Am 27. Dezember 1979 marschierten Truppen der damaligen Sowjetunion in Afghanistan ein und begannen einen Krieg, der bis 1988 dauern und mehr als eine Million Menschen das Leben kosten sollte. Ähnlich wie der Vietnamkrieg gilt dieser Krieg in der offiziellen Geschichtsschreibung als kolossale Dummheit und als der Anfang vom Ende der ehemaligen Supermacht UdSSR.
In der Geschichtsschreibung von Donald Trump hingegen tönt es ganz anders. Zur allgemeinen Verblüffung erklärte er kürzlich vor laufenden Kameras: «Der Grund, weshalb die Russen in Afghanistan einmarschierten, lag darin, dass Terroristen nach Russland eindrangen», so der US-Präsident. «Die Russen befanden sich deshalb im Recht.»
Trump redet immer wieder mal wirres Zeug, aber diesmal ging er selbst für seine Fans zu weit. «Wir können uns an keine absurdere historische Aussage eines amerikanischen Präsidenten erinnern», kommentierte das Trump-freundliche «Wall Street Journal». «Die Invasion der Sowjetunion in Afghanistan mit drei Divisionen diente dazu, eine kommunistische Regierung an der Macht zu halten. (…) Mr. Trumps gestörtes Verhältnis zu Geschichte kann daran nichts ändern.»
Afghanistan ist kein Einzelfall in Trumps historischem Absurdistan. Bereits früher hat er erklärt, Montenegro werde einen Dritten Weltkrieg auslösen, obwohl es sehr unwahrscheinlich scheint, dass er den Zwergstaat im Balkan auf einer Weltkarte orten könnte. Ebenso bizarr war seine Warnung, die Polen hegten die Absicht, Truppen in Weissrussland einmarschieren zu lassen.
Trumps Unsinn hat Methode: Die irre Afghanistan-These hat ein Gegenstück in der russischen Duma, wo Putins Partei «Einiges Russland» eine Motion zur nachträglichen Rechtfertigung des unseligen Kriegs in Afghanistan eingebracht hat. Die Warnung vor Montenegro erfolgte just in dem Moment, als das Land zur grossen Verärgerung des Kremls der Nato beitrat; und die angebliche polnische Invasion in Weissrussland war Teil der russischen Propaganda nach der widerrechtlichen Annexion der Krim.
Kein Wunder also, dass die These, wonach Trump eine Marionette Putins sei, erneuten Auftrieb erhalten hat. Zur Erinnerung: Trump hat schon beim denkwürdigen Treffen der beiden Staatsoberhäupter in Helsinki im vergangenen Sommer dem russischen Präsidenten mehr Glauben geschenkt als seinen eigenen Geheimdiensten.
Die Amerikaner haben soeben die Sanktionen gegen den russischen Aluminium-Tycoon und engen Putin-Vertrauten Oleg Deripaska aufgehoben; und schliesslich hat Trump sehr zur Freude des russischen Präsidenten den Abzug aller US-Truppen aus Syrien angekündigt.
Kein Wunder auch, dass die Ermittlungen von Robert Mueller noch keineswegs abgeschlossen sind. Der Sonderermittler hat soeben eine Verlängerung der Grand Jury um sechs Monate beantragt. Es handelt sich dabei um das Gremium, das Vorladungen und Anklagen absegnen muss. Allgemein wird erwartet, dass die Grand Jury bald gewichtige Entscheide zu fällen hat, etwa, dass der Trump Vertraute Roger Stone oder gar Donald Trump jr. angeklagt werden.
Auch die neuen Machtverhältnisse im Kongress wird der Präsident bald schmerzlich zu spüren bekommen. Adam Schiff, der neue Vorsitzende des House Intelligence Committee, wird mit Volldampf die Ermittlungen in der Russlandaffäre vorantreiben. Sein republikanischer Vorgänger Devin Nunes hatte zuvor zwei Jahre lang alles unternommen, um Mueller die Arbeit zu erschweren.
Nicht nur das russische Damoklesschwert hängt über Trump. Insgesamt sind mindestens 17 Verfahren gegen ihn hängig. Verzweifelt versucht Trump, davon abzulenken. Deshalb hat er die Verwaltung seit 16 Tagen teilweise lahmgelegt in der Hoffnung, die angebliche Bedrohung durch kriminelle Immigranten aus Lateinamerika und die Notwendigkeit des Baus einer Mauer zum beherrschenden Thema zu machen.
Das ist ebenso absurd wie die Afghanistan-These. Die Anzahl illegaler Einwanderungen ist seit 2000 drastisch zurückgegangen und bei den vermeintlich gefährlichen Einwanderern handelt es sich überwiegend um Frauen und Kinder.
Das hindert Trump nicht daran zu drohen, den Bau der Mauer mittels Notrecht und Militär zu erzwingen. Das hätte eine sehr gefährliche Staatskrise zur Folge. Bruce Ackermann, Rechtsprofessor an der Yale University, erklärt in der «New York Times» unmissverständlich: «Nicht nur wäre eine solche Aktion illegal, die Soldaten, die diesem Befehl Folge leisten würden, begingen eine Straftat.»