Nach der Beschädigung des Stromkabels Estlink 2 in der Ostsee nimmt eine weitere finnische Behörde den verdächtigen Öltanker «Eagle S» genauer unter die Lupe.
Nachdem die Kriminalpolizei des nordischen Landes bereits seit längerem unter anderem an Bord ermittelt, wollte die Verkehrs- und Kommunikationsbehörde Traficom noch am Donnerstag eine detaillierte Inspektion auf dem Schiff einleiten. Bei der sogenannten Hafenstaatkontrolle wird die Einhaltung internationaler Vorschriften und Standards etwa für Sicherheit und Arbeitsbedingungen überprüft.
Es handle sich um einen Routinevorgang, der mehrere Tage dauern könne, teilte Traficom mit. Im Anschluss werde man über die Ergebnisse der Inspektion informieren. Im Zweifel könne das Schiff so lange festgehalten werden, bis etwaige Mängel behoben worden sind.
Das zwischen Finnland und Estland verlaufende unterseeische Stromkabel Estlink 2 war am ersten Weihnachtsfeiertag beschädigt worden. Auch an mehreren Kommunikationskabeln wurden Schäden festgestellt.
Daraufhin setzten die finnischen Behörden den Öltanker «Eagle S» fest, der unter der Flagge der Cookinseln fährt, Estlink 2 zum entsprechenden Zeitpunkt passiert hatte und nach Einschätzung der EU zur russischen Schattenflotte gehört. Gemeint sind damit Tanker und andere Frachtschiffe, die Russland benutzt, um Sanktionen infolge seines Einmarsches in die Ukraine zu umgehen, etwa beim Öltransport.
Die finnische Kriminalpolizei ermittelt wegen möglicher schwerer Sabotage. Die Ermittler hegen den Verdacht, dass die Besatzung der «Eagle S» die Schäden vorsätzlich verursacht hat, indem der Schiffsanker am Meeresgrund hinter dem Tanker hergezogen wurde.
Im Zuge der Ermittlungen wurde eine kilometerlange Schleifspur am Meeresboden entdeckt. Unterwasseraufnahmen zeigten zudem Beschädigungen des Schiffsrumpfs, die nach Polizeiangaben durch die Ankerkette entstanden sind.
Die Ermittlungen der Polizei unter anderem an Bord des Schiffes dauern weiter an. Gegen sieben Besatzungsmitglieder wurde ein Reiseverbot ausgesprochen.
Der Ausfall des Unterseekabels Estlink 2 hat nach Angaben der litauischen Regierung keinen Einfluss auf die geplante Synchronisation des Stromnetzes der baltischen Staaten mit Westeuropa.
Auch mögliche weitere Beschädigungen von anderen Stromleitungen in der Ostsee stellten keine Bedrohung für die im Februar vorgesehene infrastrukturelle Abkopplung vom russischen Stromnetz und Anbindung an Westeuropa dar, sagte Energieminister Zygimantas Vaiciunas im litauischen Radio. Die Störungen könnten aber «indirekte Auswirkungen» haben, da sie die Reservekapazitäten vor Herausforderungen stellen würden.
Litauen, Estland und Lettland wollen ihre Stromnetze im Februar mit dem übrigen Kontinentaleuropa synchronisieren. Die drei EU- und Nato-Länder haben vor dem Hintergrund des russischen Angriffs auf die Ukraine ihre Stromimporte aus Russland eingestellt. Doch sind sie aus historischen Gründen noch Teil eines gemeinsamen, synchron geschalteten Stromnetzes mit Russland und Belarus - des noch aus Sowjetzeiten stammenden sogenannten BRELL-Ringsystems. Damit hängen die Baltenstaaten quasi mit am Netz der beiden Nachbarländer im Osten - dies gilt in Tallinn, Riga und Vilnius als Sicherheitsrisiko.
Es kam in den vergangenen Monaten zuvor mehrfach zu Ausfällen und Störungen von Stromkabeln, Gaspipelines und Telekommunikationsverbindungen. Die Reparatur der 170 Kilometer langen Verbindungsleitung könnte nach ersten Schätzungen der Netzbetreiber mehrere Monate dauern. (sda/dpa)