Der Rechtspopulist Matteo Salvini hat zusammen mit den beiden anderen Populisten der italienischen Politik, den Ex-Premiers Berlusconi und Giuseppe Conte, Mario Draghi gestürzt. Das Kalkül des 49-jährigen Lega-Chefs: Ohne Regierungsverantwortung kann er nun nach Herzenslust Wahlkampf betreiben.
Er hofft, auf diese Weise den stetig wachsenden Rückstand auf seine Rivalin Giorgia Meloni zu verringern und sie schliesslich noch zu überflügeln. «Die Lega wird siegen», verkündet Salvini vollmundig. Bisher ein reiner Bluff: Der Sturz Draghis hat ihm und seiner Partei nur geschadet - die Lega verliert weiter an Zustimmung.
Silvio Berlusconi, vierfacher früherer Regierungschef und vorbestraft wegen Steuerbetrugs, hätte eigentlich dieses Jahr Staatspräsident werden wollen. Der Traum des 85-jährigen Mailänder Multimilliardärs platzte. Jetzt möchte er wenigstens Präsident des Senats werden, für den er kandidiert. Das Amt sei ihm von Salvini und Meloni versprochen worden im Gegenzug dazu, dass er mithilft, Draghi abzuservieren.
So pfeifen es zumindest die Römer Spatzen von den Dächern. Wegen dem Deal laufen ihm nun alle halbwegs vernünftigen Mitglieder seiner Forza Italia-Partei davon, die mit der Entmachtung Draghis nicht einverstanden waren. Macht nichts: Hauptsache Präsident.
Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia, hat derzeit die besten Karten, Nachfolgerin von Mario Draghi als Regierungschef zu werden. Einen wichtigen Etappensieg auf dem Weg in den Regierungspalazzo Chigi hat die 45-jährige Römerin bereits errungen. Sie konnte ihre beiden Alliierten, Lega-Chef Salvini und Silvio Berlusconi, auf die Zusage festnageln, dass eine alte Regel der Rechtsallianz auch diesmal gilt: Wer bei den Wahlen die meisten Stimmen macht, schlägt Staatspräsident Sergio Mattarella danach den Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten vor. Oder eben die Kandidatin.
Am Ziel ist Meloni damit noch nicht. «Pass auf, Salvini und Berlusconi werden dich noch hereinlegen», prophezeit ihr der mit allen Wassern gewaschene Christdemokrat und Ex-Justizminister Clemente Mastella. Und selbst wenn sie ihre beiden Verbündeten in Schach halten wird - da wäre ja immer noch Mattarella. Dieser wird wohl nichts unversucht lassen, um zu verhindern, dass hundert Jahre nach der Machtergreifung des faschistischen Diktators Benito Mussolini eine Postfaschistin in den Palazzo Chigi einzieht. Der Weg ist also noch lang. Aber Meloni gilt als «tosta» - als knallhart und entschlossen.
Giuseppe Conte, ehemaliger Regierungschef und heute Anführer der Fünf Sterne-Bewegung, spielt in dem Wahlkampf die Rolle, die dem 57-jährigen Spezialisten für Zivilrecht auf den Leib geschneidert scheint: jene des Konkursverwalters. Und zwar der von ihm angeführten Protestbewegung.
Vor fünf Jahren mit 32 Prozent noch stärkste Partei geworden, dürften die Fünf Sterne bei den Wahlen in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken. Sie haben es sich mit allen verscherzt: mit den Wählern, aber auch mit möglichen Bündnispartnern. Die Sozialdemokraten, die Conte mit seiner Vorreiterrolle beim Sturz Draghis erzürnt hat, werden den geplanten Wahlpakt mit den Fünf Sternen wohl platzen lassen.
Enrico Letta, von 2013 bis 2014 Premier und dann gestürzt von seinem damaligen Parteifreund Matteo Renzi, hätte allen Grund zur Zufriedenheit. Der von ihm geführte Partito Democratico (PD) liegt mit 23 Prozent gleichauf mit Melonis Fratelli d'Italia an der Spitze der Umfragen. Der Egomane Renzi kommt mit seiner Mini-Partei auf zehnmal weniger.
Die Umfragewerte nützen dem 55-jährigen Letta aber wenig. Denn wegen des Wahlsystems braucht er Verbündete. Zum Beispiel Renzi. Oder die unzuverlässigen Fünf Sterne. Oder die extreme Linke. Oder die Mitte. Oder am besten alle zusammen. Letta brütet Tag und Nacht über mögliche Konstellationen. Viel Zeit hat er nicht mehr.