Sarkozy in Haft: Jetzt muss auch Le Pen zittern
Frankreich muss sich zuerst noch an die Idee gewöhnen: Ein ehemaliger Staatschef, einer dieser allmächtigen Wahlmonarchen und Landesväter der Fünften Republik, wird in wenigen Tagen hinter Schloss und Riegel kommen. Fünf Jahre soll Nicolas Sarkozy (70) nach seiner Verurteilung in der «Libyen-Connection» im Pariser Stadtgefängnis Santé absitzen.
Vielen Franzosen ist erst am Freitag aufgegangen, was das bedeutet. Wird der Ex-Präsident von 2007 bis 2012 in Haft eine Sonderbehandlung erhalten oder muss er die Zelle und den Gefängnishof mit gemeinen Mördern und Vergewaltigern teilen? Wird der langjährige Strippenzieher der bürgerlichen Rechten über ein Handy verfügen? Solche Fragen stellte das Publikum am Freitag in den Talkshows der Pariser Livesender, ohne genaue Antworten zu erhalten.
Die Linke lässt es sich nicht nehmen, maliziös an Sarkozys frühere Rufe nach einer Verschärfung des Strafrechts für Banlieue-Kriminelle zu erinnern. Die konservativen, von Sarkozy 2015 gegründeten Républicains schimpfen dagegen über ein «Urteil ohne Beweise».
Die Rechtspopulistin Marine Le Pen übt heftige Kritik an der sofortigen Inhaftierung Sarkozys infolge der «exécution provisoire». Dieser relativ neue Justizmechanismus annulliert sogar die aufschiebende Wirkung eines Berufungsprozesses. Le Pen ist aber selber wegen Veruntreuung von EU-Parlamentssalären verurteilt; ihr droht der Verlust der Wählbarkeit, wenn die «exécution provisoire» auch bei ihr angewendet wird. Immer klarer zeichnet sich ab, dass die Rechtsnationale damit nicht an den Präsidentschaftswahlen 2027 antreten könnte, wo sie als Favoritin gilt.
Die Infragestellung ihrer zwei Hauptfiguren Sarkozy und Le Pen zwingt die gesamte französische Rechte zu einem Neustart. Das beinhalte sogar die Möglichkeit einer «Union der Rechten», schätzte am Freitag das Onlinemagazin Mediapart, das Sarkozys Libyen-Affäre enthüllt hatte.
Sarkozy lehnte eine solche Union zwischen Republikanern und Rechtspopulisten – in Deutschland entspräche dies in etwa einer Annäherung von CDU und AfD – bisher kategorisch ab. Mit Le Pens aufstrebendem Ersatzmann Jordan Bardella verstand er sich hingegen kürzlich sehr gut.
Der Abgang Sarkozys könnte deshalb die ohnehin bröckelnde Brandmauer in Frankreich mittelfristig noch ganz zum Einsturz bringen. Zumindest, wenn auch Le Pen ausfallen sollte. (aargauerzeitung.ch)