Bereits vor seiner Anreise hat Alexander Lukaschenko nicht daran gespart, seinen Gastgeber mit rhetorischen Lobhudeleien zu umgarnen. «Kein einziges Problem auf der Welt» könne mittlerweile noch «ohne China gelöst werden», sagte der weissrussische Machthaber der Nachrichtenagentur Xinhua. Den chinesischen Staatschef Xi Jinping bezeichnete er als «alten Freund», der eine «sehr schlaue, weise, kreative und moderne Person» sei.
Am Mittwochmorgen trafen die beiden schliesslich in der Grossen Halle des Volkes zusammen. Der Zeitpunkt von Lukaschenkos Besuchs hat aus europäischer Sicht eine katastrophale Optik, hatte Chinas Staatsführung doch erst am Freitag einen 12-Punkte-Plan zum Krieg in der Ukraine vorgelegt.
Und nur wenige Tage später rollt die Volksrepublik nun also einem der engsten Verbündeten des Kreml den roten Teppich aus; einem Verbündeten zumal, der den russischen Streitkräften sein Territorium als Aufmarschgebiet für die Invasion bereitstellte.
Insbesondere die USA dürften erneut ihre Warnungen vor Waffenlieferungen aus China bekräftigen: Der Verdacht steht im Raum, dass Peking Weissrussland als Mittelsmann nützen könne, um Russland quasi über Bande aufzurüsten.
Doch Lukaschenko kommt keineswegs als Gesandter Putins, wie vielfach in der internationalen Presse geschrieben wurde. Die Beziehungen zwischen Minsk und Moskau sind durchaus komplizierter als gemeinhin angenommen. Denn mit steigender Angst, dass sich Russland den kleineren Nachbarn im Westen einverleiben könnte, dürfte Lukaschenko in der Dreiecksbeziehung mit China eine Art ausgleichende Macht sehen, um die überbordende Abhängigkeit von Russland zu verringern. Anders ausgedrückt: Sein Peking-Besuch dürfte im Kreml durchaus mit Argusaugen beobachtet werden.
Der Ukrainekrieg dürfte hinter den Kulissen en détail debattiert werden. Doch wird es China weniger um Lukaschenkos Unterstützung für seine «Friedensinitiative» gehen, schliesslich handelt es sich dabei vor allem um eine vage PR-Aktion ohne konkrete Folgemassnahmen. Sehr wohl allerdings dürfte Xi Jinping den weissrussischen Gast nach seinen Einblicken über den aktuellen Kriegsverlauf ausfragen.
Lukaschenko hingegen erhofft von seinem Staatsbesuch allen voran wirtschaftliche Zusammenarbeit und Investitionen aus China. Das Reich der Mitte hat seit den EU-Sanktionen gegen Weissrussland massiv an Bedeutung gewonnen. Der gemeinsame Handel ist im Vorjahr um stolze 33 Prozent gestiegen.
Lukaschenko gibt sich in allen politischen Kernanliegen der Chinesen loyal: Man schätze die Unterstützung bezüglich «Taiwan, Xinjiang, Hongkong und der Menschenrechte», heisst es von chinesischer Seite.
Wie massiv sich die geopolitische Landschaft verändert hat, ist offensichtlich: Lukaschenkos Besuch vom Mittwoch reiht sich ein in eine illustre Liste an Autokraten, denen Peking in diesem noch jungen Jahr bereits den roten Teppich ausgerollt hat. Zuvor waren bereits der iranische Präsident Ebrahim Raisi zu Gast, der kambodschanische Ministerpräsident Hun Sen sowie der turkmenische Präsident Serdar Berdimuhamedow.
All dies zeigt nicht nur, wie pragmatisch und von Werten befreit die Aussenpolitik der Chinesen ist, sondern ist auch eine aktive Botschaft an den Westen: Die Volksrepublik baut seinen Einfluss in jenen Weltregionen aus, die von Europa und den USA oft stiefmütterlich behandelt werden.
Doch Chinas lange Liste an diktatorischen Freunden legt vor allem offen, mit wem Xi Jinping dieser Tage nicht gewillt ist zu sprechen: Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat mehrfach und höchst offensiv um einen Gesprächstermin bei dem chinesischen Staatschef gebeten, doch wurde er bislang stets abgewiesen. (aargauerzeitung.ch)
Ist das nicht ein bemerkenswerter Seitenhieb gegen Putin, welchem seine schwindende Bedeutung in der Region kundgetan wird?