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Das sind die 10 schlimmsten humanitären Krisen der Gegenwart

Hadiiq Abdulle Mohamed eats with her children as she speaks during an interview with Associated Press at an internally displaced people camp on the outskirts of Mogadishu, Somalia, Friday, March 24, 2 ...
Dürre, Hunger, Flucht: Hunderttausende Menschen sind derzeit am Horn von Afrika von diesem Schicksal betroffen.Bild: keystone

Das sind die 10 schlimmsten humanitären Krisen der Gegenwart

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01.09.2023, 10:5401.09.2023, 17:22
Daniel Huber
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Der Menschheit ging es schon besser: Aktuell sind mehr Menschen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung als jemals zuvor. Ende letzten Jahres waren es mehr als 108 Millionen – 19 Millionen mehr als noch ein Jahr vorher. Mittlerweile dürfte die Zahl nach Schätzungen des Flüchtlingskommissariats der Vereinten Nationen (UNHCR) sogar auf mehr als 110 Millionen angestiegen sein.

Und all diese aus ihrer angestammten Heimat Geflohenen oder Vertriebenen sind nur ein Teil der Menschen, die sich weltweit in humanitärer Not befinden. Deren Zahl wird auf rund 340 Millionen geschätzt – das ist mehr, als die USA, das bevölkerungsmässig drittgrösste Land der Welt, an Einwohnern zählt.

Die Gründe für humanitäre Krisen, die Menschen in Not stürzen, sind vielfältig: Meistens handelt es sich um bewaffnete Konflikte – besonders Bürgerkriege –, die Menschen zur Flucht zwingen und oft auch zu Hungersnöten führen. Aber auch Naturkatastrophen und Epidemien können die Existenzgrundlagen der Bevölkerung einer Region oder gar eines ganzen Landes gefährden.

Eine einheitliche Definition für humanitäre Krisen existiert nicht. In der Regel spricht man aber dann von einer humanitären Krise, wenn Gesundheit und Sicherheit eines grossen Teils der Bevölkerung eines Landes gefährdet sind, etwa weil sie keinen Zugang zu Trinkwasser, Lebensmitteln, Unterkunft, medizinischer Versorgung und Bildung mehr hat.

Die aktuell schlimmsten humanitären Krisen bestehen – mit Ausnahme der Ukraine, wo die Notlage erst durch den russischen Angriffskrieg im Februar 2022 verursacht wurde – bereits seit einigen Jahren, haben sich aber zum Teil in letzter Zeit verschärft. Eine Übersicht, die sich an die sogenannte Emergency Watchlist der NGO International Rescue Committe (IRC) anlehnt:

Ukraine

Der bewaffnete Konflikt in der Ukraine begann bereits 2014, als Russland die Krim annektierte und Separatisten im Osten des Landes mit russischer Unterstützung völkerrechtswidrig Volksrepubliken ausriefen. Erst mit der Invasion russischer Truppen im Februar 2022 eskalierte dieser schwelende Konflikt zu einem verheerenden und enorm verlustreichen Krieg. Die russischen Angriffe zielen dabei auch systematisch auf die Zerstörung der zivilen Infrastruktur; hinzu kommt die Verseuchung ganzer Landstriche durch Landminen und Blindgänger.

Der russische Angriffskrieg löste die weltweit grösste und schnellste Vertreibungskrise seit Jahren aus. Mehr als 6,5 Millionen Einwohner sind innerhalb des Landes vertrieben worden; 7,8 Millionen sind in andere Länder geflüchtet. Die meisten von ihnen befinden sich in Polen, das etwa 60 Prozent aller ukrainischen Geflüchteten beherbergt.

Oleksandr Pishchyk, a school director, stands in front of the school library that was destroyed by shelling in Kupiansk, Ukraine, Wednesday, Aug. 23, 2023. There are still 451 children in Kupiansk who ...
Russische Granaten haben zahllose Gebäude in der Ukraine zerstört – auch diese Schule in Kupiansk.Bild: keystone

Russische Raketen und Granaten haben zahlreiche Todesopfer gefordert; dies nicht nur im Frontgebiet, sondern in der gesamten Ukraine. Zudem wurden zahllose Wohnhäuser sowie Infrastrukturbauten der Gesundheits- und Energieversorgung beschädigt. Viele Menschen haben daher keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu Wasser, Heizung und Strom. Oft müssen sie in Häusern ausharren, die nicht ausreichend Schutz vor den tiefen Temperaturen im harschen ukrainischen Winter bieten. Nach Schätzungen des UNHCR benötigen dieses Jahr 17,6 Millionen Menschen in der Ukraine humanitäre Hilfe.

Haiti

Das auf dem westlichen Teil der Insel Hispaniola gelegene Haiti ist der ärmste Staat der westlichen Hemisphäre. Das Land, das sich bereits 1804 von der französischen Kolonialherrschaft befreite, ist gekennzeichnet durch eine anhaltende politische Instabilität, die auch durch militärische Interventionen der USA oder der UNO nicht beseitigt werden konnte. Haiti liegt zudem in einer Erdbebenzone und wurde mehrfach von schweren Erdbeben getroffen; das schlimmste ereignete sich 2010 und forderte vermutlich über 300'000 Todesopfer.

Die Sicherheitslage im Inselstaat ist desolat. Die Bandenkriminalität hat in den vergangenen Jahren überhandgenommen, vor allem nach der Ermordung von Präsident Jovenel Moise im Jahr 2021. Gangs kontrollieren ganze Stadtviertel der Hauptstadt Port-au-Prince; ihren Schiessereien fallen auch Unbeteiligte zum Opfer. Es kommt zu gezielten Tötungen, Entführungen gegen Lösegeld, Erpressung von Schutzgeldern und schlimmsten Formen sexueller Gewalt, auch gegen Kinder.

Displaced people sit inside a school where they are taking refuge due to gang violence, as it rains due to Tropical Storm Franklin in Port-au-Prince, Haiti, Wednesday, Aug. 23, 2023. (AP Photo/Odelyn  ...
Vor der Bandenkriminalität Geflüchtete suchen Schutz in einer Schule in Port-au-Prince. Bild: keystone

Hinzu kommt eine galoppierende Inflation, die es vielen Menschen verunmöglicht, ausreichend Nahrungsmittel zu kaufen. 4,7 Millionen der knapp 12 Millionen Einwohner sind von Hunger betroffen. Die von UNO-Friedenstruppen eingeschleppte Cholera belastet das ohnehin desolate Gesundheitswesen zusätzlich. Zahlreiche Menschen versuchen, ihrer Notlage zu entfliehen. Tausende von ihnen leben als Binnengeflüchtete unter unmenschlichen Bedingungen in der Hauptstadt, zahllose weitere fliehen in die angrenzende Dominikanische Republik, die jedoch täglich bis zu 1000 Haitianer ohne legalen Aufenthaltsstatus zurückschickt.

Burkina Faso

Der Sahelstaat in Westafrika, der zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt gehört, wird seit einem Putsch im September 2022 von einer russlandfreundlichen militärischen Übergangsregierung geführt. Bis zu 40 Prozent des Landes, vornehmlich im Norden, stehen jedoch unter Kontrolle von Dschihadisten des «Islamischen Staats» und der al-Qaida. Aus den nördlichen und östlichen Landesteilen sind laut dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) mehr als zwei Millionen Menschen in andere Landesteile vertrieben worden. Auch Nachbarländer sind zunehmend Ziel der Flucht.

Die prekäre Sicherheitslage wirkt sich auch auf die Versorgung mit Nahrungsmitteln aus, die durch die Corona-Pandemie zusätzlich verschärft wurde. Laut UNO-Angaben waren zu Beginn des Jahres rund 3,5 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen, und jedes fünfte Kleinkind ist chronisch unterernährt. 4,7 Millionen der gut 20 Millionen Einwohner sind gemäss dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) auf humanitäre Hilfe angewiesen.

FILE- Malnourished children wait for treatment in the pediatrics department of Boulmiougou hospital in Ouagadougou, Burkina Faso, on April 15, 2022. The United Nations food agency says millions of hun ...
Mangelernährte Kinder in einem Spital in der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou. Bild: keystone

Ohnehin gelten mehr als 40 Prozent der stark wachsenden Bevölkerung – mehr als zwei Fünftel sind unter 15 Jahre alt – als arm. Da der weit überwiegende Teil der Einwohner von der Landwirtschaft lebt, sind sie von den Folgen des Klimawandels besonders stark betroffen. Waren die Siebziger- und Achtzigerjahre in der Sahelzone von häufigen extremen Dürren geprägt, kommt es in letzter Zeit immer häufiger zu weiträumigen Überschwemmungen.

Südsudan

Die Republik Südsudan, seit der Unabhängigkeit vom Sudan 2011 der jüngste Staat der Welt, ist ein fragiles Staatsgebilde. Der Südsudan belegt auf dem aktuellen Index der menschlichen Entwicklung der UNO (HDI) den letzten Platz von 191 bewerteten Ländern. Die heutige humanitäre Krise ist wesentlich durch einen Bürgerkrieg verursacht worden, der von 2013 bis 2018 wütete und eine der grössten Flüchtlingskrisen Afrikas auslöste. Seit der Bildung einer Übergangsregierung 2020 hat sich die politische Lage etwas beruhigt, doch nach wie vor gibt es schätzungsweise 1,6 Millionen Binnenvertriebene und 2,3 Millionen Geflüchtete in den Nachbarländern (Stand 2021).

Der Krieg hat tiefe Spuren hinterlassen: Nach Angaben des UNO-Amts für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) benötigen dieses Jahr 9,4 Millionen Menschen – darunter 2,2 Millionen Frauen und 4,9 Millionen Kinder – humanitäre Hilfe und Schutzleistungen. Dies entspricht rund drei Vierteln der Bevölkerung des Landes. Laut OCHA leiden 8 Millionen Menschen in der ertragsarmen Saison zwischen April und Juli unter schwerer Ernährungsunsicherheit. Es wird befürchtet, dass etwa 1,4 Millionen Kinder von lebensgefährlicher Unterernährung bedroht sind.

epa10628086 A South Sudanese returnee gathers wood for cooking next to her makeshift shelter, outside the Orthodox Church in the Upper Nile State town of Renk, South Sudan, 14 May 2023. The grounds of ...
Zurückgekehrte südsudanesische Geflüchtete vor ihrer improvisierten Unterkunft im Bundesstaat Upper Nile. Bild: keystone

Die Landwirtschaft des Südsudans hat seit der Unabhängigkeit mehrfach unter schweren Dürren und Überschwemmungen gelitten. Dies führte zu einer hohen Zahl von Todesopfern und dem Verlust von Viehbeständen, was zahlreichen Menschen die Lebensgrundlage nahm. Die Aussichten für den Landbau sind zudem nicht rosig, da der Südsudan zu den fünf aktuell am meisten vom Klimawandel betroffenen Ländern gehört.

Syrien

Der Bürgerkrieg in Syrien begann 2011 als Protestbewegung gegen das Assad-Regime. Seither sind nach Schätzungen mehr als eine halbe Million Menschen ums Leben gekommen und mehr als die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben – 6,8 Millionen davon sind Binnengeflüchtete im eigenen Land – ein Drittel der Bevölkerung. Weitere 5,3 Millionen leben in angrenzenden Staaten.

FILE - Women walk in the al-Hol camp that houses some 60,000 refugees, including families and supporters of the Islamic State group, many of them foreign nationals, in Hasakeh province, Syria, on May  ...
In diesem Lager im syrischen Gouvernement al-Hasaka leben 60'000 Geflüchtete. Bild: keystone

Die seit zwölf Jahren andauernde Krise hat dazu geführt, dass zurzeit 15,3 Millionen Menschen im Land auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Das UNHCR schätzt, dass rund 90 Prozent der Syrer unter der Armutsgrenze leben und 12 Millionen von einer unsicheren Ernährungslage betroffen sind – 2,5 Millionen davon kritisch. Die Lage hat sich durch zwei schwere Erdbeben, die im Februar 2023 den Südosten der Türkei und den Norden Syriens erschütterten, weiter verschärft. Die am stärksten betroffenen Gebiete in Syrien sind Aleppo, Hama, Idleb, Latakia und Tartus.

Jemen

Seit Jahren kämpfen im Jemen bewaffnete Gruppen und Regierungstruppen gegeneinander, wobei die Rebellen vom Iran und die Regierungstruppen von einer von Saudi-Arabien geführten Koalition unterstützt werden, die 2015 militärisch intervenierte und 2017 eine Seeblockade verhängte. Der erbittert geführte Konflikt hat mehr als 4,5 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben – allein im vergangenen Jahr gab es 234'000 neue Vertreibungen.

Der jemenitische Staat ist weitgehend dysfunktional. Lediglich etwa die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen funktionieren; rund ein Drittel der Schulen ist geschlossen, was rund 2 Millionen Kinder vom Unterricht ausschliesst. Beinahe neun von zehn Einwohnern haben keinen Zugang zum öffentlichen Stromnetz.

epa10814056 Yemenis wait with their pots to receive free food provided by a charitable kitchen at a makeshift camp for Internally Displaced Persons (IDPs) in Sana'a, Yemen, 22 August 2023. The Wo ...
Jemenitische Binnenvertriebene erhalten in einem provisorischen Lager in der Hauptstadt Sanaa Essen. Bild: keystone

Gegenwärtig leben 80 Prozent der Bevölkerung in extremer Armut, mehr als 21 Millionen sind dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen. Hinzu kommt eine massive Hungerkrise: Das Land steht am Rand einer Hungersnot. 17 Millionen Menschen leiden unter Ernährungsunsicherheit, davon sind 3,2 Millionen bereits akut betroffen. Mehr als 2 Millionen Kinder sind derzeit akut unterernährt.

Demokratische Republik Kongo

Die Demokratische Republik Kongo (DRK) gehört trotz reicher Bodenschätze zu den ärmsten Ländern der Welt. Bereits als Privatbesitz des belgischen Königs Leopold II. und danach als belgische Kolonie erlebte das riesige Land im Herzen Afrikas massive Ausbeutung und exzessive Gräueltaten. Seit 1960 unabhängig, wurde der Kongo lange von Joseph-Désiré Mobutu, einem der korruptesten Diktatoren Afrikas, beherrscht. Danach folgte eine Reihe von Bürgerkriegen, denen Millionen von Menschen zum Opfer fielen.

Das Land kam auch nach dem Ende des letzten Bürgerkriegs 2008 nicht zur Ruhe. Besonders im Osten des Vielvölkerstaats brechen immer wieder brutale Kämpfe aus, wobei andere Staaten die Konfliktparteien unterstützen. Insgesamt kämpfen etwa 130 bewaffnete Gruppen um die Kontrolle über Gebiete mit Bodenschätzen. Die prekäre Sicherheitslage wird zudem noch durch wiederkehrende Epidemien wie Ebola, Covid-19 und Cholera verschlimmert, die das fragile Gesundheitssystem überlasten.

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Aus ihren Dörfern vertriebene Kinder haben Unterschlupf in einer Schule bei Goma gefunden. Bild: keystone

Derzeit sind aufgrund der aktuellen Situation mehr als 5 Millionen Menschen auf der Flucht. In den improvisierten Flüchtlingslagern herrschen schlimme Zustände – Menschen verschulden oder prostituieren sich, um an Nahrungsmittel zu kommen. Knapp drei Viertel der 97 Millionen Kongolesen leben unter der Armutsgrenze, ein Drittel der Bevölkerung ist durch akute Nahrungsmittelknappheit gefährdet. Mehr als 6 Millionen Menschen leiden täglich Hunger, die meisten von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren.

Afghanistan

Mit der Invasion der Sowjetunion in Afghanistan 1979 setzte eine Abfolge von Ereignissen ein, die das Land ins Verderben stürzte. Nach dem Abzug der Sowjettruppen gewannen schliesslich die radikalislamistischen Taliban die Oberhand, die wiederum 2001 von einer Koalition unter US-Führung vertrieben wurden – um 20 Jahre später nach dem Abzug der NATO-Truppen die Macht erneut zu übernehmen. Die Taliban verfolgten sofort eine repressive Politik, besonders gegenüber Frauen, deren Möglichkeiten zur Berufsausübung sie stark einschränkten. Den Mädchen verwehrten sie den Sekundarschulbesuch.

Das ohnehin gebeutelte Land stürzte durch den abrupten Verlust eines grossen Teils der internationalen Hilfe nach der Machtübernahme der Taliban, die Frauen die Arbeit in Hilfsorganisationen verboten, noch weiter in die Krise. Die Angst vor den neuen Machthabern trieb noch mehr Menschen zur Flucht – allein 2021 verliessen etwa 700'000 Menschen ihre Dörfer und Städte. Das Heer der Binnengeflüchteten ist dadurch auf 5,5 Millionen angeschwollen. 8,2 Millionen Afghanen sind aus ihrem Land geflüchtet.

FILE - An Afghan mother helps her acutely malnourished boy at the Indira Gandhi Hospital in Kabul, Afghanistan, Sunday, May 22, 2022. Some 1.1 million Afghan children under five will face malnutrition ...
Eine Mutter kümmert sich in einem Spital in Kabul um ihren lebensbedrohlich unterernährten Sohn.Bild: keystone

Die Preise für Lebensmittel, Dünger und Treibstoff haben sich in anderthalb Jahre mehr als verdoppelt. Gleichzeitig haben viele Frauen ihre Arbeit verloren. Die Landwirtschaft leidet zudem unter den Folgen des Klimawandels, besonders unter ausbleibenden Niederschlägen. All dies führt zu einer humanitären Katastrophe: 97 Prozent der Menschen müssen mit weniger als 2.15 US-Dollar pro Tag auskommen; die Hälfte der rund 42 Millionen Einwohner leidet unter akutem Hunger; mehr als 3 Millionen Kinder sind mangelernährt. 28 Millionen Menschen, darunter 15 Millionen Kinder, sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Folgen sind verheerend: Kinderarbeit hat dramatisch zugenommen, manche Bauern verkaufen in der Not ihre Kinder, es gibt Fälle von Organhandel.

Äthiopien

Der Vielvölkerstaat Äthiopien galt einmal in mancherlei Hinsicht als hoffnungsvolles Beispiel in Ostafrika – Regierungschef Abiy Ahmed Ali erhielt 2019 den Friedensnobelpreis für die Aussöhnung mit Eritrea. Doch dann begann 2020 ein Bürgerkrieg in der Provinz Tigray im Norden des Landes. Die Tigray People Liberation Front (TPLF) kämpfte gegen Regierungstruppen, wobei auch eritreische Truppen und Milizen aus anderen äthiopischen Regionen involviert waren. Der Krieg, der sich auch auf andere Regionen ausdehnte, forderte mehr als eine halbe Million Todesopfer, 2 Millionen Menschen wurden in die Flucht getrieben.

Zwar unterzeichneten die äthiopische Regierung und die Milizen der abtrünnigen Region Tigray im November ein Waffenstillstandsabkommen. Doch nach wie vor sind Millionen auf der Flucht, und in den vom Konflikt betroffenen Regionen Tigray, Afar und Amhara haben laut dem UNHCR schätzungsweise 9 Millionen Menschen keinen Zugang zu angemessenen Nahrungsmitteln. In der Provinz Tigray sind 40 Prozent der Bevölkerung von einem extremen Mangel an Nahrungsmitteln betroffen. Insgesamt sind in Äthiopien 28,6 Millionen Menschen weiterhin auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Animal carcasses are seen at Gabi'as village, northeast of the town of Gode, in the Shabelle zone of the Somali region of Ethiopia Friday, Jan. 21, 2022. In Ethiopia's Somali region, people  ...
Die verheerende Dürre in Äthiopien hat den Viehbestand reduziert, was die Nahrungsknappheit noch verschärft.Bild: keystone

Die Lage verschärft sich derzeit wieder, weil in der Region Amhara im Nordwesten des Landes ein neuer Konflikt ausgebrochen ist. Auch in der zentralen Region Oromia kommt es immer wieder zu Kämpfen und Massenvertreibungen. Die Landwirtschaft leidet darunter und produziert weniger Nahrungsmittel. Neben der akuten Gefahr einer Hungersnot sind die Menschen auch durch Krankheiten bedroht: Mehr als eine Million Menschen sind von Malaria betroffen, zudem kam es zu einem Cholera-Ausbruch. Nicht genug damit: Äthiopien droht die sechste Dürre in Folge, was die Nahrungsmittelknappheit noch verschärfen würde.

Somalia

Der Staat am Horn von Afrika ist nahezu dysfunktional. Mehrere Krisen – Gewalt, Armut, schlechte Gesundheitsversorgung, Nahrungsmittelknappheit – destabilisieren gleichzeitig das Land und führen dazu, dass die Bevölkerung unter einer der schlimmsten humanitären Katastrophen zu leiden hat. Und die Aussichten sind schlecht: In naher Zukunft dürfte sich die Situation noch verschlechtern.

Die Gewalt aufgrund der politischen Instabilität ist endemisch: Terroranschläge, insbesondere durch die islamistische Terrorgruppe Al-Shabaab, sind Alltag für die Zivilbevölkerung. 70 Prozent der Einwohner leben in drückender Armut, 60 Prozent haben keinen Zugang zu medizinischer Versorgung. Weniger als 30 Prozent der schulpflichtigen Kinder besuchen die Grundschule, die Hälfte der Bevölkerung sind Analphabeten. Mehr als 1 Million Menschen leben unter lebensbedrohlichen Wasser-, Sanitär- und Hygienebedingungen. Die Lebenserwartung ist mit 58 Jahren eine der weltweit niedrigsten.

Somali children displaced by drought and showing symptoms of Kwashiorkor, a severe protein malnutrition causing swelling and skin lesions, sit with their mothers at a malnutrition stabilization center ...
Somalische Binnenvertriebene in einer Einrichtung einer Hilfsorganisation in der Hauptstadt Mogadischu. Die Kinder zeigen Symptome einer Proteinmangel-Erkrankung. Bild: AP

Derzeit herrscht in Somalia die schwerste Dürre seit Jahrzehnten. Schon im Frühsommer des vergangenen Jahres waren mehr als 7 Millionen Menschen – fast die Hälfte der Bevölkerung – von einer Ernährungskrise betroffen. Etwa 1,5 Millionen Kinder waren unterernährt, eine halbe Million Menschen mussten aufgrund der Dürre ihre Heimatorte verlassen. Die Zahl der von Ernährungsknappheit Betroffenen dürfte dieses Jahr weiter steigen, wenn die Dürre anhält. Die durch die Folgen des Klimawandels gestiegenen Ernteverluste fallen umso mehr ins Gewicht, als die Importe wegen des Kriegs in der Ukraine ausfallen – über 90 Prozent des Weizens kommen sonst aus Russland und der Ukraine. Die Zahl der Menschen, die von Ernährungsunsicherheit betroffen sind, könnte auf 8,3 Millionen steigen – 730'000 von ihnen werden dabei unter einer Hungersnot leiden.

Unermessliches Elend in Jemen

Video: srf/SDA SRF
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Die vergessene humanitäre Katastrophe: Der Krieg im Jemen
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Die vergessene humanitäre Katastrophe: Der Krieg im Jemen
Es ist fünf vor Zwölf: Der Jemen steht vor einer (weiteren) Hungerkatastrophe. In einigen Gebieten des Landes ist jedes vierte Kleinkind akut mangelernährt. Insgesamt sind rund eine halbe Million Kleinkinder betroffen.
quelle: keystone / yahya arhab
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Junge afghanische Lehrerin über das erneute Schulverbot
Video: watson
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64 Kommentare
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Ricky LaFleur
01.09.2023 13:38registriert März 2021
Zu Syrien: Das Leiden der syrischen Bevölkerung wird durch unsere Sanktionen deutlich verschärft.

Ein Beispiel:

Der Energiesektor. In weiten Teilen Syriens hat man 4 Stunden Strom pro Tag. Westliche Sanktionen behindern den Wiederaufbau des Stromnetzes und der Kraftwerke sowie den Import von dringend benötigtem Brennstoff. Ganze Wälder werden von frierenden Syrern gerodet, weil die Leute im Winter nur mit Brennholz heizen können.

Es ist eine humanitäre und klimatische Katastrophe, die wir mit unseren Sanktionen mitverursachen.
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