Die Vogelgrippe wütet aktuell in weiten Teilen der Welt und rafft Vogelpopulationen teilweise regelrecht dahin – so auch in Peru. In Schutzgebieten im südamerikanischen Land sind über 55'000 tote Vögel gefunden worden, darunter auch Pelikane, Pinguine und Tölpel.
Während bekannt ist, dass die Geflügelpest, wie das Virus auch genannt wird, verheerende Schäden in Vogelpopulationen verursachen kann, ist es eine andere Tatsache, die den Expertinnen und Experten aktuell Kopfzerbrechen bereitet: Denn neben den Tausenden Vögeln wurden in Peru bis zum 15. Februar 2022 auch mindestens 634 tote Seelöwen an der Küste angespült.
Ein Team aus peruanischen und argentinischen Forschenden hat nun bestätigt, dass das Massensterben der Tiere ebenfalls auf die Vogelgrippe zurückzuführen ist, wie die spanische Zeitung El País berichtet. Seelöwen sind Säugetiere und damit nicht in der eigentlichen «Zielgruppe», die vom Vogelgrippe-Virus ins Visier genommen wird.
Genau dieser Umstand versetzt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Sorge. An und für sich ist es nichts Neues, dass Säugetiere an der Vogelgrippe erkranken können. In der Vergangenheit wurden Infektionen bei Wildtieren wie Bären, Füchsen oder Mardern nachgewiesen. Der Unterschied ist aber, dass sich diese eine Infektion einhandelten, weil sie infizierte Vögel frassen oder mit deren Kot in Kontakt kamen.
Der aktuelle Fall der peruanischen Robben ist anders. Es wurden teils grosse Gruppen von toten Tieren aufgefunden, deren Kadaver zusammen im Wasser trieben. Der argentinische Biologe Sergio Lambertucci stellt deshalb infrage, dass alle diese Tiere einzeln infiziert wurden: «Es wäre nicht seltsam, wenn einige von ihnen infizierte Vögel gefressen hätten, aber alle?», fragt er in einem Gespräch mit «El País» rhetorisch. Auch Thijs Kuiken, niederländischer Experte für neu auftretende Tierkrankheiten, erachtet es als wahrscheinlich, dass eine direkte Übertragung zwischen den Seelöwen stattgefunden hat.
Bereits in den vergangenen Wochen mehrten sich Berichte, wonach mehr und mehr Säugetiere von einer Virusinfektion betroffen sind. Besonders der Fall einer spanischen Nerzfarm sorgte für Aufsehen – damals kam erstmals der Verdacht auf, dass sich das Vogelgrippevirus weiterentwickelt haben könnte. Der Unterschied zum aktuellen Robben-Fall in Peru ist allerdings, dass nun die Infektionen in freier Wildbahn passierten – wo die Übertragungsbedingungen für ein Virus deutlich weniger günstig sind als bei den in Massentierhaltung gehaltenen Nerzen.
Barbara Wieland, Direktorin des Schweizer Instituts für Immunologie und Virologie, sagte kürzlich gegenüber SRF, dass das Risiko einer Infektion mit der Vogelgrippe für Menschen gering sei. Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte in einer Risikobeurteilung im Januar, dass das Virus grundsätzlich nicht in der Lage sei, sich dauerhaft zwischen Menschen zu übertragen.
Sollte sich aber bewahrheiten, dass der Erreger sich tatsächlich weiterentwickelt hat und die Infektionen der südamerikanischen Seelöwen von einem lebenden Tier zum anderen passiert sind, wäre das besorgniserregend. Experte Kuiken sagt gegenüber«El País»: «Das ist die zweite Massensterblichkeitsepisode, die darauf hindeutet, dass sich das Virus an eine effiziente Übertragung von Säugetier zu Säugetier adaptiert hat. Wenn es bei Nerzen und Seelöwen vorkommen kann, warum sollte es dann nicht auch bei Menschen passieren?»
Für die Theorie der direkten Übertragung spricht womöglich auch ein weiteres Beispiel. Im Dezember meldete die Universität im russischen Dagestan, dass im Kaspischen Meer über 700 tote Robben gefunden wurden. Auch dort wurden Vogelgrippe-Infektionen nachgewiesen und aufgrund der hohen Anzahl der Tiere scheint auch in diesem Fall eine direkte Übertragung zwischen den Robben plausibel. Bestätigt ist diese aber ebenfalls noch nicht.
In Peru versuchen die Behörden derzeit, die Menschen von den toten Tieren fernzuhalten, um zu verhindern, dass der womöglich neue Virenstamm sich in menschlichen Körpern etablieren kann. Allerdings kritisieren verschiedene Wissenschaftler die Reaktion der Behörden als zu zaghaft, sie befürchten, dass früher oder später Menschen mit dem Virus in Kontakt kommen.
Biologe Lambertucci sagt: «Aufgrund der besorgniserregenden Situation wollten wir so schnell wie möglich Alarm schlagen. Es ist der erste Fall von Massensterben bei wildlebenden Säugetieren in Südamerika und könnte weltweit das erste Ereignis einer innerartlichen Übertragung bei wildlebenden Säugetieren sein.» Die Forschenden wollen die Hypothese der direkten Übertragung von Tier zu Tier nun mittels genetischer Tests überprüfen.
Warum erinnert mich das an Januar 2020 ?