Der Krimi um die Krise in Griechenland geht weiter: Die Euro-Finanzminister wollen ab 11 Uhr weiter beraten. Der Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs aller EU-Länder wurde dagegen abgesagt.
Stattdessen werde es am Nachmittag nur ein ohnehin geplantes Gipfeltreffen der 19 Staats- und Regierungschefs der Euroländer geben, teilte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Sonntagmorgen auf Twitter ohne nähere Erläuterungen mit.
I have cancelled #EUCO today. #EuroSummit to start at 16h and last until we conclude talks on #Greece
— Donald Tusk (@eucopresident) 12. Juli 2015
Ein schwerer Streit in der Eurogruppe über die Rettung des vor der Staatspleite stehenden Krisenlandes Griechenland hatte am Samstag eine Einigung verhindert. Die Euro-Finanzminister hatten rund neun Stunden gestritten.
Sie gaben keine offizielle Stellungnahme zu ihrem mehrstündigen Treffen ab. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte kurz nach der Sitzung beim Verlassen des Gebäudes. «Es ist immer noch sehr schwierig, aber die Arbeit dauert an.»
Die Sitzung wurde am Sonntag fortgesetzt. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die Verhandlungen über ein drittes Hilfspaket aufgenommen werden sollen.
EU-Vizekommissionschef Valdis Dombrovskis äusserte sich im Vorfeld skeptisch: «Wir hoffen auf weitere Fortschritte heute», sagte er vor Beginn der Gespräche. Er denke, dass es ziemlich unwahrscheinlich sei, dass die EU-Kommission heute ein Mandat bekommen werde, formale Verhandlungen über ein weiteres Hilfspaket zu beginnen.
Auch der slowakische Finanzminister Peter Kazimir gab sich pessimistisch: «Es ist nicht möglich, heute eine Einigung zu finden.» Maximal sei eine Empfehlung der Eurogruppe an den Euro-Gipfel möglich. Die Vertrauensbrücke sei noch nicht da. Daher könne es keinen Deal geben.
Sein finnischer Amtskollege Alexander Stubb meinte, auf einer Skala von 1 bis 10 befinde man sich bei den Verhandlungen mit Griechenland erst zwischen 3 und 4. Finnland hatte tags zuvor mit der Erwägung der Möglichkeit eines Grexit für Unruhe gesorgt.
Der italienische Ressortchef Pier Carlo Padoan bezeichnete das fehlende Vertrauen in die griechische Regierung als Hauptproblem bei den Verhandlungen mit der Eurogruppe. Es gehe nun darum, die Bedingungen für einen Verhandlungsstart zum dritten Hilfspaket zu erreichen. «Das ist ein realistisches Ziel.»
Etwas konzilianter gab sich der luxemburgische Ressortchef Pierre Gramegna. Man solle keine Option im Voraus wegschieben. «Wir sind hier, um Kompromisse zu finden. Das eine Ziel der Eurogruppe ist es, die Arbeit der Regierungschefs vorzubereiten.»
Der Luxemburger verwies dabei auf die wirtschaftliche Lage Griechenlands, die sich mit jedem Tag verschlechtert. Man werde sehen, wie weit die griechische Regierung gehe, um einen Kompromiss zustande zu bringen, meinte er. Fragen nach einem Grexit wollte er nicht kommentieren.
Österreichs Ressortchef Hans Jörg Schelling wollte zwar seine Einschätzung vom Vortag, wonach die Chancen auf eine Einigung 60:40 ausmachen, nicht ändern. Allerdings meinte er, die Deadline könnte nun der 20. Juli sein. Bis dahin muss Griechenland mehrere Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen.
In Deutschland ist derweil ein Papier aus dem Finanzministerium aufgetaucht, welches eine «Auszeit» Griechenlands aus dem Euro während mindestens fünf Jahren als Möglichkeit skizziert. Die Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS) zitierte aus dem des Finanzministers Wolfgang Schäuble.
Demnach bleiben nach Schäubles Ansicht zwei Wege für Griechenland: Die Regierung soll ihre Vorschläge entweder rasch und umfassend mit voller Unterstützung des Parlaments verbessern. Zudem solle das Land Vermögenswerte in Höhe von 50 Milliarden Euro an einen Treuhandfonds übertragen, der sie verkaufe und damit Schulden abtrage.
Als zweiter Weg wurden Verhandlungen mit Athen über eine «Auszeit» genannt. Das Land solle nach dieser Variante die Eurozone für mindestens fünf Jahre verlassen und seine Schulden restrukturieren. Es bleibe EU-Mitglied und erhalte weiter «wachstumsstärkende, humanitäre und technische Unterstützung».
Das deutsche Finanzministerium wollte sich nicht zum Bericht äussern. Vizekanzler Sigmar Gabriel bestätigte aber den Vorschlag indirekt: Der Vorschlag von CDU-Mann Schäuble «für ein zeitlich befristetes Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone» sei seiner Partei, der SPD, «natürlich bekannt», sagte er der Nachrichtenagentur DPA.
In der schwierigen Situation müsse jeder denkbare Vorschlag unvoreingenommen geprüft werden, sagte Gabriel weiter. Es sei aber nach wie vor das Ziel der deutschen Regierung, Griechenland in der Eurozone zu halten, wenn die dafür notwendigen Bedingungen geschaffen werden könnten. (pbl/sda/reu/apa/dpa)