Gefeiert für harte Asylpolitik – nun muss Mette Frederiksen eine herbe Pleite einstecken
Ihr Ansehen in Europa ist beachtlich. Die Sozialdemokratin mit dem streng zusammengebundenen Haar und einer klaren politischen Linie geht voran bei der Unterstützung der Ukraine, warnt eindringlich vor dem Kreml – und wehrt sich resolut gegen Donald Trumps Grönland-Ambitionen.
Zuhause hat Mette Frederiksen sich als starke Landesmutter positioniert; Dänemark ist wirtschaftlich bestens aufgestellt, und die 48-Jährige findet mit ihrer harten Einwanderungspolitik auch im Ausland einigen Zuspruch. Gerade hat die britische Regierung eine drastische Asylpolitik-Verschärfung angekündigt – nach dänischem Vorbild. Frederiksen gilt als eine der aktuell wenigen erfolgreichen sozialdemokratischen Regierungschefs.
Jedenfalls bisher. Am Mittwoch, ausgerechnet ihrem Geburtstag, erlebte sie ein Fiasko. Die Resultate der landesweiten Kommunalwahlen brachten ihrer Partei massive Stimmenverluste, Niederlagen in Hochburgen der Genossen – darunter in Kopenhagen, wo sie nun erstmals seit über 100 Jahren nicht mehr regieren. «Blutbad, Katastrophe, totale Demütigung», urteilen Politikexperten, obwohl die Sozialdemokraten mit landesweit 23 Prozent grösste Partei bleiben.
Aber der Verlust der Macht in vielen Gemeinden zeigt, wie der Rückhalt der Partei abnimmt. Dass 2026 nationale Wahlen stattfinden, macht die Lage für Frederiksen noch ungemütlicher. In der Nacht erklärte sie, der Rückgang sei stärker als befürchtet, und «als Parteichefin trage ich die Verantwortung dafür».
Zwar spielen bei Kommunalwahlen lokale Themen eine Rolle, Spitäler, Schulen, Verkehrsinfrastruktur. Aber die Unzufriedenheit mit den Sozialdemokraten sowohl in Städten wie auch auf dem Land ist deutlich, und sie hat laut Umfragen durchaus mit der Regierung zu tun.
Mette Frederiksen hat 2022 ihre Partei zur Mitte gerückt und eine umstrittene grosse Koalition mit zwei bürgerlichen Parteien gebildet. Damit hat sie ihre Macht mit einer soliden Mehrheit zementiert und Reformen durchgeführt – doch die Bevölkerung goutiert das wenig, die Regierung ist unpopulär.
Fokus auf «nicht-westliche» Einwanderer
Gleichzeitig wird ein zentraler Faktor von Frederiksens Erfolg zum Problem: Die Asyl- und Ausländerpolitik. Diese verschärft sie seit Jahren, mit dem Argument, die Gesellschaft vertrage nicht zu viele Einwanderer – sie strebe «null Asylbewerber» an; und der Wohlfahrtsstaat bleibe nur finanzierbar, wenn Migranten voll ins Arbeitsleben integriert seien.
Gemeint sind dabei insbesondere Muslime oder «nicht-westliche» Ausländer, die Frederiksen gerne konkret als Problem beschreibt: «Viel zu viele nicht-westliche Einwanderer und ihre Nachkommen rasen auf den Strassen, überfallen Jugendliche auf Bahnhöfen, planen oder rufen zu Terror auf. Warum könnt ihr euch nicht benehmen?» sagte sie im September auf einem Parteikongress. Ihre Minister haben argumentiert, dass viele Ausländer Dänemark «infiltrieren» und dänische Werte missachten würden.
Mit solcher Rhetorik und Politik, die den Fokus mehr auf Rückschaffung als Integration legt, hat Frederiksen zu den Rechtspopulisten abgewanderte Wähler zurückgeholt. Doch diese schlagen zurück, sprechen neuerdings von Remigration und der Ausschaffung von Sozialhilfebezügern ohne dänischen Pass.
Die Wahlen zeigen nun, dass die Regierungschefin in die Klemme gerät: Die Sozialdemokraten verlieren wieder Wähler nach rechts – und jene im linken Spektrum, etwa in Kopenhagen, goutieren ihren Kurs längst nicht mehr, schliessen sich den Sozialisten und Grünen an. Will Frederiksen weiterhin die Hardlinerin geben, könnten sich zudem ihre bürgerlichen Partner abwenden, die um die Wirtschaft fürchten. Ihrer Koalitionsregierung, sagte der Politikexperte Bert Winther, drohe «ein Todesurteil». (aargauerzeitung.ch)
