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Macron winkt Milliarden für «Gelbwesten» durch

Macron winkt Milliarden für «Gelbwesten» durch

19.12.2018, 17:4420.12.2018, 07:04
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epa07237461 French President Emmanuel Macron attends a joint news conference with President of Burkina Faso Roch Marc Christian Kabore, at the Elysee Palace in Paris, France, 17 December 2018. EPA/BEN ...
Bild: EPA/REUTERS POOL

Die französische Regierung hat im Eiltempo den Weg für die von Präsident Emmanuel Macron in der «Gelbwesten»-Krise versprochenen Sozialmassnahmen freigemacht. Noch vor Weihnachten soll der Gesetzesentwurf durchs Parlament gepeitscht werden.

«Der Gesetzestext wurde in einer Rekordzeit vorbereitet», sagte Regierungssprecher Benjamin Griveaux am Mittwoch in Paris. Über das milliardenschwere Paket solle schon am Donnerstag in der Nationalversammlung beraten werden.

Teure Massnahmen

Das Kabinett war am Mittwochvormittag unter Vorsitz von Macron zusammengekommen. Macron hatte in der vergangenen Woche einen «wirtschaftlichen und sozialen Notstand» ausgerufen und die sozialen Sofortmassnahmen in einer Rede an die Nation angekündigt, um die «Gelbwesten» zu besänftigen.

«l’acte 4»: Massenproteste der «Gelbwesten» in Paris

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«L’acte 4»: Massenproteste der «Gelbwesten» in Paris
Ein Tränengaseinsatz der Polizei nahe der Champs-Elysées.
quelle: epa/epa / christophe petit tesson
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Die Finanzierung der Massnahmen reisst ein riesiges Loch in den französischen Staatshaushalt. Am vergangenen Wochenende hatten die Proteste im Land weniger Zulauf – zuvor hatte die Regierung allerdings mit Blick auf den Terroranschlag in Strassburg dazu aufgerufen, nicht zu demonstrieren.

Die jetzt im Kabinett beschlossenen Massnahmen beinhalten, dass von Januar 2019 an auf Überstunden weder Sozialabgaben noch Steuern gezahlt werden müssen. Arbeitgeber können bis März kommenden Jahres eine Prämie von 1000 Euro an Beschäftigte und Beamte zahlen, die bis zu 3600 Euro im Monat verdienen – darauf fallen ebenfalls keine Abgaben an.

Die Forderungen der «Gelbwesten»

Video: srf/SDA SRF

Das betrifft Griveaux zufolge vier bis fünf Millionen Arbeitnehmer. Ausserdem sind rund 70 Prozent der Rentner von der Erhöhung einer umstrittenen Sozialabgabe ausgenommen. Beschäftigte auf Mindestlohnniveau sollen pro Monat 100 Euro mehr bekommen.

Geplant ist ausserdem eine «nationale Debatte», die sich bis zum 1. März um die Themen Steuern, ökologischer Übergang, Demokratie und Migration sowie Staatsorganisation drehen soll. Diese Bürger-Debatte soll unter der Schirmherrschaft der Bürgermeister stattfinden. Bis spätestens Anfang April sollen konkrete Entscheidungen folgen.

Im Zuge der «Gelbwesten»-Proteste war eine neue Debatte über die umstrittene Vermögenssteuer entflammt. Es wurde spekuliert, ob ihre Abschaffung nicht wieder gekippt werden könnte. Die Vermögenssteuer war mit dem Haushaltsgesetz für 2018 weitgehend abgeschafft worden. Diese Regelung hatte Macron auch den Ruf eingebracht, ein «Präsident der Reichen» zu sein. Eine Wiedereinführung hatte er ausgeschlossen.

Frust bei der Polizei

Neben der Wut der «Gelbwesten» muss sich die französische Regierung nun auch dem Ärger der Polizei stellen, die seit Wochen im Dauereinsatz bei den «Gelbwesten»-Protesten ist. Innenminister Christophe Castaner hatte sich am Dienstagabend mit Vertretern der Polizeigewerkschaften getroffen. Sie fordern unter anderem mehr Geld und drohen mit Streik.

Der Staatssekretär im Innenministerium, Laurent Nuñez, kündigte am Mittwochmorgen an, dass ein Zeitplan entwickelt werde, um nicht bezahlte Überstunden bei der Polizei zu bezahlen. In den vergangenen Jahrzehnten seien Überstunden in Höhe von 274 Millionen Euro aufgebaut worden.

Bereits am Dienstag hatte die Regierung angekündigt, eine Sonderprämie von 300 Euro für bei den «Gelbwesten»-Protesten eingesetzte Sicherheitskräfte zu zahlen. Davon profitieren 111'000 Polizisten und Soldaten. Die dafür nötigen 33 Millionen Euro seien bereits im Budgetplan für 2019 enthalten, sagte Regierungssprecher Griveaux.

Für die Finanzierung der sozialen Massnahmen muss Frankreich Milliarden auftreiben. Eigentlich hatten die Franzosen Europa versprochen, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent dauerhaft einzuhalten. Für 2019 dürfte das Defizit nun allerdings bei 3.2 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen, hatte Premierminister Édouard Philippe Anfang der Woche angekündigt. (aeg/sda/dpa)

Camille Kündig aus Paris

Video: watson/Camille Kündig
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9 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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FrancoL
19.12.2018 21:18registriert November 2015
Die Massnahmen wurden schön beschrieben, die Kosten auch und wann folgt dann die Darstellung der Finanzierung, ausser dass man die Verschuldung anhebt? Das sind alles Pläne die übermorgen (wenn nicht schon morgen) nicht mehr finanzierbar sind und neue Proteste sind somit vorprogrammiert.
Es müssen Reformen her und nicht Schnellschüsse und für Reformen müssen ALLE an den Tisch und bereit sein Einbussen in Kauf zu nehmen.
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