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Migration: Übersicht zur Lage am Ärmelkanal – Lage spitzt sich zu

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Ein Mädchen im Flüchtlingscamp «Dschungel» im Hafen von Calais. (Archivbild)Bild: EPA/EPA

Immer mehr Flüchtlinge: Die Lage am Ärmelkanal spitzt sich zu – 5 Fragen und Antworten

Zwischen London und Paris bricht neuer Streit auf: Immer mehr Migranten versuchen, den Ärmelkanal zu überqueren. Mehrere haben diese Woche ihr Leben gelassen. Wir beantworten die fünf wichtigsten Fragen.
05.11.2021, 18:2706.11.2021, 17:56
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Wie ist die Lage in Calais?

Den französischen Polizisten bot sich am Donnerstagmorgen ein desolates Bild, als sie in Wissant nahe Calais ein mit Wasser gefülltes Schlauchboot entdeckten. Daneben sassen zwei völlig unterkühlte Männer im nassen Sand. Neben ihnen ein Dritter – tot.

Die französische Marine, Küstenwache und Seenotrettung hatten in der Nacht zuvor mit Helikoptern und Schiffen fast 300 Migranten in Lebensgefahr aufgegriffen. Sie hatten trotz tückischer Strömungen versucht, in behelfsmässigen Booten die mindestens 28 Kilometer breite Meerenge zu überqueren. Oft kentern oder sinken die Gummiboote. Das hat diese Woche zu einem zweiten Todesfall geführt. Ein dritter Migrant gilt als verschollen. Ein Eritreer wurde am Donnerstag ausserhalb von Calais von einem Regionalzug erfasst und getötet.

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Gestrandet in Calais: Migranten warten auf Überquerungsmöglichkeit nach England.Bild: keystone

Im Hinterland von Calais warten derzeit mehrere Tausend Migranten auf die nächtliche Kanalüberquerung. 2016 hatte die französische Polizei ein wildes Lager mit nahezu 10'000 Migranten, den so genannten «Dschungel», geräumt. Jetzt steigen die Zahlen wieder stark an. Seit Jahresbeginn haben laut französischen Quellen 20'000 Migranten die britische Kanalküste erreicht.

Warum spitzt sich die Situation jetzt derart zu?

Die neue Situation in Calais erklärt sich mit den zunehmenden Spannungen in Afrika und dem Mittleren Osten, aber auch dem Brexit: Die britische Regierung strafft seither die Kontrollen auf den Kanalfähren und im Zug durch den Eurotunnel.

Die gefährliche Überfahrt in den kleinen Booten bleibt die einzige Möglichkeit, um ins vermeintlich gelobte England zu gelangen, wo die Migranten Arbeit oder Bekannte zu finden hoffen und die Sprache beherrschen. Die Schlepperbanden vermitteln den Migranten aber – gegen vierstellige Beträge – meist nur überfüllte, pannenanfällige Boote.

Wer ist schuld an der Eskalation?

Briten und Franzosen schieben sich die Schuld an der dramatischen Lage gegenseitig zu. London wirft Paris vor, es missachte das bilaterale, noch vor dem Brexit geschlossene Abkommen von Le Touquet, laut dem die Franzosen die Überfahrt von Migranten schon an der Küste verhindern sollen; London liefert dafür kilometerlange Metallgitter und beteiligt sich finanziell an der Küstenüberwachung. Der französische Innenminister Gérald Darmanin wirft den Briten dagegen seit Wochen vor, sie kämen ihren Verpflichtungen nicht nach.

Die Flüchtlinge von Calais

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Die Flüchtlinge von Calais
In Calais sind hunderte Flüchtlinge gestrandet. Sie versuchen immer wieder, nach England zu gelangen.
quelle: x00234 / pascal rossignol
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Der britisch-französische Migrationskonflikt geht noch tiefer als der jüngste, ungelöste Fischereistreit im westlichen Teil des Ärmelkanals. Die britische Regierung hegt den Verdacht, die Franzosen liessen bewusst möglichst viele Migranten über den Kanal, um sich für den Brexit zu rächen und dessen angeblich negative Konsequenzen aufzuzeigen.

Das Londoner Newsportal Politico zitierte dieser Tage aus einem Brief des französischen Premiers Jean Castex, der die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufforderte, «zu zeigen, dass es schädlicher ist, die EU zu verlassen, als darin zu bleiben».

Der französische Abgeordnete Pierre-Henri Dumont hält auf der BBC dagegen:

«Wir müssen Tag und Nacht 300 bis 400 Kilometer Küste überwachen und können nicht alle 100 Meter einen Gendarmen hinstellen.»

Spielt die Rivalität Johnson-Macron mit?

Die beiden Hauptprotagonisten stehen unter massivem Druck – Boris Johnson, weil der Migrationsdruck am Kanal trotz verschärftem Einwanderungsrecht noch zugenommen hat; und Emmanuel Macron, weil er vor den anstehenden Präsidentschaftswahlen auch innenpolitisch attackiert wird, er unternehme nichts gegen die Migranten in Calais und für die Fischer in der Normandie. Der Rechtsaussen und unerklärte Präsidentschaftskandidat Eric Zemmour ätzte:

«England hat die Brexit-Schlacht gewonnen.»

Macron warf Johnson in der «Financial Times» sehr direkt vor, er halte sich nicht an die Verträge und lasse es an Glaubwürdigkeit mangeln. Die Regionalzeitung «L’Est Républicain» kommentierte gar, die Briten seien «unsere besten Feinde», nachdem sie Frankreich schon in der U-Boot-Krise hintergangen hätten.

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Der «Dschungel» von 2016, das Jahr, während dessen das Camp geräumt wurde: In Calais werden die Zeltlager wieder stationär.Bild: EPA/EPA

Der ehemalige Botschafter in Paris, Sir Peter Ricketts, erklärte diese Woche, es sei «bestürzend» zu sehen, wie sehr sich die Beziehungen zwischen Frankreich und dem Königreich verschlechtert hätten.

«Johnson, Macron, stoppt das Feuer! »,

appellierte er an beide Seiten.

Wie geht es weiter?

Um die Migranten abzuhalten und «die Kontrolle über die Grenzen zurückzuerlangen», wie Johnson sagte, haben die Briten wenig Möglichkeiten. Innenministerin Priti Patel prüfte die «Turn back»-Taktik, mit der Migrantenboote durch britische Schiffe abgedrängt werden sollen; doch wie ihr französischer Widerpart Darmanin erklärte, würde dies internationales Seerecht verletzen.

Macron selbst plädiert für eine Revision des europäischen Asylrechts, damit die Migranten schon beim EU-Eintritt geprüft werden können und gar nicht erst nach Calais gelangen. Politisch scheint dies aber ebenso wenig machbar wie das britische «Turn back». So rasch wird sich die Lage am Ärmelkanal nicht entspannen. (bzbasel.ch)

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Gejagte Flüchtlinge in Calais
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Gejagte Flüchtlinge in Calais
Tausende Flüchtlinge wollen über den Ärmelkanal nach Grossbritannien.
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Jetzt schlafen die Flüchtlinge in einem Regenwasserkanal
Video: srf
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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Freethinker
05.11.2021 19:35registriert Februar 2019
Es ist schlimm, was diese Leute auf sich nehmen. Nach wie vor denke ich aber, man muss versuchen das Problem in den Herkunftsstaaten in den Griff bekommen. Europa ist schlicht zu klein um allen eine Unterkunft zu bieten. Und bevor jetzt einer blitzt, es ist schlicht eine unwiderlegbare Tatsache...
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Alter Mann
05.11.2021 23:54registriert September 2020
Es ist eigentlich nicht verständlich. Wenn das Flüchtlinge sind wieso flüchten sie dann aus Frankreich, ein sicheres europäisches Land? Wenn es keine Flüchtlinge sind wieso werden sie dann nicht nach Afrika oder Asien zurückgebracht? Ich verstehe die Briten ausgezeichnet, wieso sollen sie der unfähigen EU auch noch Sozialflüchtlinge abnehmen? Und natürlich hat es die EU versäumt in Entwicklungsländern für bessere Bedingungen zu sorgen. 40 Jahre Unfähigkeit der EU sieht man jetzt.
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Bivio
05.11.2021 23:02registriert März 2018
Das grössere Problem ist Weissrussland. Dort werden Flüchtlinge aus Russland direkt an die Grenze geflogen und die weissrussische Armee reisst die Drahtverhaue zu Polen ein und schickt die Flüchtlinge nach Europa. Lukaschenka versucht einen "Türkei-Deal" von der EU zu erpressen und nimmt dabei den Tod zig hunderter Flüchtlinge in Kauf. Es gibt immer mehr Rapporte von weissrussischen SOldaten, welche sogar auf polnischem Terretorium operieren. Da ist im Moment viel das grössere Problem.
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