Eigentlich wollte der Fernsehmoderator Sean Hannity seinem alten Weggefährten eine Brücke bauen. Doch Ex-Präsident Donald Trump, der 2024 wieder ins Weisse Haus gewählt werden möchte, verpasste die Auffahrt. Also sagte der Präsidentschaftskandidat am Dienstag, während einer Podiumsdiskussion auf dem Sender Fox News Channel: Natürlich werde er in einer allfälligen zweiten Amtszeit seine Macht nicht missbrauchen, um es seinen politischen Gegnern heimzuzahlen, «einmal abgesehen vom ersten Tag».
Die Aussage ist typisch Trump. Sie enthält eine Prise Wahrheit, eine Prise Geprahle und eine Prise Ungewissheit – als sei der 77 Jahre alte Politiker ein Fernsehstar, der das Publikum dazu bewegen wolle, die nächste Staffel einer Realityshow anzuschauen.
Die Prise Wahrheit allerdings, die Trumps saloppe Aussage über seine Rückkehr als Quasi-Diktator enthält, die sorgt bei vielen Amerikanerinnen und Amerikanern für Unwohlsein.
Der Republikaner präzisierte zwar im Gespräch mit Hannity, dass sich seine Ankündigung «nur» auf die Grenze zu Mexiko beziehe, die er am ersten Tag seiner neuen Amtszeit komplett schliessen wolle, und auf die Energiepolitik seiner neuen Regierung. «Danach werde ich kein Diktator mehr sein.»
Aber es gibt inzwischen ausreichend Hinweise darauf, dass «Trump II: Die Rückkehr» – um beim Sprachbild der Realityshow zu bleiben – zu einem demokratiepolitischen Krimi werden könnte. Da sind zum einen die Aussagen der hochrangigen Berater des Präsidentschaftskandidaten. Und da sind zum andern seine Andeutungen, die Trump in zahlreichen Wahlkampfauftritten macht.
Ein Beispiel bloss für die Aussagen seiner Berater. Kash Patel, der in einer zweiten Amtszeit von Trump einen hochrangigen sicherheitspolitischen Posten übernehmen könnte, kündigte diese Woche einen Rachefeldzug gegen sämtliche Feinde des Ex-Präsidenten an. «Wir werden die Verschwörer finden, nicht nur in der Regierung, sondern auch in den Medien», sagte Patel. Und dann würde diesen Menschen, die Joe Biden angeblich dabei geholfen hätten, das Resultat der Präsidentenwahl 2020 zu manipulieren, vor Gericht gestellt.
Das ist eine ziemlich absurde Aussage, gibt es doch keine Beweise dafür, dass die Wahl 2020 manipuliert worden war. Aber Trump will sich rächen, an den Menschen, die seine politische Karriere angeblich sabotierten. So hat er in den vergangenen Monaten angekündigt, dass er seinem Nachfolger im Weissen Haus «und der gesamten Verbrecherfamilie Biden» den Prozess machen wolle.
Auch vertritt Trump zunehmend radikale Positionsbezüge, die unvereinbar sind mit der Mehrheitsmeinung in Washington und den geltenden Spielregeln des Politbetriebs in der Hauptstadt. So könnte er in einer zweiten Amtszeit «die Mission» des Verteidigungsbündnisses Nato infrage stellen, nachdem er in der ersten bereits mit einem Austritt der USA geliebäugelt hatte.
Auch spricht Trump über militärische Attacken gegen Drogenkartelle in Mexiko, die forcierte Ausschaffung von Millionen von Migrantinnen und Migranten oder den Einsatz der Streitkräfte im Landesinnern.
Das Wahlkampfteam von Präsident Joe Biden wiederum nutzt die «undemokratischen» Aussagen von Trump, um Stimmung für den angeschlagenen Amtsinhaber zu machen. Wahlkampf-Chefin Julie Chavez Rodriguez verbreitete noch am Dienstag eine Stellungnahme, in dem sie vor dem Quasi-Diktator Trump warnte. «Die Amerikaner sollten ihm glauben», wenn er darüber spreche, dass er seine Macht missbrauchen werde. Und sei es nur am ersten Tag.
(aargauerzeitung.ch)