Die USA: The land of the not-so-free speech
Nun hat es auch Jimmy Kimmel erwischt.
Der beliebte US-Comedian warf in seiner Show dem Trump-Lager vor, den Mord an Charlie Kirk politisch auszuschlachten. Dabei liess er sich zu einer kompliziert formulierten und ungeschickten Aussage verleiten. Sie konnte so verstanden werden, dass er den Kirk-Attentäter dem MAGA-Lager zuordne.
Diese Aussagen von Jimmy Kimmel führten zur Absetzung seiner Show
Selbstredend erzürnte die Aussage des erklärten Trump-Gegners viele Amerikaner – darunter auch Brendan Carr.
Carr leitet die Bundesbehörde FCC, die für die Vergabe von TV-Sendelizenzen verantwortlich ist. In einem Interview mit dem konservativen Podcaster Benny Johnson drohte er, TV-Stationen die Lizenz zu entziehen, die Kimmels Material ausstrahlen würden – sollten sie nicht selbst aktiv werden: «Wir können das auf die einfache oder auf die harte Tour machen», sagte Carr. «Diese Unternehmen können Wege finden, ihr Verhalten zu ändern und Massnahmen gegen Kimmel zu ergreifen – oder es wird zusätzliche Arbeit für die FCC geben. Die lizenzierten Stationen müssen endlich begreifen, dass dieser Dreck den Bedürfnissen unserer Gemeinschaft nicht dient», urteilte er.
Carrs Drohung wirkte.
ABC News, eine Disney-Tochter, nimmt die Kimmel-Sendung auf unbestimmte Zeit vom Sender. Nach Stephen Colbert trifft es seit Trumps Amtsantritt im Januar nun bereits den zweiten Comedian mit einem Millionenpublikum. Colberts Show wurde auf CBS ausgestrahlt. CBS gehört Paramount. Paramount wiederum ist auf Trumps Gunst angewiesen, wegen – wie könnte es anders sein – eines Deals.
Brendan Carr hingegen hat nun endgültig Blut geleckt. Am Mittwochabend doppelte er bei Fox-News nach: «Wir von der FCC werden unsere Verpflichtungen gegenüber dem öffentlichen Interesse durchsetzen. Es gibt Rundfunkanbieter, denen das nicht gefällt. Die können ihre Lizenz bei der FCC abgeben. Wir machen in die Richtung nun einige Fortschritte.»
Es sind Sätze, die das Blut in den Adern gefrieren lassen. Sie stehen im krassen Widerspruch zur Idee der Redefreiheit. Brendan Carrs sensibles Gemüt als Kompassnadel für staatlich gelenkte Medien? Eine Horrorvorstellung – und eine gigantische Kompetenzausweitung für Snowflake Carr. Tatsache aber ist: Aktuell wird eine TV-Station nach der anderen auf Linie geprügelt. Und die Senderbosse ziehen angesichts finanzieller Überlegungen devot den Schwanz ein. Eine nasse Zeitung hat mehr Widerstandskraft.
Apropos nasse Zeitung: Ins düstere Bild passt, dass die «Washington Post» kürzlich eine langjährige Kolumnistin feuerte. Karen Attiah und Meinungs-Chef Adam O’Neal waren sich in die Haare geraten. Dieser war im Sommer zum Blatt gestossen, um die neue Leitlinie «persönliche Freiheiten und freie Märkte» umzusetzen, die nach Trumps Wahl von Besitzer Jeff Bezos eingeführt worden waren.
Ins düstere Bild passt auch, dass der Präsident die New York Times über 15 Milliarden verklagt – und ähnliches für das Wall Street Journal plant.
Auch ins düstere Bild passt, dass die US-Regierung den Universitäten vorschreiben will, wie sie zu wirken haben.
Und als jüngstes Beispiel passt ins düstere Bild, dass vor wenigen Tagen eine Studie des Justizdepartements zu rechtsextremer Gewalt von der Regierungs-Homepage entfernt wurde, weil sie die Propaganda-Lügen der Regierung entlarvte.
Wieder einmal wenden Vance und Co. ihre liebste Strategie an. Sie nennt sich AIM und empfiehlt, genau das zu tun, was man dem politischen Gegner vorwirft. Was haben sich Trump und Co. immer wieder bitterlich über eine sogenannte Cancel Culture beklagt. Aktuell tun sie genau das.
Die heutige Situation weckt Erinnerungen an die unrühmliche McCarthy-Ära. Zu dieser Zeit während des Kalten Krieges wurden politische Gegner pauschal als Kommunisten verunglimpft. Wer auf einer der schwarzen Listen landete, wurde vorgeladen und im schlimmsten Fall sogar verurteilt.
Die Parallelen zu heute sind erschreckend. Auch damals wurden beide Kammern von einer republikanischen Übermacht beherrscht. Die rigiden Massnahmen richteten sich vorwiegend gegen eine intellektuelle, wissenschaftliche und kulturelle Elite und waren deshalb in der breiten Bevölkerung nicht unbeliebt. In dieser herrschte wie heute ein Verschwörungsdenken und Intoleranz gegenüber abweichendem Denken und Verhalten.