Mit bebender Stimme berichtet die deutsche Klimaaktivistin Carla Hinrichs in einem kurzen Video, wie ihre Wohnung im Zuge einer Razzia durchsucht wurde.
Die 26-Jährige ist eine der prominentesten Vertreterinnen der «Letzten Generation», also von jenem Klimaschutz-Bündnis, das durch Strassenblockaden oder Gemälde-Attacken Massnahmen gegen die Klimakrise zu erzwingen versucht.
«Um Recht anzuwenden, damit die Welt gerechter wird», brach Carla Hinrichs ihr Jurastudium ab. Seither widmet sie ihr Leben dem Aktivismus – und kam mehrmals mit dem Gesetz in Konflikt. Zuletzt im Mai dieses Jahres, als sie vom Amtsgericht Frankfurt am Main wegen mehrfachen Strassenblockaden zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Der Entscheid schreckte Hinrichs nicht ab. Kurz nach der Urteilsverkündung provozierte sie erneut mit einer Klebeaktion.
Die Wohnungsdurchsuchung aber lässt auch die 26-Jährige nicht kalt. In kurzen Sätzen erzählt sie in einem Video von der Razzia: «Plötzlich steht die Polizei mit schusssicherer Weste vor deiner Tür. Und richtet eine Waffe auf dich.»
Die Bremerin sieht darin einen Einschüchterungsversuch des Staates: «Sie versuchen, mir Angst zu machen, weil wir jeden Tag allen vor Augen führen, dass die Regierung gerade die Verfassung bricht.»
.@carla_hinrichs_ erzählt von der Hausdurchsuchung bei ihr heute Morgen:
— Letzte Generation (@AufstandLastGen) May 24, 2023
„Plötzlich steht ein Polizist mit schusssicherer Weste an deinem Bett und richtet eine Waffe auf dich.“ pic.twitter.com/E7I6xRZfFu
Die Durchsuchung trifft nicht nur Hinrichs' Wohnung, ermittelt wird gegen sieben Personen zwischen 22 und 38 Jahren. Konkret wird ihnen vorgeworfen, Spendengelder in der Höhe von 1,4 Millionen Euro zur Finanzierung von Straftaten für die «Letzte Generation» erhoben zu haben. Gesamthaft haben 170 Polizisten 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern durchsucht. Das Ermittlungsverfahren ist vom bayerischen Landeskriminalamt eingeleitet worden – zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus.
🤔 Haben wir ein Urteil verpasst?
— Letzte Generation (@AufstandLastGen) May 24, 2023
Das hier versucht die Staatsanwaltschaft München, bei Besuch unserer Website anzeigen zu lassen.
Eher wird mit der „Zentralstelle für Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus“ gegen friedlichen Protest gearbeitet, als gegen den Klimakollaps. pic.twitter.com/qDwk9xIPGf
Zur Bekämpfung von Terrorismus?
«Scherzhafte» Übernamen wie «Klimaterroristen» oder etwa die Bezeichnung «Klimakommunisten», wie die NZZ kürzlich titelte und es direkt in den Wortschatz der SVP konvertiert ist, überraschen nicht. Doch eine bundesweite Razzia bei der KlimaJugend zur Bekämpfung von Terrorismus?
Das ist nicht die einzige Absurdität dieser Geschichte. Im Zuge der Durchsuchung ist die Webseite der «Letzten Generation» gesperrt worden – mit der Begründung, das Bündnis stelle eine «kriminelle Vereinigung» dar. Dieser Vermerk ist mittlerweile entfernt worden – aufgrund einer Vorverurteilung.
Ein Sprecher räumt den Fehler gegenüber dem BR ein: Korrekt hätte es heissen müssen, dass der Verdacht bestehe, dass die «Letzte Generation» eine kriminelle Vereinigung darstelle.
Kritik kommt vor allem aus dem linken Lager. «Staatliche Vorverurteilungen – das nennt sich dann politische Justiz», twittert der deutsche Bundesabgeordnete der Linken, Bernd Riexinger. Die Grüne Politikerin Katharina Schulze findet für den Verstoss klare Worte: «Die Ermittlungsbehörden dürfen nicht gleichzeitig Richter sein.»
Grundlage der Warnung war der Durchsuchungsbeschluss des AG München.
— Bayerisches Landeskriminalamt (@LKA_Bayern) May 24, 2023
Die GenStA München hat inzwischen die Änderung des Inhalts veranlasst. pic.twitter.com/8NU2OtbmLV
Der harte Kurs gegen die Klimaaktivistinnen und -aktivisten wird über die Landesgrenzen hinaus diskutiert. In der Schweiz hat sich unter anderem Thierry Burkart, Parteipräsident der FDP, zu den Razzien geäussert. Für ihn ist klar: Klebeaktivismus ist eine Straftat. Wer sich nicht an den zivilen Protest halte, gegen den soll ermittelt werden.
Es wäre wünschenswert, wenn auch in der Schweiz jeweils gegen die Klimakleber ermittelt würde, denn sie handeln ganz einfach kriminell (Nötigung). @FDP_Liberalen https://t.co/Q8W89hHXvM
— Thierry Burkart (@ThierryBurkart) May 24, 2023
Tatsächlich zielt ziviler Ungehorsam darauf, die Grenzen des Gesetzes zu überschreiten, um eine Debatte zu beleben, auf Fehler hinzuweisen, die Politik herauszufordern oder einen Staat zu verbessern. Der Rechtsbruch steht dabei im Vordergrund. Strafen werden bewusst in Kauf genommen. Diese politische Partizipation wird moralisch begründet und Gewalt gegen Menschen wird kategorisch ausgeschlossen.
Ob Klebeaktivismus der richtige Ansatz ist, darüber ist man sich auch in Klimakreisen nicht einig. Fest steht: Gehör verschafft hat sich die «Letzte Generation» sogar bei der UNO, die den Umgang mit den Protestierenden kritisiert. Diese hätten im entscheidenden Moment massgebend dazu beigetragen, die Regierung dazu zu bewegen, viel mehr für den Klimaschutz zu tun, sagt der Sprecher von UNO-Generalsekretär António Guterres, Stephane Dujarric, in New York. Weiter sagt er:
Der Bankdirektor kann am Montag nicht fliegen und am Freitag kommt das Sondereinsatzkommando - kannst du dir nicht ausdenken, ausserhalb von Russland.
Fazit: Wenn die oberen 10'000 davon tangiert sind, wird mit voller Härte durchgegriffen - wenn es den Rest betrifft, gibt man sich in Interviews halt "besorgt" und "fordert Massnahmen"
Aber dieses Verhalten mit auf den Boden oder an Autos kleben, Copperfield like sich die Fingerchen in Kupferröhren stecken etc, damit das Abmachen länger dauert. Das hat nichts, null komma null, mit dem Klima zu tun.
Mich ärgern auch tausend Sachen an der aktuellen Politik - dafür gibt es aber probate Mittel und Wege.
Carla Hinrichs, ex Jura Studentin ... na vielen Dank auch. Genau SIE sollte es besser wissen.