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Nach Treffen mit Selenskyj: Tiefer kann Trump kaum noch fallen

epa11930773 US Vice President JD Vance (R) speaks while attending a meeting between US President Donald Trump (L) and Ukrainian President Volodymyr Zelensky in the Oval Office of the White House in Wa ...
Donald Trump und sein Vize J. D. Vance gaben gemeinsam mit Wolodymyr Selenskyj eine Pressekonferenz am Freitag.Bild: keystone
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Demütigung für Selenskyj: Tiefer kann Trump kaum noch fallen

Nach einer beispiellosen Eskalation zwischen dem US-Präsidenten und seinem ukrainischen Amtskollegen scheint klar: Donald Trump will die Ukraine in einen Diktatfrieden zwingen.
28.02.2025, 21:1828.02.2025, 21:37
Kurt Pelda / ch media
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Zu zweit wollten US-Präsident Donald Trump und sein Vize JD Vance den ukrainischen Staatschef Wolodimir Selenskyj im Weissen Haus zur Schnecke machen. Sie warfen Selenskyj vor laufenden Kameras mangelnden Respekt gegenüber Amerika vor. Selenskyj müsse mehr Dankbarkeit für die amerikanischen Waffenlieferungen zeigen. Trump beschuldigte Selenskyj, das Leben von Millionen von Ukrainern aufs Spiel zu setzen und einen dritten Weltkrieg zu riskieren. Mit einer im Oval Office wohl noch nie dagewesenen Überheblichkeit demütigten die beiden Amerikaner den Ukrainer, der sich – bei all seinen Fehlern – immer mutig für das Überleben seines Lands, seiner Kultur und seiner Sprache eingesetzt hat.

Selenskyj kam kaum zu Wort, er war wohl selber überrascht von der Feindschaft, mit der er konfrontiert wurde. Trump und Vance wollen der Ukraine einen Diktatfrieden aufzwingen und sich zugleich an den Bodenschätzen des Landes bereichern. Tiefer fallen kann man da als Amerikaner kaum noch. Da erstaunt es nicht besonders, dass Selenskyj das von Trump ultimativ geforderte Rohstoffabkommen nicht unterschreiben wollte.

Nach dem fehlgeschlagenen Treffen wiederholte Trump die Vorwürfe via soziale Medien. Selenskyj habe die USA nicht respektiert. Er könne wieder kommen, wenn er bereit sei für Frieden. Trump ist überzeugt, dass die Ukraine militärisch schlecht dastehe und ohne amerikanische Hilfe verloren wäre. Ein Wegfall der US-Waffenlieferungen würde tatsächlich einen schweren Rückschlag für Kiew bedeuten. Dass die Ukraine in diesem Fall ganz schnell zusammenbrechen würde, also innerhalb Wochen, wie das Trump suggerierte, ist eher unwahrscheinlich.

epa11930616 US President Donald Trump (L) greets Ukrainian President Volodymyr Zelensky (R) outside the West Wing of the White House in Washington, DC, USA, 28 February 2025. Zelensky is in Washington ...
Die Begrüssung durch Donald Trump im Weissen Haus fiel frostig aus.Bild: keystone

Zum einen überschätzt Trump in seinen öffentlichen Äusserungen die tatsächlich geleistete Hilfe Amerikas massiv: Im Wortgefecht sprach er erneut von 350 Milliarden Dollar, was deutlich über dem wahren Wert liegt. Und der amerikanische Präsident verkennt in seiner Ignoranz die technische Entwicklung während des Kriegs. Mit den Millionen von kleinen Kampfdrohnen, welche die Ukrainer nun selbst produzieren, haben sie den russischen Vormarsch stark verlangsamt.

Während Trump mit Putin flirtet und faktisch auf eine weitgehende Kapitulation der Ukraine hinarbeitet, geht der Krieg in der Ukraine nämlich in aller Härte weiter. Und im Moment entwickelt sich das Ringen nicht wirklich zu Moskaus Vorteil: In der derzeit grössten und wichtigsten Schlacht – um Pokrowsk im Donbass – haben die Ukrainer die Russen vorerst nicht nur gestoppt, sondern auch einige erfolgreiche Gegenangriffe unternommen. Wegen der ständigen Drohnenangriffe fällt es den Russen schwer, ihre Truppen an vorderster Front zu versorgen. Nachschubfahrzeuge werden teilweise durch Esel und Pferde ersetzt, und was bei Putins Armee in Frontnähe noch vier Räder hat, befindet sich meist in schlechtem Zustand.

Der durchschnittliche Geländegewinn der Russen ist im Februar auf noch knapp sieben Quadratkilometer gesunken – von 24 Quadratkilometern im November. Ausserdem zeigen sich ukrainische Geheimdienstler überzeugt, dass die Moral vieler Russen einerseits wegen der vielen Drohnen angeschlagen ist, anderseits aber auch wegen der Aussichten auf eine Friedenslösung. Warum sollen sie ihr Leben opfern, wenn der Krieg vielleicht doch schon bald aufhört? Die Russen verteidigen schliesslich nicht ihr eigenes Land, sondern bluten und sterben auf fremdem Boden.

Trump warf Selenskyj vor, gegen eine Waffenruhe zu sein. Die Ukraine will einen dauerhaften Frieden, keine kurze Atempause, die Putin benutzen wird, um seine Armee wieder auf Vordermann zu bringen. Seit der russischen Invasion auf der Krim im Jahr 2014 haben die Ukrainer schon genügend Waffenruhen erlebt. Sie sind überzeugt, dass Putin sie jederzeit brechen wird, wenn es ihm nützt. (aargauerzeitung.ch)

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186 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Steibocktschingg
28.02.2025 21:26registriert Januar 2018
Es ist DIE Chance Europas, mal Grösse und Stärke zu zeigen, gebt der Ukraine alles, lasst Trump aussen vor und sorgt dafür, dass die Russenarmee endlich kollabiert und so Putler und sein Lakai im Weissen Haus blossgestellt werden.

Und dann macht weiter, mit Aufrüstung, Aufbau einer Infrastruktur, die unabhängig(er) ist von den USA und China, mit der Vereinigung Europas. JETZT ist die Zeit, zu handeln und nicht zu zögern und an Wählerstimmen und persönliche Profite zu denken. Bewegt euch endlich!
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Jaklar
28.02.2025 21:26registriert September 2015
Ja hasserfüllt trift es gut. Unglaublich was trump und vance da geliefert haben. Putin hätte es nicht besser machen können.
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Knut Knallmann
28.02.2025 21:34registriert Oktober 2015
Jede europäische Regierung welche nach diesem Trauerspiel immer noch nicht verstanden hat, was gerade passiert, ist wohl blind und taub gleichzeitig. Europa muss endlich selber Handlungsfähig werden in der Verteidigung. Leider kostet das, aber hat jemand eine brauchbare Alternative?
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