Der mexikanische Präsident Andrés Manuel López Obrador hat am Wochenende auf Twitter zwei Fotos geteilt. Auf einem der Bilder ist ein verschwommener Schemen, auf dem anderen eine prähispanische Skulptur zu sehen. Doch nicht nur die Bilder, auch die Bildunterschriften des Präsidenten sind mehr als rätselhaft.
Die Fotos seien laut seinen Aussagen beim Bau der sogenannten Maya-Zuglinie entstanden. Dabei handelt es sich um einen Touristenzug durch die Halbinsel Yucatán – ein Herzensprojekt des linkspopulistischen Präsidenten.
Ein Foto – dasjenige mit dem verschwommenen Schemen – sei vor drei Tagen von einem Ingenieur geschossen worden und zeige einen Alux, so der Präsident. Tatsächlich scheint es, als hocke eine dunkle Gestalt mit weissem Haar und leuchtenden Augen auf einem Baum.
Les comparto dos fotos de nuestra supervisión a las obras del Tren Maya: una, tomada por un ingeniero hace tres días, al parecer de un aluxe; otra, de Diego Prieto de una espléndida escultura prehispánica en Ek Balam. Todo es místico. pic.twitter.com/Tr5OP2EqmU
— Andrés Manuel (@lopezobrador_) February 25, 2023
Beim Alux handelt es sich um ein kleines, schelmisches Wesen aus der Maya-Mythologie. Wie sich die Maya erzählen, seien die nur kniehohen Aluxe unsichtbar, können sich aber sichtbar machen, wenn sie Schabernack treiben wollen. Werden sie gut behandelt, können sie sich laut der Legende als hilfreich erweisen, werden sie hingegen verärgert, bringen sie Chaos und Unheil.
Auf dem anderen Foto seien «prächtige prähispanische Skulpturen in Ek Balam» zu sehen, einem ehemaligen Maya-Zentrum auf der Halbinsel Yucatán, schreibt López Obrador weiter.
Er endet den Tweet mit dem Satz:
Alles andere als mystisch fanden dies Userinnen und User auf Twitter. Dies aus gleich mehreren Gründen.
Dass ihr Präsident an Geisterwesen glaubt, scheint bei der mexikanischen Bevölkerung keine Begeisterung auszulösen. So schreibt dieser Twitter-User:
Qué normal presidente, qué sano todo, qué oportuna y nada falsa información.
— Victor Hernández 🥶 (@ZomVick) February 26, 2023
Lässt sich über die Existenz solcher Wesen streiten, lässt der zweite Punkt der Empörung keine Diskussion zu: Das erste Foto kann unmöglich vor drei Tagen geschossen worden sein, wie dies der Präsident in seinem Tweet behauptet. Aufmerksamen Userinnen und Usern ist nicht entgangen, dass dasselbe Foto nicht zum ersten Mal im Netz zirkuliert. In sarkastischem Ton schreibt der mexikanische Journalist Mauricio Schwarz:
Sí, Andrés, un ingeniero hace tres días tomó una foto que hace las rondas en Nuevo León desde febrero de 2021 y en Tailandia desde diciembre de ese año.
— Mauricio Schwarz🇺🇦 izquierda transgénica nuclear (@elnocturno) February 25, 2023
Das pena, mucha pena... y el país más... Si te lo crees, eres tonto... si sabes que mientes, eres malévolo... pic.twitter.com/dqyR9Ywe3z
Tatsächlich findet man auf Twitter den originalen Tweet, der im Februar 2021 die Diskussion um die Gestalt im Baum zum ersten Mal ins Rollen gebracht hat. Damals wurde die mutmasslich mysteriöse Gestalt in einem Baum im mexikanischen Bundesstaat Nuevo León entdeckt und als Hexe bezeichnet.
Una persona de nombre Juan Pacheco capto estas imágenes en el municipio de #GeneralTeran las imágenes rápidamente se han echo virales, hay quienes aseguran se trata de una #Bruja 👇👇👇😱😱😱😱 pic.twitter.com/t8gWSVkRff
— Johnny Martinez (Juan Francisco Martinez R:.) (@johnnymtz800) February 9, 2021
Ob López Obrador das Bild wissentlich mit Falschinformationen verbreitet hat oder ob er dem Ingenieur auf den Leim gegangen ist, ist nicht bekannt. Er hat sich bisher nicht dazu geäussert.
Dass der Präsident ein Verehrer und Beschützer indigener Kulturen ist, hat er in der Vergangenheit schon mehrfach gezeigt. So war er in seiner ersten öffentlichen Position 1977 als Direktor des Instituts für indigene Sprachen im mexikanischen Bundesstaat Tobasco tätig. Bei Amtsantritt 2018 versprach er, den indigenen Völkern Mexikos besondere Aufmerksamkeit zu widmen. 2021 hat er sich offiziell bei der indigenen Bevölkerung der Yaqui für die vom Staat begangenen Verbrechen an ihren Vorfahren entschuldigt.
Mit dem Bau der Maya-Bahnlinie 2018 hat er ein riesiges Projekt gestartet, von dem auch die Maya profitieren sollen. Die 1525 km lange Strecke soll nicht nur den Tourismus in Yucatán ankurbeln, sondern auch die Maya-Gemeinschaft besser vernetzen und Arbeitsplätze für sie schaffen. Ob er ihnen damit aber tatsächlich hilft, ist in Mexiko höchst umstritten.
Umstritten ist auch der geplante Umbau der mexikanischen Wahlbehörde. Zehntausende Menschen haben am Wochenende gegen eine von López Obrador angestossene Reform demonstriert, die den Einfluss der unabhängigen Wahlbehörde (INE) drastisch beschneiden soll.
Die unter dem Motto «Mi voto no se toca» (Meine Stimme wird nicht angetastet) protestierenden Demonstranten tauchten den zentralen Zócalo-Platz in der Hauptstadt Mexiko-Stadt am Sonntag (Ortszeit) in Weiss und Pink, die Farben der INE. Auch in anderen Städten der zweitgrössten Volkswirtschaft Lateinamerikas kam es zu Kundgebungen zugunsten des Wahlinstituts, wie die Zeitung «Milenio» berichtete.
Der Senat hatte in der Nacht auf Donnerstag (Ortszeit) die Reform verabschiedet, mit der die Wahlbehörde drastisch verkleinert und ihr Budget gekürzt werden soll. Die finale Zustimmung des Präsidenten gilt als Formsache. Dem INE zufolge sollen etwa zahlreiche regionale Stellen für die Vorbereitung, Organisation und Durchführung der Wahlen abgeschafft werden. Nach Ansicht der Opposition würde damit die Organisation freier Wahlen in Mexiko gefährdet. Die Wahlbehörde selbst und die Opposition kündigten an, die Verfassungsmässigkeit der neuen Regelungen vor dem Obersten Gerichtshof prüfen zu lassen.
López Obrador wirft der Wahlbehörde vor, undemokratisch zu handeln und Geld zu verschwenden. Dem linksgerichteten Nationalisten sind in seinen bisher vier Jahren als Staats- und Regierungschef selbst immer wieder autokratische Tendenzen vorgeworfen worden. (saw mit Material der Nachrichtenagenturen sda und dpa)
Dies in einem hochkatholischen Land. Genau mein Humor :D