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Interview zu Trump-Prozess: Kritik ist ein Stück weit berechtigt

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USA-Expertin zum Trump-Prozess: «Das hat natürlich ein fades ‹Geschmäckle› hinterlassen»

Hat ihm das Urteil nun geschadet oder nicht? Und was wäre, wenn der republikanische Präsidentschaftskandidat zu einer Haftstrafe verurteilt wird? Politologin Claudia Brühwiler erklärt, wie es im Fall Trump nun weitergeht.
31.05.2024, 16:3831.05.2024, 19:53
Natasha Hähni / ch media
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Es ist vorbei – zumindest für den Moment. Donald Trump stand wegen der Vertuschung von Schweigegeldzahlungen an Pornodarstellerin Stormy Daniels wochenlang vor Gericht. Am Donnerstag haben die Geschworenen nach fast zehn Stunden Besprechung ein Urteil abgegeben: Donald Trump wurde darin in allen 34 Anklagepunkten für schuldig befunden. Wie er dafür bestraft wird, verkündet der Richter am 11. Juli.

epa11380751 Former US President Donald Trump returns to Trump Tower after a jury found him guilty on all 34 counts in his criminal trial in New York State Supreme Court in New York, New York, USA, 30  ...
Donald Trump wurde in 34 Anklagepunkten schuldig gesprochen.Bild: keystone

Könnte es sein, dass der Ex-Präsident ins Gefängnis muss?
Claudia Brühwiler:
Theoretisch könnte er bis zu vier Jahre im Gefängnis landen. Das ist aber unwahrscheinlich. Viele Juristen gehen davon aus, dass Trump nicht zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wird, weil er eigentlich noch völlig unbescholten ist. Er hat noch keine Vorstrafen, die hier ins Gewicht fallen könnten. Ausserdem wird er in Berufung gehen, was das Ganze ohnehin verzögern wird.

Claudia Franziska Brühwiler
US-Expertin Claudia Franziska Brühwiler ist gemäss Angaben der Universität die meistgesuchte Forschende der HSG.Bild: zvg

Gibt es ein Szenario, in dem Trump nicht mehr Präsident sein dürfte?
Nein. Würde er gewählt werden, könnte man umgehend ein Amtsenthebungsverfahren eröffnen. Das ist jedoch sehr unwahrscheinlich. Manche reden davon, dass man sich im Falle einer Haftstrafe auf den 25. Zusatzartikel der Verfassung stützen würde, um ihn durch seinen Vize-Präsidenten oder seine Vize-Präsidentin zu ersetzen. Die Person und eine Mehrheit des Kabinetts würden dem aber auch zustimmen müssen. Das sind im Moment aber noch alles Gedankenspiele.
Tatsache ist, dass man auch als verurteilter Straftäter Präsident werden kann. Selbst eine Gefängnisstrafe disqualifiziert einen dabei nicht. Letztlich können nur die Wählerinnen und Wähler darüber urteilen, was ihn disqualifizieren würde.

Es wäre also möglich, dass Donald Trump aus dem Gefängnis heraus regieren könnte?
Rein theoretisch, ja. Das wäre aber allein wegen der Sicherheitsfrage sehr teuer. Es wird aber auch schon darüber geredet, dass Präsident Joe Biden ihn – in den bundesrechtlichen Strafbelangen – noch begnadigen könnte. Das hätte aber keinen Einfluss auf das Urteil im New Yorker Verfahren.

epa11380799 A former US President Donald Trump supporter stands in front of Trump?s Mar-a-Lago property after the guilty verdict in West Palm Beach, Florida, USA, 30 May 2024. Trump was found guilty o ...
Trotz des Urteils kann Trump weiter auf die Unterstützung seiner Anhänger zählen.Bild: keystone

Wird Biden das tun?
Er wird sich das wohl noch nicht wirklich überlegt haben. Für den Fall, dass Trump zum Präsident gewählt wird, könnte es aber eine Art Anerkennung dafür sein, dass viele Menschen Trump als Präsident wollten und man ihm doch deshalb ermöglichen sollte, sein Amt vernünftig zu führen.
Es gibt viele mögliche Szenarien. Alle sind aber noch unbekanntes Territorium und im Moment auch noch rein spekulativ. Das Einzige, was wir jetzt wissen ist, er ist verurteilt.

Das Biden-Team sagte nach der Urteilsverkündung, der einzige Weg, Trump zu stoppen, sei an der Urne. Kann man abschätzen, wie stark ihm das Urteil schaden wird?
Bisher haben Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer die Frage «Was wäre, wenn ...» beantwortet. Jetzt ist der Fall eingetreten. Tatsächlich sagten 17 Prozent der Republikaner, dass ein Urteil ihre Wahl für Donald Trump zumindest weniger wahrscheinlich machen würde.
Alle rechnen mit einem sehr knappen Ausgang bei den Wahlen. Jeder Wähler, der ursprünglich sagte, er würde für Trump wählen, und dies jetzt nicht tut, wird also potenziell einen Einfluss haben – vor allem in den ausschlaggebenden Swing States.
Ich glaube nicht, dass das Urteil ihm jetzt sehr geholfen hat. Die, die ihn sowieso wählen, werden dies auch jetzt noch tun. Vielleicht hat es ihm bei den anderen kurzfristig geschadet. Die Leute sind da sehr wankelmütig, und wir haben ja auch nach dem 6. Januar 2021 gesehen, dass die Ablehnung von ihm als Person enorm war. Man meinte eigentlich, er sei politisch erledigt. Aber auch das haben die Leute wieder vergessen.
Am Ende des Tages orientieren sich die Wählerinnen und Wähler vor allem an Themen wie beispielsweise der Inflation. Hinzu kommt, dass dieser Fall gerade nichts mit dem 6. Januar oder mit der Aufbewahrung von Geheimdokumenten zu tun hat, sodass er dann eben doch nicht so stark ins Gewicht fällt. Viele verstehen auch nicht so recht, um was es eigentlich geht – ausser, dass er eine Affäre hatte. Und das ist den meisten egal.

epaselect epa11380618 An Anti-Trump protester reacts outside the courthouse after former US President Donald Trump was found guilty during his criminal trial at New York State Supreme Court in New Yor ...
Das Urteil ist historisch. Noch nie wurde ein ehemaliger Präsident in einem Strafverfahren verurteilt.Bild: keystone

Das Wahlkampfteam der Demokraten kann also Nutzen aus dem Urteil ziehen.
Sie werden einerseits versuchen müssen, das Urteil nicht zu politisieren und festzuhalten, dass es sich dabei nicht um einen politischen, sondern um einen juristischen Entscheid handelt. Den können sie aber doch für politische Zwecke Nutzen, um aufzuzeigen, dass Donald Trump – ein verurteilter Straftäter – nicht für ein politisches Amt geeignet ist.

Trump und seine Anhänger bezeichnen den Fall und das Urteil als politisch motiviert. War dem so?
Die Kritik ist ein Stück weit berechtigt. Der Staatsanwalt, der den Fall vor Gericht brachte, hat mit dem Verfahren ein Wahlversprechen eingelöst. Er sagte in seinem Wahlkampf schon, dass auch Trump nicht über dem Gesetz stehe. Das hat natürlich ein fades «Geschmäckle» hinterlassen und führt dazu, dass man darauf aufbauend auch entsetzt über das Urteil ist.
Hinzu kommt, dass sich die Demokraten in diesem Zusammenhang nicht wirklich geschickt verhalten haben. Sie haben das Verfahren auch ein Stück weit politisiert und der Kritik so noch mehr Auftrieb verliehen. Dazu zählt zum Beispiel der bizarre Auftritt von Robert De Niro vor dem Gerichtssaal, der durch das Biden-Wahlkampfteam organisiert wurde.

Auch die Geschworenen wurden kritisiert. Waren sie unabhängig?
Die Geschworenen werden sehr vorsichtig ausgewählt. Die Verteidigung kann Leute im Auswahlverfahren auch ablehnen. Das Gremium wurde so unabhängig zusammengestellt, wie es nur geht. Es ist aber auch klar, dass wohl jede Person schon Gedanken zu Trump hatte.

New York ist nicht Trumps einziger Fall. Wie steht es um die anderen Gerichtsverfahren?
Das ist alles sehr unsicher. Bei allen gibt es Verzögerungen. Wir haben keine Anhaltspunkte, wann was entschieden wird. Vor den Wahlen rechnet man eher weniger mit weiteren Urteilen, wobei sich der Supreme Court wohl bald zu Trumps Immunität äusser äussern werden muss.

Wie geht es für das Team von Donald Trump weiter?
Sie haben bereits ihre ersten Spendenaufrufe rausgelassen. Donald Trump bezeichnet sich wegen des Urteils als politischer Gefangener. Sein Team wird sicher versuchen, das meiste aus diesem Entscheid herauszuschlagen – also alles so wie gehabt.
Gleichzeitig werden sie sich nun für den Berufungsprozess rüsten müssen. Wie lang der geht, weiss ich nicht. Entschieden wird das aber sicher nicht vor den Wahlen. (aargauerzeitung.ch)

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103 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Maurmer
31.05.2024 16:58registriert Juni 2021
"Donald Trump stand wegen Schweigegeldzahlungen an Pornodarstellerin Stormy Daniels wochenlang vor Gericht."

NEIN, er stand nicht wegen der Schweigegeldzahlung vor Gericht sondern wegen der "Finanzierung dieser Zahlungen und Verschleierung derselben" Insbesondere geht es um Wahlkampagnengelder und Fälschung von Geschäftsunterlagen.

Die Zahlung von Schweigegeld selbst wurde nie bestritten und ist vollumfänglich legal
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John Galt
31.05.2024 16:49registriert November 2014
Politisch motiviert?
Sein Anwalt (Cohen) musste, unter anderem, wegen den gefälschten Geschäftsunterlagen für die Schweigegeldzahlungen ins Gefängnis. Es macht Sinn, dass sein Chef und Auftraggeber ebenfalls bestraft wird.
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Don't look up!
31.05.2024 16:44registriert Juni 2021
"der bizarre Auftritt von Robert De Niro vor dem Gerichtssaal, der durch das Biden-Wahlkampfteam organisiert wurde"

Gibt es da Belege dafür?

Ich glaube eher, dass Robert de Niro sich verpflichtet fühlt, den Mund aufzumachen.

Und ehrlich gesagt: ich finde das höchste Zeit.
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    Warum Donald Trump zurückkrebst
    Der Deal mit Grossbritannien ist ein erstes Schwächezeichen.

    Im Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt ist es ein bisschen so wie beim Mikado: Wer sich zuerst bewegt, hat verloren. Obwohl selbstverständlich mit Superlativen angekündigt, ist der Deal, den der US-Präsident mit dem Vereinigten Königreich abgeschlossen hat, ein Zeichen dafür, dass sich Trump zum ersten Mal bewegt hat. Oder, wie das «Wall Street Journal» kommentiert:

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