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Marode Öltanker: Wegen Putins Geisterschiffen droht Umweltkatastrophe

Seeuntaugliche Öltanker in der Ostsee: Wladimir Putin gefährdet mit der russischen Schattenflotte die Umwelt.
Marode Öltanker bedrohen die Ostsee, auch «Baltic Sea» genannt, und weitere Meere.Bild: imago-images.de

Die Warnungen häufen sich: Wegen Putins Geisterschiffen droht eine Katastrophe

Weil der Kreml seeuntüchtige Tanker einsetzt, häufen sich die Warnungen vor einer verheerenden Ölpest in und um Europa. Damit nicht genug, dürften drohende immense Schäden nicht gedeckt sein.
19.04.2024, 06:0519.04.2024, 13:30
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Der schwedische Aussenminister wählte diese Woche gegenüber dem «Guardian» deutliche Worte. Russland scheine bereit zu sein, eine «Umweltverwüstung» anzurichten, indem es seeuntüchtige Öltanker unter Verstoss gegen alle Verkehrsvorschriften durch die Ostsee fahren lasse.

Was ist passiert?

Es ist nicht die erste Stellungnahme eines Staatsvertreters, die aufhorchen lässt. Der finnische Grenzschutz warnte letzte Woche öffentlich vor dem Risiko einer Ölpest. Dies angesichts einer Flotte von sogenannten Geistertankern, die trotz Sanktionen russisches Öl durch die Ostsee transportieren.

Die finnische Behörde erklärte, es passierten wöchentlich 70 dieser Schiffe mit 100'000 Tonnen Rohöl an Bord den finnischen Meerbusen, nachdem sie in verschiedenen russischen Häfen beladen worden seien. Es bestehe «ein erhöhtes Unfallrisiko mit Folgen für die Umwelt», warnte der Leiter der Abteilung für maritime Sicherheit, Mikko Simola.

Und nun doppelte der schwedische Aussenminister Tobias Billström in Grossbritannien nach. Während seines ersten Besuchs in London seit Schwedens NATO-Beitritt forderte er neue Regeln und Durchsetzungsmechanismen. Es gelte unbedingt zu verhindern, dass die alternde und nicht versicherte russische Schattenflotte eine Katastrophe verursache.

Schwedens Aussenminister Tobias Billström.
Der schwedische Politiker Tobias Billström, 50, ist seit Oktober 2022 Aussenminister.Bild: imago-images.de

Was hat es mit der Schattenflotte auf sich?

Etwa die Hälfte des gesamten russischen Rohöls wird auf dem Seeweg durch die Ostsee und durch dänische Gewässer transportiert. Die entsprechenden Schiffe sind laut «Guardian» oft unter intransparenten Eigentumsverhältnissen unterwegs und nutzen – wenn immer möglich – internationale Gewässer, um Kontrollen der Anrainerstaaten zu entgehen.

Russland hat seit dem Überfall auf die Ukraine viele seiner Schiffe an Briefkastenfirmen outgesourct.
«ZDF Frontal»

Sogenannte «Schattenflotten» oder «Geisterschiffe» fahren unter den Flaggen von Ländern, die keine strengen Schifffahrtsvorschriften haben. Es werden aber auch unterwegs die Flaggen gewechselt und Ortungssysteme manipuliert, um allfällige Überwachung und Kontrollen zu unterlaufen.

Dem finnischen Grenzschutz zufolge fahren Öltanker etwa unter den Flaggen von Kamerun, Gabun, Dschibuti, Palau oder Belize. Diese seien in der nördlichen Ostsee «noch nie zuvor» gesehen worden, wie aus Berichten hervorgeht. Aber auch Panama und Liberia gehören zu den Problemstaaten, die bei Tankern und ihren Eignern nicht genau hinsehen.

Zu den drohenden massiven Umweltschäden kommt ein weiteres Problem hinzu, wie die «Financial Times» berichtete. Im Kleingedruckten der Verträge mit solchen Geisterschiffen stehe eine «Sanktionsausschlussklausel». Im Falle einer Ölpest könnten betroffene Staaten auch noch auf den immensen Kosten sitzen bleiben. Da Tanker zudem auf dem Weg nach Indien den Ärmelkanal passierten, seien potenziell auch Grossbritannien und Frankreich betroffen.

Welche Rolle spielt die Schweiz bei russischem Öl?

Leider eine unrühmliche, wie die Schweizer Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) Public Eye konstatierte.

«Öl und Gas sind die Treibstoffe des russischen Kriegs in der Ukraine, denn mehr als ein Drittel der russischen Staatseinnahmen stammt aus deren Verkauf.»

Die Schweiz gilt als weltweit grösster Rohstoff-Handelsplatz: 50 bis 60 Prozent des (virtuellen) Handels mit russischem Rohöl und Erdölprodukten erfolgten bis zu den vom Westen verhängten Wirtschaftssanktionen über hiesige Firmen.

Im November 2023 berichteten die Fachleute von Public Eye, die Schweizer Rohstoffkonzerne tauchten «derzeit unter den Käufern von russischem Öl kaum mehr auf». An ihre Stelle seien kleine und undurchsichtige Unternehmen getreten, von denen einige dem Kreml nahestünden.

Aber: Die grossen Rohstoffhändler seien zwar auf anderen Märkten aktiv, aber hierzulande immer noch fest etabliert, um die Verbindung zu den hiesigen Banken aufrechtzuerhalten. Auch die meisten kleineren Trader hätten trotz Umzug nach Dubai noch eine Firma am Genfersee behalten.

Ein russischer Trader erklärte:

«Warum sollte man sie schliessen? So kann man immer noch einen Fuss im Westen haben und, das vor allem, die Beziehungen zu den Schweizer Banken pflegen, die den Handel finanzieren, auch wenn sie nichts mehr mit russischen Produkten zu tun haben wollen.»
quelle: publiceye.ch

Wie wichtig sind die Ölexporte für Russland?

Offenbar enorm wichtig.

Für Russlands Wirtschaft seien die Ölexporte «ein starkes Rückgrat», schrieb die Nachrichtenagentur AFP. Und Putin versuche alles, um sein Öl-Geschäft anzukurbeln, und die Russen würden dafür sogar die Sanktionen umgehen.

Wichtig zu wissen: Die Staaten der Europäischen Union (EU) haben sich auf einen Preisdeckel für russisches Öl geeinigt (60 US-Dollar pro Barrel). Damit solle verhindert werden, dass Russland mit Exporten Milliardengewinne macht.

Putins Schattenflotte generiert laut «Guardian» enorme Einnahmen für Russlands Kriegsmaschinerie und umgeht westliche Sanktionen, die versuchten, den Zugang zu Versicherungen zu blockieren, wenn Russland das Öl für mehr als 60 Dollar pro Barrel verkaufe. In der Praxis würden nur 20 Prozent des russischen Öls unter der Preisobergrenze verkauft.

Wie gross ist die Gefahr für die Umwelt?

Das lässt sich schwer abschätzen.

Wie der «Guardian» schreibt, trafen sich vor zwei Wochen die Aussenminister der acht nordisch-baltischen Ländergruppen «auf der strategischen Insel Gotland», um über den Umgang mit der russischen Schattenflotte zu beraten.

Der schwedische Aussenminister warnt nun:

«Wir wären alle betroffen, wenn es aufgrund einer Kollision oder eines Ölaustritts von einem dieser Schiffe, die in vielen Fällen auch nicht seetüchtig oder nahezu nicht seetüchtig sind, zu einem grösseren Problem kommen würde.»

Jeder Staat, der Mitglied der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation IMO sei, müsse auf die Einhaltung der geltenden Regeln und Vorschriften pochen. Und es bestehe das Recht, den Kapitän eines als nicht seetüchtig erachteten Schiffes im Hafen aufzuhalten, bis die Mängel behoben sind.

Einige nordische Länder seien jedoch besorgt über die Reaktion Russlands, wenn sie tatsächlich eingreifen.

Quellen

So berichtete das Investigativ-Magazin «ZDF frontal» im August 2023:

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126 Kommentare
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Tugium
19.04.2024 06:46registriert Oktober 2017
600 Milliarden wären ja da von den Russen. Nur tut sich der Westen unglaublich schwer damit diese einzuziehen, wegen dem Recht und so. Russland hält sich auch an kein Recht, also einziehen und für solche Dinge verwenden. Oder der Ukraine Waffen kaufen und Hilfe leisten.
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Minotauro
19.04.2024 06:43registriert August 2022
Dasselbe "Erfolgsmodell" wie China, die eigene Wirtschaftsleistung zulasten der Umwelt steigern, während wir dort noch fleissig investieren und importieren. Kein Wunder machen sich die autokratischen Staaten über die Dekadenz des Westens lustig ....
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Daniel Noger
19.04.2024 06:36registriert November 2022
Warum werden diese Schiffe nicht einfach konfisziert?
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