Französische Elitesoldaten entern Tanker aus Putins Schattenflotte – das wissen wir
Das Schiff dümpelte seit Tagen vor einem Windpark nahe Saint-Nazaire vor Frankreichs Atlantikküste. Dann stoppte die französische Marine den Tanker.
«Es laufen Ermittlungen, da der Verdacht auf einen Gesetzesverstoss besteht», erläuterte Guillaume Le Rasle, Sprecher der französischen Atlantikflotte, am Mittwoch im französischen Rundfunk. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach nur knapp von einer «guten Sache».
Was ist passiert?
Laut einer Militärquelle im Élysée-Palast fand die französische Kommandoaktion zur «Aufbringung» des Schiffes bereits am vergangenen Samstag statt. Seit Sonntag treibe der 244 Meter lange Öltanker im Atlantik, etwas mehr als 12 Seemeilen vor der Küste – der Grenze zu französischen Hoheitsgewässern.
Die französische Staatsanwaltschaft in Brest hat laut laut France Info am Montag eine Untersuchung wegen «fehlender Unterlagen» und «Weigerung, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten» eingeleitet.
Doch der verdächtige Öltanker ist schon länger im Visier westlicher Behörden. Die Ermittler in Grossbritannien werfen den Verantwortlichen Vergehen vor, die auf die «Destabilisierung der Ukraine» abzielen.
Was hat Russland mit dem Schiff zu tun?
Im Visier dänischer Ermittler
Die «Boracay» soll zur sogenannten Schattenflotte des russischen Staatschefs Wladimir Putin gehören. Mit abgetakelten Tankern unter fremder Flagge will Putin die westlichen Öl-Sanktionen umgehen. So soll die 244 Meter lange «Boracay» früher auch unter dem Namen «Kiwala» und «Pushpa» auf den Meeren der Welt unterwegs gewesen sein. Gebaut wurde sie 2007.
Ihre jüngste Fahrt startete die «Boracay» vor wenigen Tagen im Hafen von Primorsk nahe der russischen Stadt St. Petersburg. Als es die dänische Küste passierte, häuften sich dort Zwischenfälle mit unbekannten Drohnen, die zur Sperrung des Luftraums führten. Nach Berichten der Zeitung «Berlingske Tidende» ist die Crew der «Boracay» deshalb im Visier der dänischen Ermittler.
Zur Erinnerung: Vor zwei wichtigen Gipfeln europäischer Staats- und Regierungschefs wurden in Dänemark in der Vorwoche Drohnen über den Zivilflughäfen Kopenhagen und Aalborg gesichtet. Auch der grösste Militärstützpunkt des Landes in Karup geriet ins Visier der Drohnen. Zum Schutz des Gipfeltreffens am Mittwoch und Donnerstag wurden auch Einheiten der deutschen Bundeswehr abgestellt.
Dänischer Experte verweist auf Russland
Thomas Østrup Møller, Dänemarks Botschafter in Deutschland, erläuterte in einem Gastbeitrag für den watson-Medienpartner T-Online:
Frankreichs Marine macht mit der europäischen Zusammenarbeit jetzt ernst und setzte die «Boracay» fest. Jacob Kaarsbo, ehemaliger Chefanalyst des dänischen Militärgeheimdienstes, sagte der Zeitung «Berlingske Tidende» mit Blick auf die Drohnen-Zwischenfälle in seinem Land in der Vorwoche: Es sei «schwer vorstellbar, dass ein anderer Akteur als Russland die Fähigkeit und Absicht hätte», solche Operationen durchzuführen.
Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies am Mittwoch jede Mutmassung zurück. Man habe «keinerlei Informationen» über ein Schiff, das in Frankreich festgesetzt worden sei, liess er wissen.
Nach Angaben von EU-Ratspräsident António Costa gab es in der Diskussion unter anderem breite Unterstützung für den geplanten Aufbau eines «Drohnenwalls» und weitere Massnahmen zur Absicherung der EU-Ostflanke. Die EU-Kommission werde nun in zwei Wochen einen konkreten Fahrplan für die geplante Aufrüstung bis 2030 vorlegen, erklärte der Portugiese. Beim nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in drei Wochen in Brüssel sei es dann an der Zeit für Entscheidungen.
Zu dem französischen Militäreinsatz gegen das russische Schattenflotte-Schiff gab es bei der Gipfelpressekonferenz am späten Abend keine weiteren Informationen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte, sie könne konkrete Ermittlungen nicht kommentieren. Generell gebe es aber seit Längerem grosse Probleme mit der russischen Schattenflotte, gerade in der Ostsee.
Was hat es mit der Schattenflotte auf sich?
Quellen
- berlingske.dk: Russisk skib efterforskes efter ophold i dansk farvand (dänisch)
- lefigaro.fr: Un pétrolier de la flotte fantôme russe repéré au large de Saint-Nazaire sur fond d’enquête au Danemark
- franceinfo.fr: Survol de drones au Danemark : un "navire fantôme" russe présent au large de Saint-Nazaire au centre de l'enquête (30. Sept.)
- reuters.com: Kremlin, asked about French investigation into oil tanker, talks of 'provocative actions' by some states (Paywall)
- Mit Material von Keystone-SDA
(t-online/dsc)