Rehoboth Beach ist ein Badeort an der Atlantikküste im US-Bundesstaat Delaware. Joe Biden besitzt dort ein Wochenendhaus, in das er sich auch nach seiner Wahl zum Präsidenten gerne zurückzieht. Extravagant ist es nicht, schon gar nicht im Vergleich mit Donald Trumps bombastischer Residenz Mar-a-Lago im Nobelort Palm Beach (Florida).
Seit Mittwoch aber haben die Immobilien des Ex-Präsidenten und seines Nachfolgers etwas gemeinsam: Sie wurden vom FBI nach klassifizierten Dokumenten durchsucht, die dort nicht hingehörten. Der grosse Unterschied: Aus Mar-a-Lago wurde kistenweise Material abgeschleppt. In Rehoboth Beach hingegen konnte die Bundespolizei nichts finden.
Die Hausdurchsuchung am Mittwoch war die jüngste Episode in der Affäre um vertrauliche Regierungsunterlagen, die eigentlich dem Nationalarchiv übergeben werden müssten. Trump hatte sie aus dem Weissen Haus mitgehen lassen, während sie in Bidens Fall aus seiner Zeit als Vizepräsident von Barack Obama und als Senator von Delaware stammten.
Am 8. August 2022 waren FBI-Agenten mit einem Durchsuchungsbefehl in Mar-a-Lago aufgetaucht. Im Dezember des Vorjahres hatte ein Trump-Mitarbeiter das Nationalarchiv in Washington informiert, es seien Unterlagen aus der Amtszeit des Ex-Präsidenten gefunden worden. Das Archiv erhielt in der Folge 15 Kisten mit teilweise geheimem Material.
Justizministerium und FBI waren alarmiert und leiteten eine Untersuchung ein, ob Donald Trump allenfalls weitere geheime Dokumente in Florida «gebunkert» hatte. Bald tauchten Hinweise auf, dass sich tatsächlich noch mehr Kisten in Mar-a-Lago befanden. Trump und seine Anwälte aber blockten alle Gesuche ab, weshalb es im August zur Razzia kam.
Am 2. November wurden am Penn Biden Center for Diplomacy and Global Engagement, einem auf Initiative des heutigen Präsidenten gegründeten Thinktank in Washington, ebenfalls klassifizierte Unterlagen entdeckt. Anlass war die Räumung eines privaten Büros, das Joe Biden 2017 nach dem Ende seiner Amtszeit als Vizepräsident bezogen hatte.
Bekannt wurde der Fund erst Anfang Januar durch einen Bericht des Fernsehsenders CBS. Darauf wurden weitere Dokumente in Bidens Privathaus in Wilmington (Delaware) entdeckt, unter anderem in einer Garage. Am 20. Januar wurde es vom FBI während 13 Stunden durchsucht, mit Zustimmung des Präsidenten, wie sein Anwalt Bob Bauer betonte.
Die genaue Zahl ist nicht bekannt. Im Fall von Joe Biden dürften es relativ wenige sein. So stellte es zumindest sein Sonderberater Richard Sauber dar. Gemäss CNN betreffen sie ausländische Staaten, darunter Grossbritannien, Iran und die Ukraine. Sauber betonte, er habe das Justizministerium nach dem Fund «sofort benachrichtigt».
In Mar-a-Lago hatte das FBI insgesamt 33 Kisten mit Material beschlagnahmt, zusätzlich zu den 15, die im Januar übergeben wurden. Laut US-Medien seien bei Donald Trump rund 300 klassifizierte Dokumente gefunden worden. Fotos zeigen einige, die als «streng geheim» markiert sind. Dies wäre ein ernsthafter Verstoss gegen die Archivierungsvorschriften.
Kritiker verweisen allerdings darauf, dass die US-Behörden und Geheimdienste einen fast schon exzessiven Geheimhaltungskult betrieben. Selbst vergleichsweise harmlose Dinge können als «vertraulich» – die niedrigste Klassifizierungsstufe – bezeichnet werden. Prompt wurden auch bei Trumps damaligem Vize Mike Pence Unterlagen entdeckt.
Nach der Razzia in Florida hatte der Präsident das Verhalten seines Vorgängers als «unverantwortlich» bezeichnet. Nun fällt die Kritik auf ihn zurück, was auch an Joe Bidens teilweise flapsiger Reaktion auf die Funde lag. So erklärte er, die Garage seines Hauses sei stets abgeschlossen, schliesslich habe er dort seine Corvette Jahrgang 1967 parkiert.
Wie üblich bezeichnete er sich als Opfer einer Hexenjagd. Auf Fox News behauptete Trump, ein Präsident könne Material selbst dann deklassifizieren, wenn er nur daran denke. Nach dem Fund bei Biden forderte er das FBI auf, dessen Häuser zu durchsuchen, «vielleicht sogar das Weisse Haus». Was einigermassen widersinnig und damit typisch Trump ist.
Joe Bidens Reaktion auf die Funde mag salopp gewesen sein, doch in der Sache haben er und seine Mitarbeiter stets mit der Justiz und dem Nationalarchiv kooperiert. Die Durchsuchung seiner Privathäuser in Wilmington und Rehoboth Beach hatte er selbst angeregt. Donald Trump hingegen legte sich quer und stellte sich wie gewohnt als Opfer dar.
Im November ernannte Justizminister Merrick Garland mit Jack Smith einen Sonderermittler, der nicht nur Donald Trumps Umgang mit Geheimunterlagen unter die Lupe nehmen soll, sondern auch seine Rolle beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021. Nach dem Fund der Biden-Unterlagen setzte Garland den Sonderermittler Robert Hur ein.
Angesichts der heiklen Konstellation mit einem ehemaligen und dem amtierenden Präsidenten hatte der Minister kaum eine andere Wahl. Fraglich ist deshalb auch, ob es überhaupt zu einer Strafverfolgung kommen wird. Im Fall von Donald Trump wäre dies zweitrangig. Er schlägt sich mit genügend anderen juristischen Problemen herum.
Anders sieht es auf der politischen Ebene aus. Die Republikaner, die eine knappe Mehrheit im Repräsentantenhaus haben, wollen diverse Ermittlungen gegen Joe Biden und seine Regierung in Angriff nehmen. Das betrifft auch die Geheimunterlagen. Man werde eine «Schadensbeurteilung» durchführen, sagte der Abgeordnete Mike Turner aus Ohio.
Für Empörung bei den Republikanern sorgt nicht zuletzt, dass die Dokumente im Washingtoner Thinktank knapp eine Woche vor den Kongresswahlen gefunden wurden, bei denen Biden und die Demokraten weit besser abschnitten als erwartet. Einige Republikaner vermuten, der Fund sei aus diesem Grund absichtlich vertuscht worden.
Nicht nur deswegen ist die Angelegenheit für den Präsidenten unangenehm. Ohne die Affäre hätte er wohl schon erklärt, ob er 2024 erneut antreten wird. Nun müssen die Demokraten weiter auf «Rauchzeichen» aus dem Weissen Haus warten. Donald Trump wiederum hat seine erneute Bewerbung für das Präsidentenamt bereits deponiert.