Dem Super-Kampfjet FCAS droht das Aus
FCAS: Diese vier Buchstaben stehen für eine starke Idee, nämlich die europäische Einheit und Kooperation in militärischen Belangen – und das gerade jetzt, da mysteriöse Drohnen den Luftraum mehrerer EU- und Natostaaten verletzen.
Das «Future Combat Air System» wird von den beiden europäischen Kernnationen Deutschland und Frankreich seit 2017 geplant und von Spanien sekundiert. Kostenpunkt: Mindestens 100 Milliarden Euro. Der FCAS umfasst einen bemannten Kampfjet der sechsten Generation sowie ein Drohnen-Geschwader zur Aufklärung, alles digital vernetzt und KI-abgestimmt. Nicht einmal der amerikanische Tarnkappenjet F-35 (fünfte Generation) könnte da noch mithalten, wie sich die FCAS-Ingenieure nach Abschluss der Planungsphase 1B freuten.
Zur Phase 2 wird es aber «wahrscheinlich» gar nie kommen, wie nun die Pariser Onlineplattform zone-militaire schreibt. Der französische Partner Dassault ziert sich. Sein Vorsteher Eric Trappier stellt eine neue Bedingung – ihm zufolge eine «Kleinigkeit»: Der erfolgreiche Mirage- und Rafale-Bauer beansprucht die operative FCAS Führung zu «80 Prozent» für sich.
Verzögerung um Verzögerung
Trappiers Forderung brachte latente Spannungen und Rivalitäten zum Ausbruch. Sie reichen von der Chefetage bis an Basis: Der deutsche Betriebsratsvorsitzende von Airbus Defence and Space, Thomas Pretzl, wirft Dassault vor, seine ständigen Einwände hätten das ursprünglich für 2030 geplante Megaprojekt FCAS schon bis 2040 verzögert; dann aber hätten die heutigen Kampfjets Rafale und Eurofighter ihre Lebensdauer überschritten. Pretzl erklärte gegenüber dem Handelsblatt unumwunden, der FCAS komme wohl «ohne Dassault». In Europa gebe es «geeignetere» Partner als Dassault.
Die schwedische Saab mit ihrem Gripen-Jet kommt aber laut dem deutschen Verteidigungsminister Boris Pistorius nicht in Frage. Bliebe das britische geführte Gegenprojekt zum FCAS, das «Global Combat Air Programme» (GCAP), das auf einem ähnlichen Geschwaderkonzept aufbaut. Da es schon weiter fortgeschritten ist, müsste sich Deutschland hintanstellen. Damit hätte es weniger Mitspracherechte.
Französische Offiziere und Dassault-Ingenieure schreiben in Insider-Foren voller Sarkasmus: «Auf, deutsche Freunde, geht doch zu den Briten! GCAP wartet auf euch. Eure Illusion wird gewaltig sein. Ausserdem werdet ihr euch Onkel Sam unterwerfen müssen.» Letzteres ist eine Anspielung auf die heutige Abhängigkeit Grossbritanniens von der führenden amerikanischen F35-Software.
Prestigeprojekt mit hohem Symbolgehalt
Dassault-Chef Trappier erklärte vor einer Woche bei einer Anhörung im französischen Parlament, Europa brauche ein «souveränes» Tarnkappen-Projekt ohne US-Kontrolle. In Deutschland fragt man sich allerdings, ob Dassault überhaupt noch interessiert ist, gemeinsam ein Kampfflugzeug zu entwickeln. 1985 war das französische Unternehmen bereits aus dem Eurofighter-Projekt ausgestiegen, um mit dem Rafale den Alleingang zu wagen. Beide europäischen Jets verkaufen sich gut, derzeit in jeweils rund zehn Länder.
Der FCAS ist aber mehr: Dieses Prestigeprojekt hat einen hohen Symbolgehalt, es verkörpert die europäische Antwort auf die russische Bedrohung – und auf den US-Rückzug aus Europa.
Die politischen Spannungen zwischen den deutschen Airbus- und den französischen Dassault-Ingenieuren haben auch technische Gründe. Dassault will, ja muss seine Kampfjets auf den französischen Flugzeugträger Charles-de-Gaulle einpassen. Sie müssen daher leichter sein – und auch kleiner, um in die Aufzüge zu passen. Das deutsche Pflichtenheft sieht dagegen grössere Tarnkappenmodelle vor, die viele und auch schwere Raketen versteckt transportieren können.
Solche Differenzen sollten sich aber bereinigen lassen. Dass Dassault 1985 aus dem Eurofighter ausgestiegen war, hatte seinen Grund bereits in seiner Untauglichkeit für den französischen Flugzeugträger. Der Charles-de-Gaulle soll aber irgendwann nach 2030 abgetakelt werden, sodass es eigentlich möglich sein sollte, in seinem Nachfolger etwas grössere Aufzüge zu planen.
Dass sich Deutsche und Franzosen aber wegen solcher «Kleinigkeiten», wie Trappier sagen würde, in die Wolle kriegen, verheisst nichts Gutes. Der französische Airbus-Konzernchef Guillaume Faury plädiert deshalb für eine Fusion der zwei europäischen Jets. Auf dem Papier eine bestechende Lösung gerade wegen seiner Symbolwirkung: Beteiligt wären von FCAS-Seite Airbus, Dassault, Indra (Spanien) und von GCAP-Seite BAE Systems (Grossbritannien), Leonardo (Italien) und Japan AIE.
Viele zweifeln aber, ob sich Deutsche und Franzosen mit den amerikanisch ausgerichteten Briten zusammenraufen könnten, wenn sie zu zweit nicht einmal den FCAS auf die Reihe kriegen.
Der deutsche Kanzler Friedrich Merz verlangt von seinem Gegenüber Emmanuel Macron bis Ende Jahr einen Entscheid. Kann der französische Präsident die stolze Dassault an den Projekttisch zwingen? Skeptiker meinen, es sei schon zu viel Geschirr zerschlagen für ein so komplexes, neuartiges und unglaublich teures Vorhaben. Europas starker Auftritt am Militärhimmel muss noch etwas warten. (aargauerzeitung.ch)