Europäische Regierungen hoffen zehn Jahre nach dem Höhepunkt der syrischen Flüchtlingswelle von 2015 auf die Rückkehr vieler Migranten in ihre Heimat, doch das Gegenteil könnte geschehen: Gewalt und Armut könnten wieder Hunderttausende aus dem Land treiben. Experten zufolge sollte die EU finanziell und politisch mehr tun, um Syrien nach dem Ende der Herrschaft von Diktator Baschar al-Assad zu stabilisieren und einen neuen Exodus zu verhindern.
Wie schnell die Rückkehr in eine neue Fluchtbewegung umschlagen kann, zeigte sich im Frühjahr an der syrischen Mittelmeerküste. Als bewaffnete Kämpfer – einige von ihnen aus regierungsnahen Milizen – in das Siedlungsgebiet der syrischen Alawiten eindrangen und mehr als Tausend Menschen töteten. Daraufhin flohen innert kurzer Zeit mehr als 20'000 Menschen in den benachbarten Libanon. Seit Assads Sturz im Dezember sind 174'000 Syrer aus dem Libanon nach Syrien heimgekehrt. In derselben Zeit wanderten aber auch 106'000 Syrer in den Libanon ab.
Dass so viele Syrer die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Heimat wieder aufgeben, ist ein Alarmzeichen für Europa. Ohne grundlegende Verbesserungen in Syrien werde Europa es schwer haben, Syrer davon zu überzeugen, sich von der relativen Sicherheit der EU zu verabschieden und sich auf den Heimweg zu machen, sagt die Migrationsexpertin Kelly Petillo von der europäischen Denkfabrik ECFR. Ohne Stabilisierung des neuen Staates könnte sogar eine neue Fluchtwelle beginnen, sagt Petillo zu CH Media.
Seit Dezember sind rund 750'000 Syrer aus dem Ausland heimgekehrt, wie unter anderem Zahlen der türkischen Regierung zeigen. Allein aus der Türkei gingen rund 410'000 Syrer nach Hause. Seit Ende des Schuljahres im Juni verstärkt sich dort der Rückkehr-Trend. Der Westen und arabische Staaten haben ihre Sanktionen aus der Assad-Zeit aufgehoben, es gibt erste Milliardeninvestitionen.
Doch gemessen an den Verwüstungen des Krieges sind diese Erfolge nur Tropfen auf den heissen Stein. Von den rund 6 Millionen Syrern, die vor Assad ins Ausland flohen, leben die allermeisten noch in ihren Gastländern. Wohnraum, Jobs und Schulen sind rar im neuen Syrien. Rückkehrer hausen in Zelten oder in zerbombten Häusern. Strassen- und Stromnetze sind zerstört, eine Dürre führte in diesem Jahr zur schlimmsten Missernte seit Jahrzehnten. Der Wiederaufbau werde lange dauern, sagt Migrationsexpertin Petillo.
Hinzu kommt, dass die islamistische Übergangsregierung von Präsident Ahmed al-Scharaa den Eindruck vermittelt, sie habe die Extremisten in ihren Reihen nicht unter Kontrolle oder stärke ihnen sogar den Rücken. Gewalt an Minderheiten, Vorschriften wie die Pflicht für Ganzkörper-Badeanzüge für Frauen – sogenannte Burkinis – an öffentlichen Stränden und Berichte über Musikverbote bei Hochzeiten schüren die Furcht, Scharaa wolle eine sunnitische Zwangsherrschaft errichten.
Noch gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich ähnlich viele Syrer wie im Jahr 2015 auf den Weg nach Europa machen. Auf den griechischen Ägäis-Inseln, die 2015 die Rekordzahl von 857'000 Bootsflüchtlingen innerhalb eines Jahres registrierten, zählte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR in diesem Jahr bisher 24'000 Neuankömmlinge, darunter nicht einmal 500 Syrer.
Doch die Zahlen könnten bald wieder steigen. Wenn das neue Syrien keinen Ausweg aus Gewalt, Arbeitslosigkeit und Armut biete, sei eine neue Fluchtwelle absehbar, sagt Petillo. Wie 2015 würden viele Syrer nicht in Nachbarländern bleiben, «weil die Lebensbedingungen dort schwierig sind und die Regierungen dieser Länder den syrischen Flüchtlingen viele Steine in den Weg legen». Das Ziel wäre wieder Europa.
Schon aus eigenem Interesse sollte die EU deshalb mehr in Syrien investieren, nicht nur finanziell, meint die Expertin. So könnte Europa mässigend auf die Türkei und auf Israel einwirken. Die Türkei hält Teile von Nordsyrien besetzt, und Israel fliegt seit Dezember immer wieder Luftangriffe in Syrien, auch auf die Hauptstadt Damaskus. Zudem sollte Europa politischen Druck auf Scharaas Übergangsregierung ausüben, um den Schutz von Minderheiten durchzusetzen, sagt Petillo.
Vor allem aber erfordere Syrien ein kontinuierliches Engagement der EU. «Es reicht nicht, die Sanktionen aufzuheben und die Syrer dann ihrem Schicksal zu überlassen», sagt Petillo. «Wenn die Europäer nicht dabei helfen, die Voraussetzungen für eine Rückkehr und die Lebensbedingungen auf Dauer zu verbessern, dann könnten die Syrer ihr Land wieder verlassen.» (aargauerzeitung.ch)
Hierbei sind wohl nur die ersten in Syrien einigermaßen sicher, aber auch nur dann, wenn sie islamistisch-religiös und nicht säkular sind. Seit die 'Demokratische Opposition' an der Macht ist, entwickelt sich Syrien zum Islamischen Emirat, welches keine Abweichler duldet.
Aber Hauptsache Assad ist weg, nicht wahr.