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Französische Elitesoldaten entern Tanker aus Putins Schattenflotte

Der zu Putins Schattenflotte zählende Frachter "Boracay" auf einem Foto der Online-Schiffsplattform Vesselfinder. (Archivbild)
Der zu Putins Schattenflotte zählende Tanker Boracay, früher hiess er Pushpa.archivBild: vesselfinder.com

Französische Elitesoldaten entern Tanker aus Putins Schattenflotte – das wissen wir

Der verdächtige Tanker hatte zuvor Dänemark passiert – zeitgleich mit mehreren Drohnen-Attacken. Nun treiben die europäischen Staats- und Regierungschefs Drohnenabwehr-Pläne voran.
02.10.2025, 09:1802.10.2025, 13:15
Peter Riesbeck / t-online
Ein Artikel von
t-online

Das Schiff dümpelte seit Tagen vor einem Windpark nahe Saint-Nazaire vor Frankreichs Atlantikküste. Dann stoppte die französische Marine den Tanker.

«Es laufen Ermittlungen, da der Verdacht auf einen Gesetzesverstoss besteht», erläuterte Guillaume Le Rasle, Sprecher der französischen Atlantikflotte, am Mittwoch im französischen Rundfunk. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach nur knapp von einer «guten Sache».

Was ist passiert?

Laut einer Militärquelle im Élysée-Palast fand die französische Kommandoaktion zur «Aufbringung» des Schiffes bereits am vergangenen Samstag statt. Seit Sonntag treibe der 244 Meter lange Öltanker im Atlantik, etwas mehr als 12 Seemeilen vor der Küste – der Grenze zu französischen Hoheitsgewässern.

Die französische Staatsanwaltschaft in Brest hat laut laut France Info am Montag eine Untersuchung wegen «fehlender Unterlagen» und «Weigerung, den Anweisungen der Behörden Folge zu leisten» eingeleitet.

Doch der verdächtige Öltanker ist schon länger im Visier westlicher Behörden. Die Ermittler in Grossbritannien werfen den Verantwortlichen Vergehen vor, die auf die «Destabilisierung der Ukraine» abzielen.

Was hat Russland mit dem Schiff zu tun?

Im Visier dänischer Ermittler

Die «Boracay» soll zur sogenannten Schattenflotte des russischen Staatschefs Wladimir Putin gehören. Mit abgetakelten Tankern unter fremder Flagge will Putin die westlichen Öl-Sanktionen umgehen. So soll die 244 Meter lange «Boracay» früher auch unter dem Namen «Kiwala» und «Pushpa» auf den Meeren der Welt unterwegs gewesen sein. Gebaut wurde sie 2007.

Spuren führen nach Moskau
Die Boracay fährt derzeit unter der Flagge des westafrikanischen Staates Benin und gehört laut der auf Schifffahrts-Nachrichten spezialisierten Zeitung «Lloyd's List» der Baaj Shipping Limited, einem auf den Seychellen registrierten Unternehmen. Ein PDF-Dokument der Benin Merchant Marine Directorate vom 22. August 2025 bestätigt seine Registrierung. Und es werde angegeben, dass sein Versicherer AlfaStrakhovanie PLC seinen Sitz in Moskau hat.
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Screenshot: gove.bj

Ihre jüngste Fahrt startete die «Boracay» vor wenigen Tagen im Hafen von Primorsk nahe der russischen Stadt St. Petersburg. Als es die dänische Küste passierte, häuften sich dort Zwischenfälle mit unbekannten Drohnen, die zur Sperrung des Luftraums führten. Nach Berichten der Zeitung «Berlingske Tidende» ist die Crew der «Boracay» deshalb im Visier der dänischen Ermittler.

Ein Windpark vor Frankreichs Atlantikküste. (Archivbild)
Ein Windpark vor Frankreichs Atlantikküste. (Archivbild).Bild: imago-images.de

Zur Erinnerung: Vor zwei wichtigen Gipfeln europäischer Staats- und Regierungschefs wurden in Dänemark in der Vorwoche Drohnen über den Zivilflughäfen Kopenhagen und Aalborg gesichtet. Auch der grösste Militärstützpunkt des Landes in Karup geriet ins Visier der Drohnen. Zum Schutz des Gipfeltreffens am Mittwoch und Donnerstag wurden auch Einheiten der deutschen Bundeswehr abgestellt.

Dänischer Experte verweist auf Russland

Thomas Østrup Møller, Dänemarks Botschafter in Deutschland, erläuterte in einem Gastbeitrag für den watson-Medienpartner T-Online:

«In dieser neuen Sicherheitslage müssen die Europäer nicht nur ihre jeweilige Verteidigung verbessern, sondern vor allem auf eine vertiefte Zusammenarbeit in der Verteidigung hinarbeiten, damit Europa schon 2030 auf eigenen Beinen stehen kann. Den Willen zu einer solchen Zusammenarbeit erleben wir schon bei dieser informellen Tagung der Staats- und Regierungschefs der EU, wo die Bundeswehr Dänemark mit einem Beitrag im Bereich der Drohnenabwehr unterstützt.»

Frankreichs Marine macht mit der europäischen Zusammenarbeit jetzt ernst und setzte die «Boracay» fest. Jacob Kaarsbo, ehemaliger Chefanalyst des dänischen Militärgeheimdienstes, sagte der Zeitung «Berlingske Tidende» mit Blick auf die Drohnen-Zwischenfälle in seinem Land in der Vorwoche: Es sei «schwer vorstellbar, dass ein anderer Akteur als Russland die Fähigkeit und Absicht hätte», solche Operationen durchzuführen.

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies am Mittwoch jede Mutmassung zurück. Man habe «keinerlei Informationen» über ein Schiff, das in Frankreich festgesetzt worden sei, liess er wissen.

EU bereitet «Drohnenwall» vor
Die Nachrichten über den französischen Militäreinsatz sorgten am Mittwochabend bei einem informellen Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU-Länder in Kopenhagen für Gesprächsstoff. Bei ihm ging es darum, wie die Europäische Union bis 2030 Abschreckung und Verteidigung massiv ausbauen kann.

Nach Angaben von EU-Ratspräsident António Costa gab es in der Diskussion unter anderem breite Unterstützung für den geplanten Aufbau eines «Drohnenwalls» und weitere Massnahmen zur Absicherung der EU-Ostflanke. Die EU-Kommission werde nun in zwei Wochen einen konkreten Fahrplan für die geplante Aufrüstung bis 2030 vorlegen, erklärte der Portugiese. Beim nächsten Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU in drei Wochen in Brüssel sei es dann an der Zeit für Entscheidungen.

Zu dem französischen Militäreinsatz gegen das russische Schattenflotte-Schiff gab es bei der Gipfelpressekonferenz am späten Abend keine weiteren Informationen. Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen sagte, sie könne konkrete Ermittlungen nicht kommentieren. Generell gebe es aber seit Längerem grosse Probleme mit der russischen Schattenflotte, gerade in der Ostsee.
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Dänemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen.Bild: keystone

Was hat es mit der Schattenflotte auf sich?

Quellen

(t-online/dsc)

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Die beliebtesten Kommentare
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Callao
02.10.2025 10:18registriert April 2020
Endlich macht jemand Nägel mit Köpfen und eiert nicht rum! Vive la France!
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123456seven
02.10.2025 10:46registriert Februar 2022
Gut so! Nun auch noch Luftraumverletzungen konsequenter handhaben.
Feindflugzeug eskortieren oder notfalls abschiessen. Bei Drohnen müssen günstigere / effizientere Lösungen zum Abschuss noch erarbeitet werden.
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Rannen
02.10.2025 10:00registriert Januar 2018
Endlich geht was! Der Frachter ist zu konfiszieren, vielleicht werden noch Überraschungen gefunden.
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