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Kiffen, Koksen, Klimakrise: Warum Drogenkonsum ökologischer Terror ist

A bag of white powder taking out of pocket. Addiction and illegal trade concep. A woman's hand.
Beim Drogenkonsum denken wohl die wenigsten über die Ökobilanz nach.Bild: Shutterstock
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Kiffen, Koksen, Klimakrise: Warum Drogenkonsum ökologischer Terror ist

23.09.2023, 22:5724.09.2023, 00:57
Rebecca Sawicki / watson.de
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Die Weltbevölkerung lebt über ihre Verhältnisse. Bereits Ende Juli haben wir den Erdüberlastungstag erreicht. Gerade der Sommer 2023 hat gezeigt, was Klimakrise wirklich bedeutet. Zahlreiche Naturkatastrophen haben nahezu alle Winkel der Erde ereilt. Gedanken über klimaschädliche Emissionen kreisen oftmals um den Verkehrssektor, grosse Industrieanlagen und globale Lieferketten. Seltener im Fokus: Die oft illegale Seite des globalen Marktes. Drogen.

Denn illegale Suchtmittel haben massive Auswirkungen auf das Ökosystem. Und die Lösung für dieses Problem, meint Angela Me in einer Pressekonferenz auf watson-Nachfrage, ist äusserst kompliziert. Me leitet die Forschungsabteilung der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung. Denn auch wenn Kartelle entmachtet würden, blieben Suchtmittel in ihrer Herstellung umweltschädlich.

Kokain statt Regenwald

Die Droge hat extreme Auswirkungen auf die Biodiversität

Gerade der Amazonas, etwa in Kolumbien, aber auch viele weitere Naturgebiete weltweit leiden unter dem Anbau von Pflanzen, die zur Herstellung von Betäubungsmitteln genutzt werden. Beispielsweise Kokabüsche, aus deren Blätter Kokain gewonnen wird.

Irgendwie muss die Droge weltweit verteilt werden: Hier schwimmen Pakete voll Kokain im italienischen Mittelmeer.
Irgendwie muss die Droge weltweit verteilt werden: Hier schwimmen Pakete voll Kokain im italienischen Mittelmeer.Bild: Guardia di Finanza

Diese finden sich vorrangig im Amazonas und in den Anden. Für die entsprechenden Regionen bedeutet das: Regenwald wird abgeholzt, um Drogenplantagen hochzuziehen. Expert:innen gehen davon aus, dass ein Viertel des in Kolumbien jährlich gerodeten Regenwaldes Koka-Plantagen zum Opfer fällt. Seit 2014 soll sich die Koka-Anbaufläche mehr als verfünffacht haben. 2020 war sie laut Angaben von Quarks etwa 200'000 Hektar gross. Also mehr als doppelt so gross wie Berlin.

Die Herstellung von Kokain belastet Tiere und Umwelt zusätzlich, denn dafür werden die Blätter nach der Ernte teils direkt im Regenwald weiterverarbeitet. Und zwar, indem sie unter anderem mit Benzin, Schwefelsäure, Kaliumpermanganat, Natriumhydroxid und Aceton bearbeitet werden. Da die Herstellung von Kokain illegal ist, gibt es keine Entsorgungsstandards. In den meisten Fällen landen die Chemikalien also einfach in der Natur – und gefährden dadurch die Biodiversität im Dschungel.

Der Transport kommt zu all der Umweltbelastung noch dazu. Denn irgendwie muss das Kokain aus Südamerika in den Rest der Welt verteilt werden.

Mohnfelder in der Wüste

Ähnlich problematisch ist der Anbau von Schlafmohn, beispielsweise auf grossen Plantagen in der Wüste von Afghanistan, aber auch in Myanmar und Mexiko. Aus Mohn wird das Opioid Heroin hergestellt. In den vergangenen Jahren ist Afghanistan zum Weltlieferanten geworden, zwischenzeitlich sollen 84 Prozent des weltweit konsumierten Opiats aus dem Land am Hindukusch gekommen sein.

Seit der Machtübernahme der Taliban allerdings ist die Produktion dort wohl rückläufig. Trotzdem: Blumenwiesen in der Wüste fordern viel von der Umwelt. Möglich wurde der Anbau durch mehr als 500'000 solarbetriebene Wasserpumpen, die dafür sorgen, dass die Wüste grün wird, schreibt die «Deutsche Welle» in einem Artikel.

FILE - An armed Afghan policemen destroys an opium poppy field in Noorgal, Kunar province, east of Kabul, Afghanistan on April 13, 2013. Afghanistan is the world?s fastest-growing maker of methampheta ...
Jahrzehntelang wurden in der afghanischen Wüste Mohnfelder kultiviert – und fast genau so lang bekämpft. Die Taliban haben nun die Opiumproduktion verboten.archivBild: keystone

Der Sozio-Ökonom David Mansfield kam in einem Bericht zu dem Schluss, dass seit der Inbetriebnahme dieser Brunnen der Grundwasserspiegel vor Ort jährlich drei Meter sinkt. Mittlerweile seien die Brunnen bis zu 130 Meter tief. Mansfield beschreibt die Lage vor Ort in seinem Bericht aus 2020 so:

«Jedes Jahr kommen mehr Menschen in die Wüste und installieren tiefe Brunnen. Es wird sehr bald zu einem Punkt kommen, an dem Landwirtschaft nicht mehr möglich sein wird.»

Die eingesetzten Pestizide gelangten wohl ebenfalls ins Grundwasser. Im schlimmsten Fall kann eine solch erhöhter Nitratwert im Wasser dafür sorgen, dass Babys mit tödlichen Herzfehlern geboren werden. Ein weiteres Problem: Das Wasser könnte ganz ausgehen.

Die Taliban hat den Heroinanbau im Land mittlerweile verboten, stattdessen sollen Landwirte Weizen anbauen. Aktuell sieht es laut der BBC so aus, als würden sich viele afghanische Bauern daran halten. Um rund 80 Prozent könnte der Anbau 2023 im Vergleich zum Vorjahr zurückgehen.

Das Problem der umweltfeindlichen Heroingewinnung ist damit aber natürlich nicht vom Tisch, sondern im Zweifel nur in andere Gebiete der Welt verlagert worden – wie beispielsweise Myanmar.

Cannabis-Anbau frisst reichlich Energie

Aber nicht nur Kokabusch- und Schlafmohnplantagen sind Gift für unsere Umwelt. Auch Cannabis, mittlerweile die drittliebteste Droge in Deutschland, nach Alkohol und Tabak, ist ein Klimakiller. Outdoor-Plantagen ziehen massiv Wasser aus dem Boden. Die Folgen sind in Kalifornien gut zu beobachten. Mittlerweile wird dort legal Marihuana angebaut – und das sorgt im ohnehin schon dürregeplagten Bundesstaat zu noch mehr Problemen bei der Wasserversorgung.

Denn Cannabis braucht sehr viel Wasser, um zu wachsen. Gerechnet wird hierbei wohl mit doppelt so viel Bedarf wie Weinstöcke. Der US-Bundesstaat hat zwar Regularien erlassen, die dazu führen sollten, dass die Plantagen keine negativen Auswirkungen auf die Wasserversorgung haben – und keine Rückstände etwaiger Pestizide ins Grundwasser gelangen. Trotzdem berichtete CNN 2021 vom Kampf ums Wasser.

FILE - Marijuana plants grow at a Minnesota Medical Solutions greenhouse on May 5, 2015, in Otsego, Minn. Senators in Minnesota passed a bill Saturday, May 20, 2023, that would legalize recreational m ...
Der industrielle Anbau von Cannabispflanzen frisst reichlich Ressourcen.Bild: keystone

Seit 2013 sollen demnach 45 Milliarden Liter gestohlen worden sein. Aus Feuerhydranten, Reservoirs, direkt aus Gewässern oder durch das Anbohren von Wasserleitungen. Die Täter:innen: illegale Cannabisproduzierende. Denn die gibt es trotz der Legalisierung immer noch. Grund dafür sind wohl viele Genehmigungen, die es braucht, um eine Plantage zu eröffnen, sowie die Steuern, die der Staat kassiert.

Aber nicht nur das Wasser macht die Ökobilanz von Gras problematisch, sondern auch der Indoor-Anbau treibt die Emissionen massiv in die Höhe. Denn: Licht, Temperatur und Belüftung verbrauchen wahnsinnig viel Energie.

Legalisierung dürfte nur bedingt Entlastung bringen

Aus Sicht von Trend-Analystin Me würde daher auch eine Legalisierung von Drogen nicht zwingend für Entlastung sorgen. Das Problem ist komplexer, antwortet sie in einer Pressekonferenz auf eine Frage von watson. Ein Hauptproblem an der ganzen Sache seien natürlich Drogenhändlergruppen, deren Hauptinteresse darin bestehe, Profite zu maximieren. Am wenigsten wiederum profitierten Landwirte vom Drogenanbau.

epa10802798 German Health Minister Karl Lauterbach poses in front of a display reading 'Cannabis. Legal, but... I prefer broccoli. Regular cannabis use does not fit into a healthy lifestyle.&#039 ...
Bald wird Kiffen in Deutschland offiziell erlaubt – die Auswirkungen auf die Umwelt dürften aber gravierend bleiben.Bild: keystone

Trotzdem würde eine Entkriminalisierung – und damit ein Machtverlust für die Drogenkartelle – wahrscheinlich nicht die gewünschten Effekte in Sachen Umweltschutz bringen, meint Me. Denn: Der Anbau von Cannabis und ähnlichem bleibt energie- und ressourcenintensiv, egal ob er legal oder illegal ist.

Und nicht nur der Anbau pflanzlicher Produkte ist Gift für unsere Umwelt, sondern auch die Herstellung synthetischer Drogen. So verursacht die Produktion von einem Kilo MDMA rund zehn Kilo Giftmüll. Amphetamine, wie Speed, sind eine noch grössere Umweltbelastung. Hier entstehen rund dreissig Kilo giftige Abfälle.

So werden etwa Natriumhydroxid, Salzsäuren oder Aceton nicht im Sondermüll entsorgt – wo sie hingehören – sondern klammheimlich in Fässern abgeladen oder in Flüsse gekippt. Und nicht nur die Herstellung sorgt für Probleme in der Umwelt, sondern auch der Konsum.

epa07772323 An undated handout photo made available by Queensland Police on 14 August 2019 shows seized MDMA powder, in Queensland, Australia. Police in Queenslamd announced on 14 August 2019 that the ...
Beschlagnahmtes MDMA-Pulver in Australien. Auch synthetische Drogen sind Gift für die Umwelt.Bild: EPA

Eine Studie der Tschechischen Agraruniversität in Prag kam ausserdem zu dem Schluss, dass Süsswasserfische drogenabhängig werden können. Für die Studie wurden Forellen in Wasser gehalten, dem Methamphetamin (etwa Crystal Meth) in einer Konzentration zugesetzt war, wie sie im gereinigten Wasser von Kläranlagen zu finden ist.

Denn in Wasserproben unterschiedlicher Regionen werden immer wieder Rückstände von Meth, Kokain, MDMA und weiteren Drogen gefunden. Mit womöglich gravierenden Folgen, wie die Studien nahelegen.

Und jetzt du!

Ist Drogenkonsum tatsächlich ökologischer Terror, oder wie siehst du das? Achtest du auf die Ökobilanz? Und was ist mit den negativen Umweltfolgen, die legale berauschende Substanzen wie Alkohol und Tabak haben?

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92 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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PlusUltra
23.09.2023 23:25registriert Juni 2019
Ich konsumiere keine Drogen. Und ja, natürlich braucht der Anbau Ressourcen.
Trotzdem denke ich, aus Öko-Sicht würde eine Legalisierung eine massive Verbesserung bringen.
Ein weiterer Pluspunkt auf der Liste, weshalb eine Legalisierung endlich mal aktiv besprochen werden müsste.
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0 o
23.09.2023 23:54registriert November 2019
… auf das in vielen Ländern noch legale Glyphosat hingewiesen. Argentinien hat es komplett verboten, nachdem in Dörfern, die an Landwirtschaftliche Zonen angrenzen bis zu 50% der Bewohner an mittelfristig tödlichen Organschäden erkrankt sind.

Das Problem ist offensichtlich nicht das Kokain oder dessen Abwässer, sondern die Grundsätzlich fehlende Infrastruktur zum Schutz der Bevölkerung.

Der ganze Artikel ist ein Feuerwerk von Behauptungen, mit dem Ziel ein bestimmtes Framing zu erzeugen, ohne sich die Mühe zu machen, einzuordnen oder vertieft zu analysieren.
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0 o
23.09.2023 23:48registriert November 2019
Wie viele Giftige Abfallstoffe entstehen bei der Herstellung von Medikamenten?
z.B. Dafalgan, Ibuprofen, Aspirin?

Kokain wird meist als Zuladung zu bestehenden Frachten verschifft. Kein Schwerölstinker legt wegen Kokain aus dem Hafen ab. Aber wegen 1 Fr. Ladekabeln von Wish.

Die andern 3/4 des Regenwaldes die abgeholzt werden, werden zur Herstellung von Futtermittel für unser Mastvieh benötigt.
Aber ja, Kokain, dass bei Legalisierung auch ausserhalb des Regenwaldes wachsen würde, ist das Problem.

Die Frage der giftigen Abfälle beantwortet sich teilweise selbst. Ergänzend sei…
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