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Donald Trump – Erpresser ohne Druckmittel

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Donald Trump – Erpresser ohne Druckmittel

Der US-Präsident gibt im Streit um die Mauer an der Grenze zu Mexiko nicht nach. Er hat keine Strategie, um die Haushaltssperre zu beenden. Und die Zeit läuft gegen ihn.
21.01.2019, 14:52
Carsten Luther / Zeit Online
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epa07283432 US President Donald J. Trump speaks about the Russia investigation and the partial government shutdown as he departs the White House to speak to a Farm Convention in New Orleans, in Washin ...
Bild: EPA/EPA
Ein Artikel von
Zeit Online

Donald Trump will mit dem Kopf durch die Wand – oder eher: Der US-Präsident besteht darauf, dass eine Mauer an der Grenze zu Mexiko das beste und einzige Mittel ist, damit möglichst niemand seinen Kopf illegal in die USA stecken kann, Drogen und Terroristen keinen unentdeckten Weg ins Land finden. Die Krise, die er beschwört, gibt es nicht, und die Mauer ist auch nicht die Antwort auf die bestehenden Probleme. Was nicht bedeutet, dass es keine Krise gäbe. Trump hat sie selbst ausgelöst und er ist eigentlich der Einzige, der sie beenden kann. Nach allem, was er in den vergangen Tagen zu sagen hatte und was man sonst noch aus dem Weissen Haus hört, ist allerdings fraglich, ob er dazu derzeit bereit ist. Trump geht diesmal wirklich aufs Ganze.

Die wochenlange Haushaltssperre, die langsam an die Substanz geht, ist die Konsequenz seiner Kompromisslosigkeit: Der Präsident will die Milliarden für seine Mauer um jeden Preis, doch der Kongress wird sie ihm nicht geben. Schon gar nicht unter dem Druck des Shutdowns.

Trump ist offensichtlich unter keinen Umständen gewillt, überparteiliche Angebote anzunehmen, weite Teile des blockierten Haushalts freizugeben, also zu ermöglichen, dass Bedienstete in Regierungsbehörden und Bundesverwaltung nicht länger auf ihren Lohn verzichten müssen – um so Zeit zu gewinnen für eine Lösung im Streit um den richtigen Grenzschutz.

epa07301448 US President Donald J. Trump proposes temporary protections for some undocumented immigrants in return for border wall funding to end the partial government shutdown in the Diplomatic Room ...
Bild: EPA/EPA

Schliesslich ist es nicht so, dass Republikaner oder Demokraten grundsätzlich widersprechen würden, dass dort Investitionen nötig sind. Nur eben nicht in eine Mauer oder Barrikade, die an den meisten sinnvollen Stellen ohnehin schon besteht. Über ein paar Meter mehr hier und da liesse sich sicher diskutieren.

Nutzloses Symbol von Nationalismus und Abschottung

Trump kennt offenbar nur eine Strategie, um seine Forderung durchzusetzen: Erpressung. Dabei agiert der Präsident, als würde ein Stadtwerk bei laufendem Vertrag den Strom abstellen, um den Kunden zum Wechsel in einen neuen Tarif mit schlechteren Konditionen zu zwingen, ohne dass sich die Leistung ändert – nur um mit den Einnahmen neue Leitungen dort zu verlegen, wo niemand wohnt. Mehr noch: Die Lieferung von Gas und Wasser würde gleich mit eingestellt und der Müll bliebe, wo er ist.

Der Kunde, also der amerikanische Bürger, will eine sichere Grenze, keine Frage. Aber Trumps Mauerprojekt überzeugt nur jene, die es nicht als das nutzlose Symbol von Nationalismus und Abschottung durchschauen, das es ist. Der Versorger, die Regierung, stellt derweil die Lieferung ein und die Abnehmer haben das übliche Problem: Sie können den Anbieter nicht von heute auf morgen wechseln.

Mit dem Erpresser zu verhandeln, erscheint zunehmend sinnlos. Es gibt kein einziges Anzeichen dafür, dass Trump in der Mauerfrage nachgeben könnte. Und US-Medien berichten aus dem Weissen Haus: Womöglich hat der Präsident tatsächlich keinen Plan, um den Shutdown zu beenden – er sieht dafür einfach nicht sich in der Verantwortung. Nach aussen will er das Bild eines erbarmungslosen Kämpfers für die Sicherheit des Landes aufrechterhalten, seiner verbohrten America-first-Basis ist Trump das grösste Wahlkampfversprechen schuldig. Jetzt im Streit über die Mauer einzuknicken, liesse ihn als Heuchler und Verlierer dastehen.

Aber Trump muss dämmern, dass die Zeit gegen ihn läuft, wenn er schon daran denkt, den nationalen Notstand auszurufen. Seine Beraterinnen und Berater werden ihm kaum die Umfragen vorenthalten, nach denen die wachsende Mehrheit der Amerikaner ihm und den Republikanern die Schuld am Shutdown gibt (und im Übrigen auch wenig Liebe für die Mauer hat) – kein gutes Vorzeichen für die nächsten Wahlen 2020, auf die schon alle den Blick richten. Der Spalt zwischen Trump und seiner Partei wächst bereits und die Basis bröckelt.

So leiden diese Amerikaner während des Shutdown

Video: srf

Das gibt auch den Demokraten im Moment wenig Anlass, ihren Widerstand gegen die Mauerpläne aufzugeben. Sie haben viel zu verlieren. Jeder Schritt, den sie Trump entgegenkommen, gefährdet ihren eigenen gerade jetzt so wichtigen Zusammenhalt. Und nachdem die Midterms zahlreiche junge, ausgesprochen linke und zugleich populäre Kräfte in den Kongress gebracht haben, ist es darum nicht optimal bestellt. Irgendwann läuft die Zeit auch wieder gegen die Demokraten, denn je länger der Shutdown andauert, desto mehr werden sie unter Druck geraten, etwas zu tun, um ihn zu beenden – sie könnten also zu einem zumindest symbolischen Kompromiss gezwungen sein (der in diesen Tagen aber kaum vorstellbar ist).

Jetzt auf

Vorerst jedoch gehen die Demokraten kein grosses Risiko ein, wenn sie den Einsatz erhöhen. Nancy Pelosi, Trumps starke Gegenspielerin als Sprecherin des Repräsentantenhauses, hat dem Präsidenten beispiellos deutlich gemacht, in welche Lage er sich manövriert hat. Ende Januar hätte Trump vor dem Kongress traditionell die Rede zur Lage der Nation halten sollen und Pelosi hat ihn im Prinzip eiskalt ausgeladen. Sie bat um eine Verschiebung bis nach dem Shutdown, ansonsten könne der Präsident seine Botschaft schriftlich mitteilen. Der gewöhnlich pompöse Auftritt im Kapitol ist tatsächlich nicht zwingend, Trump bräuchte dafür Pelosis Zustimmung und die Verfassung fordert lediglich, dass der Kongress «von Zeit zu Zeit» informiert werden muss.

Nicht bloss ein politisches Spielchen

Das wäre leicht als politisches Spielchen abzutun, böswillig als ebenso unangemessen zu sehen wie Trumps Handeln. Manche Republikaner sehen es so: Der Präsident wird einer Bühne beraubt, die ihm zusteht. Doch einerseits sind Pelosis Argumente valide: Die Sicherheitsvorkehrungen für diese Regierungserklärung vor beiden Kongresskammern wären enorm, während die Ressourcen dafür durch den Shutdown geschwächt sind. Andererseits hat die Demokratin dem Präsidenten vielleicht sogar einen Gefallen getan. Denn die State-of-the-Union-Rede ist oft mehr schöner Schein, als dass sie die Politik inhaltlich weiterbrächte. Sie wäre eine glamouröse Show, während das Land leidet und von seinen Repräsentanten erwartet, dass sie ihren Job machen, und damit nicht die beste Idee. Auch die Abgeordneten und Senatoren sähen dabei nicht gut aus.

Das Signal, das davon ausgeht, ist überdies richtig: Dies ist eine ernste Krise, deren Lösung oberste Priorität haben muss. Wenn die Regierung weitgehend stillsteht, dürfen die Politiker nicht an anderer Stelle so tun, als ginge das gewohnte politische Leben einfach weiter. Der Shutdown, denn dieser ist längst nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein, er ist in Washington viel zu normal geworden. Und die wirtschaftlichen Kosten, mit denen er das Land belastet, können schnell die Mittel übersteigen, die Trump für seine Mauer fordert.

Dieser Artikel wurde zuerst auf Zeit Online veröffentlicht. Watson hat eventuell Überschriften und Zwischenüberschriften verändert. Hier geht’s zum Original.

Die mächtigste Frau Amerikas ist zurück auf dem Thron

Video: srf/SDA SRF
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Amadeus
21.01.2019 15:09registriert September 2015
Der Shutdown in Amerika verdeutlicht die Problematik des Zweiparteiensystems bei dem niemand nachgeben will um nicht als schwach dazustehen. Dazu kommt ein inkompetenter Präsident, der sich nur um seine Basis und um sich selbst kümmert. Wobei er sein Wahlkampfversprechen ja bereits jetzt nicht einhält, da Mexiko offensichtlich nicht für die Mauer zahlt.
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kaderschaufel
21.01.2019 15:10registriert Juni 2015
Ich hoffe einfach sehr, dass es Trump nicht schafft, die Schuld dieses Schlamassels auf die Demokraten und Nancy Pelosi zu übertragen. Er hat es schon mal geschafft, eine demokratische Frau zu verteufeln, und so eine Mehrheit für sich zu gewinnen.
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tooempty
21.01.2019 15:35registriert Februar 2014
Trump ist in diesem Shutdown völlig irrelevant. Die Republikanischen Senatoren könnten den Shutdown jederzeit beenden, wenn sie über den bereits abgesegneten Haushaltsvorschlag des Kongresses abstimmen würden.
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