Kurz vor dem EU-Gipfel haben Experten der EU und Grossbritanniens am Mittwoch die wichtigsten Brexit-Fragen geklärt. Darunter war auch die lange sehr umstrittene Zollregelung für Irland.
Das berichtete Unterhändler Michel Barnier nach Angaben von Diplomaten am Mittwochabend in einem EU-Treffen. Eine Gesamteinigung stand aber noch aus, weil einige komplexe Details offen waren.
Ziel ist ein Vertragsentwurf, den der Gipfel an diesem Donnerstag oder Freitag billigen könnte. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron äusserten sich zuversichtlich. «Die Nachrichten aus Brüssel könnten schlechter sein», sagte Merkel.
Allerdings lag nach Angaben eines EU-Diplomaten am Mittwochabend noch kein Vertragstext vor. Auf EU-Seite herrschte Sorge, dass die Zeit vor Beginn des Gipfels am Donnerstagnachmittag zu knapp werden könnte.
EU-Ratschef Donald Tusk sagte im polnischen Fernsehen: «Gestern Abend hätte ich darauf gewettet, dass der Deal fertig ist und akzeptiert wird. Heute sind wieder einige Zweifel von der britischen Seite aufgekommen.» Die Situation im britischen Parlament sei kompliziert. Aber auch Tusk gab sich optimistisch, dass innert weniger Stunden eine Klärung möglich sei. «Alles läuft in die richtige Richtung», sagte er.
Einig waren sich beide Seiten nach Barniers Angaben bei den Fragen, die lange als die grössten Hürden galten: die Vermeidung einer Zollgrenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland; die Mitspracherechte der nordirischen Volksvertretung und britische Zusagen, EU-Umwelt- und Sozialstandards nicht zu unterbieten. Nicht geklärt war die Zusammenarbeit bei Umsatz- beziehungsweise Mehrwertsteuer.
Der britische Premierminister Boris Johnson teilte am späten Nachmittag seinem Kabinett mit, es gebe die Chance, einen «guten Deal» sicherzustellen. Doch seien einige Punkte noch nicht geklärt. Die Kabinettssitzung wurde daher vorzeitig abgebrochen. Nach Angaben aus diplomatischen Kreisen in Brüssel hatte Johnson bis Mittwochabend die Einigung der Unterhändler noch nicht politisch abgesegnet.
Johnson will einen Deal bei dem am Donnerstag beginnenden Gipfel, um den Brexit wie geplant am 31. Oktober geregelt und ohne Chaos zu vollziehen. Ohne Einigung müsste der Premier nach einem britischen Gesetz ab Samstag eine Fristverlängerung bei der EU beantragen.
Das will Johnson nicht. Dennoch würde er sich im Fall der Fälle der Vorgabe beugen, wie Brexit-Minister Stephen Barclay bekräftigte. Das Unterhaus könnte bei einer Sondersitzung am Samstag über eine Vereinbarung abstimmen.
Im Kern ging es um die Frage, wie die Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland offen gehalten werden kann. Johnson hatte dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar dazu vorige Woche neue Angebote gemacht und so Bewegung in den festgefahrenen Streit gebracht.
In den vergangenen Tagen legte die britische Seite nach EU-Angaben noch einmal nach. Varadkar äusserte sich am Mittwoch nach Telefonaten mit Johnson und der EU-Kommission optimistisch.
Johnsons Zugeständnisse an die EU könnten aber die nötige Unterstützung im britischen Parlament aufs Spiel setzen. Der Premier hat keine Mehrheit im Unterhaus und ist auf jede Stimme angewiesen. Knackpunkt könnte sein, dass künftig wohl doch eine Zollgrenze zwischen der EU und Grossbritannien in der Irischen See verlaufen soll.
Ein solcher Vorschlag war schon einmal in London auf heftigen Widerstand gestossen. Die Chefin der nordirischen Protestantenpartei DUP, Arlene Foster, hatte ihn als «blutrote Linie» bezeichnet.
Wenig überraschend lehnt die DUP lehnt Teile der zwischen London und Brüssel aushandelten Brexit-Vorschläge ab. Das geht aus einer Mitteilung der Partei vom Donnerstag hervor.
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— DUP (@duponline) October 17, 2019
«So wie die Dinge stehen, können wir nicht unterstützen, was zum Zoll und zu Zustimmungsfragen vorgeschlagen worden ist», heisst es. Auch bei der Frage der Mehrwertsteuer gebe es nach wie vor Unklarheiten.
(sda/dpa)