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Putin Trump: Wie soll der Westen auf die Psychospiele Russlands reagieren?

epaselect epa12079617 Russian military jets fly over the Kremlin during the Victory Day military parade general rehearsal in Moscow, Russia, 07 May 2025. Russia is preparing to mark the 80th anniversa ...
Russische Jets fliegen am 7. Mai 2025 über den Kreml. Mittlerweile verletzten sie auch immer wieder den europäischen Luftraum.Bild: keystone

Russen-Jets abschiessen? Putins Psychospiele stürzen Europa ins Dilemma

Der US-Präsident Donald Trump gibt den Takt vor und sagt, er würde russische Kampfflugzeuge abschiessen, wenn sie weiter den Nato-Luftraum in Europa verletzen. Die Äusserung ist heikel - und womöglich ganz in Putins Sinn.
27.09.2025, 08:4827.09.2025, 08:48
Remo Hess, Brüssel / ch media

Donald Trumps Antwort kam wie aus der Pistole geschossen: «Ja, das bin ich», sagte er diese Woche auf die Frage einer Journalistin, ob er der Meinung sei, dass man russische Kampfflugzeuge abschiessen sollte. Anlass war das Eindringen von drei russischen MiG-31 Kampfjets in das Hoheitsgebiet des baltischen Nato-Mitglieds Estland wenige Tage zuvor.

Die klare Positionierung sorgt in Europa für Aufsehen – und teils Genugtuung. Endlich spricht Trump einmal Klartext gegenüber Russlands Machthaber Wladimir Putin, dem er lange so vieles durchgehen liess. Bis hierhin und nicht weiter.

Doch auf den zweiten Blick könnte Trump der Nato einen Bärendienst erwiesen haben. Denn ein öffentliches Versprechen, beim nächsten Mal schiessen wir euch ab, wird schnell zur Falle. Putin, ganz der Zyniker, der er ist, könnte es nämlich als Einladung verstehen: Nehmen wir den US-Präsidenten doch beim Wort.

Dazu muss man wissen: Tatsächlich gibt es keine Rote Linie, wie sie nun von Trump gezogen wurde. In der Realität ist sie viel eher Grau, mit ganz vielen Schattierungen.

Nato unter Zugzwang

Abschiessen oder nicht? Diese Frage stellt sich so pauschal nur in einer Kriegssituation. Was in der aktuellen Lage, also bei Luftraumverletzungen und demonstrativen Provokationen passiert, ist vielmehr das: Nato-Kampfjets steigen in einem sogenannten Alarmstart auf. In Estland waren es italienische F-35-Kampfjets. Sie fliegen bis auf Sichtweite an das russische Flugzeug heran, fordern per Funk Kontakt. Reagiert der Pilot nicht, machen sich die Nato-Flieger zum Beispiel durch Handzeichen bemerkbar. Vielleicht winken sie auch mit den Flügeln und zeigen dem Russen die Raketen, die sie unter ihren Tragflächen tragen. Sie können den feindlichen Jet mit ihrem Zielradar ansteuern, worauf dieser weiss, dass es jetzt ernst gilt. Zuletzt kann der Pilot auch Warnschüsse aus der Bordkanone abgeben.

Will heissen: Es gibt eine ganze Reihe von mehr oder weniger festgelegten Eskalationsstufen und damit etliche Gelegenheiten, einen Abschuss zu vermeiden.

Aber selbst wenn es zum Äussersten kommen sollte, stellt sich die Frage: was dann? Die Russen würden sagen, sie hätten sich nicht im Nato-Luftraum aufgehalten, das Flugzeug habe sich verirrt oder irgendeine andere Ausrede erfinden. Sollte ein Jet abstürzen, würde Moskau die Situation garantiert propagandistisch ausschlachten – oder vielleicht mit der Entsendung von neuen Flugzeugen oder Truppen zur «Sicherung der Absturzstelle» reagieren. Alles ist möglich. Die Nato geriet unter Zugzwang.

Besonders heikel würde es, wenn ein Nato-Mitglied eigenmächtig handeln würde, ausserhalb der von USA gesteuerten Nato-Befehlskette. Polen hat etwa zuletzt angekündigt, notfalls selbst durchzugreifen. Würde sich Washington dann hinter Warschau stellen? Oder würde Trump am Ende sagen: Sorry, nicht mein Problem? Wer weiss das schon bei diesem US-Präsidenten.

Das eigentliche Dilemma der Nato ist es, zwischen Abschreckung und Deeskalation navigieren zu müssen. Strategische Ambiguität ist dabei Teil ihrer Stärke. Entschlossenheit zeigen – ohne sich festzulegen. Wer öffentlich ankündigt, was er beim nächsten Mal tun wird, verliert dagegen seinen Handlungsspielraum. Man gibt die Kontrolle über die Eskalation unnötig aus der Hand. Und genau das wäre in Putins Sinn.

Das Perfide ist: schon nur die öffentliche Debatte, wie die Nato reagieren soll, spielt Russland in die Karten. Es zeigt die Risse in der Allianz und lässt sie damit schwach aussehen. Schon wieder befinden wir uns mitten in einem von Putins Psychospielen, die der Ex-KGB-Agent seit Jahren mit dem Westen spielt.

Das muss nicht sein. Die Nato ist Russland in allen Belangen hoch aus überlegen. Militärisch bringen die steten Provokationen für Putin gar keinen Nutzen. Zumindest so lange sich die Verteidigungsallianz nicht ins Bockshorn jagen lässt. (aargauerzeitung.ch)

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77 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Raki
27.09.2025 09:03registriert Januar 2024
Einfach abschiessen und dann Denial. Was kann denn Europa/die NATO dafür, dass die russ. Flugzeuge so notorisch unzuverlässig sind, dass sie einfach vom Himmel fallen. Mir scheint, dass sich der Westen viel zuviele Gedanken und Sorgen macht. An diesem Punkt darf sich auch Europa den Tricks und Ausreden ausm Playbook für hybride Kriegsführung bedienen. Wer sich selber nicht an die Regeln hält, der hat auch keinen Anspruch das Einhalten der Regeln seitens seiner Gegner einzufordern wenn es ihm dann dienlich wäre.
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Schlaf
27.09.2025 09:11registriert Oktober 2019
Warum sollte es ein Dilemma sein, feindliche Flieger, über eigenen Territorium abzuschiessen?

Das sollte in solch einer Situation normal sein.
Wie würden die Russen reagieren, wenn ein paar westliche Jets ihre Lufthoheit verletzen??
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Mulumbi
27.09.2025 09:09registriert April 2024
Klar will Putin mittels reflexiver Kontrolle Europa manipulieren und Europa sträubt sich aus Pazifismus und Bequemlichkeit sich angemessen zu wehren. Aber nochmal: Russland schafft "nicht mal" die UA, die NATO erst recht nicht. Mein Appell: Putin versteht nur Stärke, zaudert der Westen weiter, diktiert Putin das Geschehen und das kann nicht in unserem Sinne sein.
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