilen Gebrauch bestimmt, teilweise waren sie schon recht alt.
«Die westliche Technologie ermöglicht es ihnen, diese intelligenteren Raketen zu bauen, mit denen ihre Terrorangriffe unsere mühsame Luftverteidigung überwinden können.»
Olena Bilousova, Forschungsleiterin für Sanktionen am KSE-Institut in Kiewquelle: ft.com
Mehr als 50 im Ausland produzierte Teile
Laut russischen Unterlagen, die der «Financial Times» vorliegen, hat Russland die Teile 2023 auf dem freien Markt gekauft und über China importiert. So umging das Land die aktuellen Sanktionen.
In den Dokumenten ist demnach aufgeführt, dass diese von westlichen Unternehmen hergestellt wurden – in den offiziellen Einfuhrlisten werden hingegen China, Malaysia, die Philippinen, Taiwan oder Thailand als Herkunftsländer angegeben.

Ein ukrainischer Soldat birgt Überreste einer russischen Rakete, nachdem beim Angriff das wichtigste Kinderspital des Landes zerstört wurde.Bild: keystone
Da nur ein Teil der Rakete untersucht werden konnte, dürfte die Zahl der westlichen Komponenten noch höher liegen. Einer Analyse des Büros des ukrainischen Präsidenten zufolge, die der «Financial Times» ebenfalls vorliegt, kann eine komplette Kh-101 aus mehr als 50 verschiedenen im Ausland produzierten Teilen bestehen.
Bei dem Angriff auf die Infrastruktur der Ukraine wurden am Montag mindestens 41 Menschen getötet. Russland bestreitet allerdings, dabei auch das Kinderkrankenhaus angegriffen zu haben. Moskau behauptet, die Ukraine habe es mit einer Rakete eines westlichen Flugabwehrsystems vom Typ Nasams getroffen.
Mehrere Experten haben das Geschoss derweil eindeutig als russische Kh-101-Rakete identifiziert.
«Russland hat Kh-101 für militärische und zivile Ziele eingesetzt. Dabei geht es darum, dem Gegner Opportunitätskosten aufzuerlegen, indem er gezwungen wird, diese Anlagen wieder aufzubauen. Aber es geht auch darum, die Bevölkerung zu terrorisieren und die Moral zu untergraben.»
Fabian Hoffmann, Politikwissenschaftler und Doktorand an der Universität Oslo
Thema am NATO-Gipfel
Vladyslav Vlasiuk, ein Sanktionsexperte im ukrainischen Präsidialamt, sagte der «Financial Times», dass Präsident Wolodymyr Selenskyj die Frage westlicher Komponenten, die für die Herstellung russischer Raketen verwendet werden, auf dem NATO-Gipfel diese Woche in Washington gegenüber westlichen Staats- und Regierungschefs ansprechen werde.
Laut Schätzungen von Experten versagen 20 Prozent von Russlands Marschflugkörper, weil geschmuggelte Komponenten für eine ungenaue Steuerung sorgen, den Anforderungen des Unterschallflugs nicht gewachsen sind oder gar nicht erst starten.
Die überforderte ukrainische Luftabwehr sei jedoch nach wie vor nicht in der Lage, einem massiven Beschuss wie dem vom Montag standzuhalten, bei dem Russland 38 Raketen abfeuerte.
Quellen
(t-online/dsc)
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Aber dass alte Bauteile, die für irgendwas irgendwohin verkauft und von irgendwo legal oder illegal importiert worden sein können, kann man der Firma und der Schweiz echt nicht vorwerfen.