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Interview

So wahrscheinlich ist der russische Einsatz von Giftgas in der Ukraine

Interview

«Der Einsatz von chemischen Waffen wäre eine sehr ernste Provokation»

Stephen Herzog ist Experte für Massenvernichtungswaffen am Center for Security Studies der ETH Zürich. Er erklärt, wie wahrscheinlich der russische Einsatz von chemischen Waffen ist und was das für Folgen hätte.
13.04.2022, 11:4914.04.2022, 07:39
Bruno Knellwolf / ch media
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stephen herzog. eth
Stephen Herzog, Experte für Massenvernichtungswaffen am Center for Security Studies der ETH Zürich.Bild: zvg

Die Ukraine hat erklärt, russische Drohnen hätten chemische Waffen abgeworfen. Wie wahrscheinlich sind diese Berichte?
Stephen Herzog: Die Berichte, die wir bisher gesehen haben, stammen von der ultranationalistischen Asow-Brigade der Ukraine. Sie behauptet, das Stahl- und Eisenwerk Azovstal in Mariupol sei von einer russischen Drohne mit chemischen Waffen beschossen worden, und es gebe sowohl zivile als auch militärische Opfer. Einige der berichteten Auswirkungen wie eine vorübergehende Gehunfähigkeit oder Kurzatmigkeit sind durchaus mit Vergiftungen durch chemische Waffen vereinbar. Ein Teil des Rauchs nach dem Angriff wurde als «süsslich» beschrieben. Aber es gibt noch keine bestätigten Beweise dafür. Deshalb ist es sehr wichtig, dass nun Beweise gesammelt werden, zumal die USA, Grossbritannien und andere Länder eine harte Reaktion versprochen haben, falls Russland Chemiewaffen einsetzt.

Wie kann der Einsatz chemischer Waffen geprüft werden?
Auf zwei Arten. Zum Ersten mit materiellen Beweisen wie mit Umweltproben aus dem Zielgebiet. Das ist aber schwierig, weil Mariupol von den Russen belagert wird. Zweitens könnten die Opfer medizinisch untersucht werden. Dafür müssten sie allerdings die Stadt verlassen können und in einem Labor untersucht werden. Auch das ist schwierig.

Wer könnte das tun?
Auf jeden Fall sollte die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen mit Sitz in Den Haag eingeschaltet werden. Sie ist für die unparteiische Untersuchung von Verdachtsfällen beauftragt.

epa09885740 Russian President Vladimir Putin (front) speaks with employees at the Vostochny cosmodrome outside the city of Tsiolkovsky, some 180 km north of Blagoveschensk, in the far eastern Amur reg ...
Russlands Präsident Wladimir Putin hat heute zusammen mit Weissrusslands Präsident Lukaschenko eine Raketen-Produktionswerk in Russland besucht.Bild: keystone

Welche chemischen Waffen könnten eingesetzt worden sein?
Wie gesagt, es gibt noch keine Beweise für einen Einsatz. Aber ein süsslicher Geruch könnte möglicherweise auf den Einsatz von toxischem Nervengas hinweisen. Normalerweise sind sie geruchlos, können aber trotzdem manchmal süsslich riechen. Bevor Russland 2017 angeblich seine Chemiewaffenbestände abgebaut hat, hatten sie 40'000 Tonnen dieser Waffen. Vor allem Sarin und VX. Auch wenn Russland die Bestände tatsächlich wie versprochen abgebaut hätte, hätte die Armee immer noch das nötige Wissen und die Infrastruktur, um solche Waffen herzustellen.

Was wäre das militärische Ziel eines solchen verbotenen chemischen Angriffs?
Das Industriegebiet um das Metallwerk Azovstal in Mariupol ist die letzte bekannte ukrainische Militärhochburg in der belagerten Stadt. Kürzlich forderte ein Sprecher der von Moskau unterstützten Donezker Volksrepublik im russischen Staatsfernsehen sogar den Kreml auf, seine chemischen Streitkräfte einzusetzen, um «die Maulwürfe auszuräuchern».

Was hätte das für Auswirkungen?
Der Einsatz chemischer Waffen ist von Wetter und Geländebedingungen abhängig. Der Einsatz dieser Gifte in städtischem Gebiet hätte fast unweigerlich tragische Folgen für Zivilisten und Soldaten.

Würde Putin den Einsatz chemischer Waffen eingestehen?
Nein. Selbst wenn physische Beweise auftauchen würden, würde Putin den Einsatz nie zugeben. Immer noch behaupten die Russen sogar, die Raketen-Attacke auf den Bahnhof von Kramatorsk sei von den Ukrainern selbst ausgeführt worden. Obwohl es eindeutige Beweise für diese russische Attacke gibt. Wenn Russland zugeben würde, dass es Chemiewaffen eingesetzt hat, würde es damit gegen zwei wichtige völkerrechtliche Bestimmungen verstossen.

Ein Fragment der Rakete, die am 8. April den Bahnhof Kramatorsk traf.
Ein Fragment der Rakete, die am 8. April den Bahnhof Kramatorsk traf.Bild: Andriy Andriyenko / ap

Wie würde Russland auf die Anschuldigungen reagieren?
Wahrscheinlich ist, dass Russland so wie beim Bahnhof Kramatorsk dem ukrainischen Militär den Chemiewaffen-Einsatz in die Schuhe schieben würde. Der Einsatz von chemischen Waffen ist schwierig zuzuordnen. Deshalb hat das Assad-Regime in Syrien stets behauptet, die chemischen Waffen seien von den Rebellen eingesetzt worden, obwohl es offizielle Beweise für die Schuld des Assad-Regimes durch die Organisation für das Verbot chemischer Waffen gab. Russland hat bis jetzt schon in diesem Krieg in der Ukraine alle Verbrechen geleugnet und versucht, die Weltöffentlichkeit auf seine Seite zu ziehen - allerdings ohne Erfolg.

Für die Nato wäre der Einsatz von Chemiewaffen eine Provokation. Wann würde eine rote Linie überschritten, die dazu führen würde, dass die Nato reagiert und zum Beispiel den Luftraum über der Ukraine sperrt?
Der Einsatz von chemischen Waffen wäre eine sehr ernste Provokation, die an sich eine Grenzüberschreitung wäre. Bis jetzt weigern sich die Nato-Länder auszuschliessen, dass sie bei einem Einsatz von Chemiewaffen direkt eingreifen würden. Deshalb sind die unabhängigen Untersuchungen nun äusserst wichtig. Bevor die Nato militärische Entscheidungen trifft, müsste sie unbestreitbare Beweise sehen. Ohne solche Beweise wird es meiner Meinung nach keine militärische Reaktion geben. Die internationale Gemeinschaft wird das genau verfolgen.

Welche anderen Möglichkeiten hätte der Westen, um auf den Einsatz solcher Massenvernichtungswaffen zu reagieren?
Da gibt es mehrere Möglichkeiten. Der Westen könnte die Lieferung von Waffen an die Ukraine sofort verstärken. Durch einen russischen Einsatz von chemischen Waffen würden Länder wie Deutschland, die nur zögerlich schwere Waffen liefern, dazu gedrängt werden. Auch Ungarn hätte Schwierigkeiten, weiterhin die Durchfuhr von Waffen über sein Land zu verbieten.

Gibt es auch nicht-militärische Möglichkeiten?
Auch Schutzausrüstungen zu liefern, um auf chemische Angriffe vorbereitet zu sein, wäre notwendig. Länder, die sich bis jetzt gegen die Beendigung von Energieverträgen wehren, würden unter neuen Druck geraten, wenn der Kreml Massenvernichtungswaffen einsetzen würde. Und wenn es durch Chemiewaffen zivile Opfer gäbe, müssten neue Möglichkeiten für humanitäre Hilfe durchgesetzt werden. Insbesondere Evakuierungskorridore. (aargauerzeitung.ch)

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22 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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stormcloud
13.04.2022 15:27registriert Juni 2021
Die Russen wissen nur, dass sich die Ukrainer gegenseitig mit Raketen beschießen, ihre eigenen Häuser in die Luft jagen und besonders gerne Krankenhäuser und Schulen zerstören.
Dazu schießen sie sich selbst vom Fahrrad und können sogar mit gefesselten Händen auf dem Rücken Suizid begehen. Toll, nicht wahr? Ukrainer schauspielern auch gerne und spielen Leichen.
Die Russen schwenken derweil Fähnchen und fahren mit ihren Panzern spazieren. Dabei schauen sie sich an, was die Ukrainer schon wieder kaputt gemacht haben und warten auf Applaus.
Dieses Märchen möchte uns Putin erzählen....😧🤮
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G.
13.04.2022 13:00registriert Dezember 2014
Falls tatsächlich chemische Waffen eingesetzt wurden, brauchts kein Versprechen mehr um mit einer möglichst harten Reaktion zu antworten.

Zumimdest wäre dies meine Meinung…

Langsam aber sicher ist das Fass voll und Putin und seine Vasallen gehören so richtig hart behandelt.
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