Sein Urteil lautet lebenslänglich, dennoch könnte Josef Fritzl bald auf freien Fuss kommen. Ein Senat aus drei Richtern werde aus Anlass eines Gutachtens in den nächsten Wochen darüber entscheiden, liess der Sprecher des Landgerichts Krems, Ferdinand Schuster, am Dienstag verlauten. Es geht darum, ob der als «Monster von Amstetten» bekannte Josef Fritzl vom Massnahmenvollzug in den einfacheren Normalvollzug wechseln darf oder ob er unter Auflagen entlassen wird.
Seit 2009 sitzt der jetzt 88-jährige Fritzl in der Justizvollzugsanstalt Krems-Stein für zurechnungsfähige, geistig abnorme Rechtsbrecher. Gemäss dem österreichischen Strafrecht haben Strafgefangene trotz verhängter lebenslanger Freiheitsstrafe Anrecht auf eine bedingte Entlassung.
Im österreichischen Strafgesetzbesuch heisst es:
Diese 15 Jahre hat Fritzl nun abgesessen.
Zudem könnte Fritzl von einer 2023 vorgenommenen Änderung der Gesetzeslage profitieren. Wie der Sprecher des Landgerichts am Dienstag weiter erklärte, sei es nun schwerer, in den Massnahmenvollzug, in dem die Häftlinge therapiert werden, eingewiesen zu werden. Gleichzeitig sei es leichter geworden, aus dieser Art von Haft wieder herauszukommen. Die Entscheidung des Senats werde den Beteiligten zu gegebener Zeit schriftlich zugestellt. Aktuell stehe noch die Stellungnahme der Staatsanwaltschaft aus, hiess es.
Fritzl könnte nach 15 Jahren Freiheitsentzug wieder freikommen. Diesen Luxus hatte seine Tochter Elisabeth nicht. Sie hielt er während 24 Jahren im Keller fest, wo er sie tausendfach vergewaltige und sieben Kinder mit ihr zeugte – wovon eines nur wenige Tage nach der Geburt aufgrund von unterlassener Hilfe starb.
Während zwei Jahren bereitete Fritzl den knapp 60 Quadratmeter grossen Keller vor, der das Gefängnis von Elisabeth und ihren sechs Kindern werden sollte. 1984, als sie 18 war, betäubte und schleppte er sie in den Keller. Seinem Umfeld erzählte er, sie hätte sich einer Sekte angeschlossen. Um die Lüge noch glaubhafter zu machen, liess er sie einen Brief schreiben, in dem sie bat, nicht nach ihr zu suchen.
Als im Laufe der Jahre plötzlich drei Kinder vor der Haustüre der Fritzls landeten, machte Josef Fritzl seiner Ehefrau weis, dass Tochter Elisabeth diese weggegeben habe. Während diese fortan von der Grossmutter und dem Grossvater/Vater erzogen wurden, mussten die anderen Kinder weiter im Keller bleiben.
Fritzls ganzes Lügenkonstrukt fiel zusammen, als er beschloss, seine älteste inzestuös gezeugte Tochter am 19. April 2008 ins Spital einzuliefern. Der bis anhin im Keller lebenden 19-Jährigen ging es so schlecht, dass sie nicht mehr ansprechbar war. Der betreuende Arzt erklärte Josef Fritzl, dass er dringend mit der Mutter der jungen Frau sprechen müsse, um deren Krankengeschichte zu erfahren. Da tischte Fritzl auch dem Arzt die Sekten-Lüge auf, worauf die Polizei informiert und eine grosse Suche nach Elisabeth gestartet wurde. Als Elisabeth sich selbst im Fernsehen wiedererkannte, flehte sie ihren Vater an, sie bitte ins Spital zu bringen. Dieser stimmte zu und erklärte der Öffentlichkeit daraufhin, dass die Tochter und ihre restlichen zwei Kinder aus dem Exil zurückgekehrt seien.
Fritzl brachte Elisabeth ins Spital, wo sie mit dem betreuenden Arzt sprach. Als kurz nach ihrem Gespräch bei der Polizei ein Hinweis eingegangen war, wurde sie für eine Vernehmung aufgegriffen. Auf das Versprechen hin, dass es zu keinem Kontakt mit Fritzl mehr kommen könne, legte Elisabeth eine umfassende Aussage ab.
Fritzl wurde festgenommen, angeklagt und am 19. März 2009 in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen.
Es war Doktor Adelheid Kastner, eine forensische Psychologin, die Fritzl nach seiner Festnahme 2008 ausführlich befragte. Sechsmal habe sie alleine mit ihm gesprochen, bevor sie das Gutachten für den Gerichtsprozess erstellt habe, erzählte sie 2009 gegenüber The Guardian.
Josel Fritzl habe immer gewusst, dass er eine böse Seite habe, erzählte Kastner über ihre Gespräche mit ihm.
Tatsächlich habe Josef Fritzl während dieser ganzen Zeit nie die Kontrolle verloren, sagt Kastner. Er sei sehr berechnend vorgegangen und habe immer alles bis in kleinste Detail geplant. Dies habe darauf hingedeutet, dass er nicht psychisch krank sei. In ihrem Gutachten kam sie deshalb zum Schluss, dass er zurechnungsfähig genug sei, um vor Gericht zu stehen.
Stress habe Josef Fritzl während seines Doppellebens wohl keinen verspürt. Er habe die Fähigkeit besessen, Dinge zu verdrängen. So habe er ihr gesagt:
Ein grösseres Problem sei sein Alter gewesen. Es sei für ihn – wohl rein logistisch – zunehmend schwieriger geworden, das Doppelleben aufrechtzuerhalten. Deshalb hatte er die Freilassung seiner Tochter und den gemeinsamen Kindern in unbestimmter Zukunft ins Auge gefasst. Mit der Erkrankung seiner 19-jährigen Tochter allerdings entglitt ihm die Kontrolle und er wurde zu einem schnelleren Handeln gezwungen.
Er habe nie in Erwägung gezogen, seine Tochter sterben zu lassen, erklärte Fritzl gegenüber der Psychiaterin, welche ihm das glaubt. Dem Guardian erklärte sie:
Auch das neue Gutachten, 15 Jahre später, hat Adelheid Kastner verfasst. In Auftrag gegeben wurde es von Fritzls Anwältin Astrid Wagner, um damit vor Gericht eine Verlegung in den Normalvollzug oder eine bedingte Entlassung zu beantragen.
Ausgeschlossen ist dies nicht, denn im Gutachten stuft Kastner Fritzl nicht mehr als gefährlich ein. Er sei körperlich in einer zu schlechten Verfassung und könne sich nur noch mit einem Rollator fortbewegen. Zudem leide er unter schwerer Demenz. Dadurch sei «ein planvolles Handeln und in der Folge keine strafbaren Handlungen mehr von ihm zu erwarten», schrieb das österreichische Blatt Krone über das Gutachten.
Astrid Wagner, die Fritzl seit 2022 zur Seite steht, ist «fest davon überzeugt», dass er seine Taten mittlerweile bereuen würde. Dem Gerichtsentscheid blickt sie mit Optimismus entgegen. Gegenüber der Krone sagt sie:
Kastner bezweifelt, dass Fritzl seine Taten bereut. Dennoch sieht sie keinen Grund mehr, ihn in einer Abteilung für sehr gefährliche Täter zu halten.
Im vergangenen Jahr äusserte sich Josef Fritzl gegenüber dem englischen Blatt The Sun unter anderem über sein tägliches Frühstück und seine Zukunftspläne. In einer Erklärung, die über seine Anwältin herausgegeben wurde, schrieb er:
Der demente Josef Fritzl hielt sich gemäss seinen Aussagen gegenüber The Sun für äusserst gesund:
Sein Plan sei es, 130 zu werden. Zudem würde er sich gern wieder mit seiner Ehefrau versöhnen, die sich nach dem Aufdecken seiner Taten von ihm hat scheiden lassen. Über seine Familie schrieb er:
Auch wenn Fritzl auf freien Fuss kommen sollte: So weit wird es nie kommen. Elisabeth und ihre erwachsenen Kinder leben unter neuer Identität an einem unbekannten Ort.