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Brite nach Aufenthalt bei den Taliban: «Wurde wie ein Gast behandelt»

Brite nach Aufenthalt bei den Taliban: «Wurde von den netten Jungs wie ein Gast behandelt»

11.10.2023, 14:1311.10.2023, 17:46
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«Acht Monate in ‹Gewahrsam› der Taliban, das beste Abenteuer, das ich bisher hatte.»

Die Geschichte eines jungen Briten – auf X, ehemals Twitter, nennt er sich «Lord Miles» – ist an Absurdität nicht zu überbieten.

Doch der Reihe nach. Vor zwei Jahren – kurz vor dem Einmarsch der Taliban in Afghanistan – wollte Physikstudent Miles Routledge in seinen Sommerferien offenbar etwas erleben. «Ich habe einfach nach den gefährlichsten Reiseländern gegoogelt», sagte der damals 21-Jährige gegenüber der «Times», kurzerhand reiste er in die afghanische Hauptstadt Kabul, «nur aus Spass», wie auch ein Freund Routledges bestätigte.

Als die Taliban immer weiter nach Kabul vorrückten, war es mit dem Spass vorübergehend vorbei. Routledge bekam es mit der Angst zu tun und kontaktierte mehrfach die britische Botschaft. Nach einem Aufenthalt in einem «Safe House» der UNO reiste er mit einem Evakuierungsflug nach Dubai.

Picknick mit Top-Kommandanten

Und jetzt beginnt der absurde Teil der Story. Zu Beginn dieses Jahres kehrte der Brite nach Afghanistan zurück – und wurde erneut festgenommen. Nach acht Monaten ist er nun gemeinsam mit drei Landsmännern wieder freigelassen worden, wie der «Guardian» berichtete. Wobei «Freigelassen» wohl nicht die richtige Bezeichnung ist. Routledge – zwischenzeitlich war man nicht sicher, ob er noch am Leben ist – fand seinen Aufenthalt bei den Taliban nämlich wunderbar. Auf X schreibt der Student:

«Nach zahlreichen Picknicks bin ich nun mit vielen Top-Kommandanten befreundet. Ich wurde von den netten Jungs wie ein Gast behandelt.»

Routledge fragt die X-Gemeinde, warum sich irgendjemand auch nur im Geringsten Sorgen gemacht habe, man habe kein Vertrauen in ihn.

«Ich habe mir den neuen Barbie-Film mit den Taliban angesehen und einige eurer Kommentare auf ihren Handys gesehen. Wir mussten alle kichern.»

Nächsten Monat werde er nach Kabul zurückkehren, man habe ihm versprochen, dass er ein Immunitätsschreiben erhalten werde.

«Dies bedeutet, dass ich an Kontrollpunkten nicht angehalten und durchsucht werden kann. Zusätzlicher Bonus: Es ist ein Waffenschein.»

Als hätten diese Äusserungen das Mass an Respektlosigkeit gegenüber jeglichen Menschen, die unter dem Taliban-Regime leiden, nicht längst überschritten, denkt der unbekümmerte Brite aus aktuellem Anlass über weitere spannende Reiseziele nach.

«Muss nur noch überlegen, ob ich nach Israel oder Palästina fahren soll (möchte ich natürlich).»

Während Afghanistan am Mittwoch von einem zweiten zerstörerischen Erdbeben innerhalb von vier Tagen heimgesucht worden war und nun tausende Familien vor Trümmern stehen, schwärmt Routledge über seinen Aufenthalt in Afghanistan.

Bereits Mitte Juli – nach vier Monaten in Gewahrsam der Taliban – hat sich im Namen Routledges ein Freund an die X-Gemeinde gewandt.

«Er wird sehr gut behandelt, hat mehrere Diener, jede Menge Filme auf seinem Laptop, macht Picknicks und trinkt Tee mit dem Kabinettschef der Taliban. Er liebt Afghanistan noch immer.»

Miles Routledge und die drei weiteren Briten wurden Anfang Jahr wegen angeblicher Verstösse gegen die Gesetze Afghanistans festgenommen.

Aus Sicht einer britischen Non-Profit-Organisation, die in Konfliktgebieten tätig ist, sieht man den Aufenthalt der vier Männer in Afghanistan nicht ganz so entspannt. Sie kämen nun nach Hause, schreibt die Organisation Presidium Network auf X. «Vielen Dank an alle, die diese Männer in dieser schwierigen Zeit unterstützt haben. Wir sind alle erleichtert.»

Kevin Cornwell, einer der Briten, war für das UNO-Hochkommisariat für Flüchtlinge tätig, als er im Januar festgenommen wurde. Die Taliban beschuldigten ihn, eine illegale Schusswaffe im Safe seines Hotelzimmers aufbewahrt zu haben, schreibt der «Guardian». Gemäss Cornwells Familie hätten die Taliban ihm eine Lizenz für die Waffe erteilt. (rst)

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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bcZcity
11.10.2023 14:32registriert November 2016
Warum sollen die Taliban ihn auch schlecht behandeln. Die wollen doch solche Marionetten um zu zeigen: "Hey, wir sind im Fall ganz cool!".

Er soll doch mal in ein afrikanisches Land wo die Boko Haram Terror verbreitet. Mal schauen ob er dort auch Diener bekommt und mit denen den Barbie Film schauen darf.

Der Norden Nigerias soll wundervoll sein um diese Jahreszeit.

Aber bitte Rettungsaktionen von solchen Terror-/Kriegs Influencern und Katastrophen Touristen einstellen. Die wollen ja dort sein, also sollen sie auch mit den Konsequenzen leben.
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Ril
11.10.2023 15:58registriert Mai 2015
Wie es ihm wohl ergangen wäre, wäre er eine Frau gewesen?
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Leuchtenstadt
11.10.2023 14:33registriert August 2016
Schwer in Worte zu fassen was ich davon halten soll...
Ich denke ich lasse es lieber, das war genug "news" für heute
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