In den Listen der uncoolsten Bands der Pop- und Rockmusik besetzt Coldplay meist den Spitzenplatz. Noch vor Nickelback, Limp Bizkit, Maroon 5 und Imagine Dragons. Aber wieso eigentlich?
In vielen Subkulturen des Pop herrscht eine generelle Abneigung gegenüber allem, was populär oder zu populär erscheint. Coldplay hat 80 Millionen Tonträger verkauft und zählt gerade in der Schweiz zu den beliebtesten Bands. Insofern zahlt die Band um Sänger Chris Martin zunächst einfach den Preis für ihren immensen, weltumspannenden Erfolg.
Erschwerend kommt bei Coldplay dazu, dass die Band einst im «hippen» Alternativ-Umfeld mit melancholischen, introspektiven Sounds («Parachutes» und «A Rush of Blood to the Head») begann, sich dann aber mit fröhlich-optimistischem Pop Richtung Massengeschmack entwickelte. Diese Abkehr vom einstigen Sound haben viele Fans der ersten Stunden als Verrat empfunden.
Darüber hinaus entwickelte sich in der Popkultur, vor allem bei Meinungsführern der Musikkritik, eine Art kollektives «Coldplay-Bashing», das völlig übertrieben und überrissen ist. In gewissen Kreisen ist es deshalb bis heute nicht opportun, die Band gut oder sogar cool zu finden. Achtung, Denksperre!
Tatsächlich hat das britische Quartett in den letzten Jahren immer wieder Konzessionen an den Massengeschmack gemacht. Doch bei allen Wendungen hat sie einen Bandsound bewahrt, der sie jederzeit identifizierbar macht. Das ist eine Leistung, die nur ganz wenige Bands schaffen. Und das macht Coldplay zu einer grossen Band.
Doch wie steht es mit dem Uncoolness-Faktor beim neuen Album «Moon Music»? Der beste Song ist «We Pray», der schon Ende August veröffentlicht wurde. Raffinierte orientalische Beats und Streicher-Riffs sind hier prägend, Rapperin Little Simz und Afro-Beat-Superstar Burna Boy verleihen dem Song ungeahnte Hipness. Typisch hymnische Coldplay-Melodien überlagern sich und fliessen wunderbar ineinander. Aber muss dieses Lalala am Ende des Songs sein? Schade für den tollen Song.
Gelungen ist auch das optimistische «I Am» mit einer Klavierfigur, die an ABBA erinnert. Die Melodie hebt sich wohltuend von anderen, eher tranigen Linien ab. Auch «Jupiter» und der Dance-Track «Good Feelings», mit dem anderen Afro-Beat-Star Ayra Starr, sind ganz okay.
Vielversprechend beginnt auch «All My Love». Minimalistisch arrangiert, als hübsche Klavierballade. Doch mit dem Einsatz der Rhythmussektion bei Minute 2:25 überfällt uns auch das nächste, einfältige Lalala und macht alles zunichte. Überhaupt: Bei zehn Songs auf «Moon Music» zählen wir sechs Lalala-Refrains. Sorry Chris, muss das sein?
Und sonst? «Aeterna» ist ein belangloser, monotoner Dancetrack. Der Titelsong «Moon Music», «Rainbow» sowie das finale Stück «One World» schleppen sich dahin, ohne je in die Gänge zu kommen. Sie versinken in Keyboard-Wolken und täuschen Raum vor. Grosse Geste, fehlende Tiefe.
Coldplay geben ihren Verächtern und Kritikern auf ihrem zehnten Album «Moon Music» wieder reichlich Nahrung. Doch mit fehlender Coolness hat das nichts zu tun. «Moon Music» genügt einfach den qualitativen Ansprüchen nicht, die man an eine grosse Band wie Coldplay stellen darf.
Coldplay: Moon Music (Warner)
(aargauerzeitung.ch)
Meinen Musikgeschmack triffts gar nicht, aber dieser ist auch nicht massenkompatibel und viele werden bei meinen Vorlieben die Nase rümpfen. Zum Glück haben wir die Wahl, das zu hören, was gefällt und um die Eingangsfrage zu beantworten, ja, man darf (trotzdem 😉).