Da wird sich Donald Trump freuen: Er ist noch nicht einmal offizieller Präsidentschaftskandidat, geschweige denn zurück im Oval Office. Aber schon tanzen alle nach seiner Pfeife. So zumindest dürfte Trump die Ankündigung der Nato verstehen, wonach jetzt zwei Drittel der Alliierten in diesem Jahr das gemeinsame Ziel für die Verteidigungsausgaben erreichen werden.
Insgesamt 18 der 31 Nato-Länder würden 2024 die Nato-Verpflichtung erreichen und zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung stecken, sagte Generalsekretär Jens Stoltenberg bei einem Treffen am Mittwoch. Bis Ende Jahr dürften nochmals einige dazukommen.
Die «guten Nachrichten» aus Brüssel kommen nur wenige Tage nach Trumps Schock-Aussage, dass er als Präsident kein Nato-Land verteidigen würde, welches «seine Rechnungen» nicht bezahle. Mehr noch: Trump würde Russlands Präsidenten Wladimir Putin ermutigen, mit diesen Länder zu tun, was «immer zur Hölle» ihm beliebt. Das bedeutet auch einen Angriff, wie es Putin bei der Ukraine getan hatte.
US-Präsident Joe Biden nannte Trumps Äusserungen darauf «dumm», «gefährlich» und «unamerikanisch» und auch Stoltenberg wiederholte am Mittwoch, dass öffentliches Zweifeln an der Nato-Einheit die Sicherheit der Allianz direkt unterlaufe. Gleichzeitig sagte Stoltenberg aber auch, Trumps Kritik habe einen Punkt: «Es ist ein Punkt, der von mehreren aufeinanderfolgenden US-Regierungen gemacht wurde: Die Europäer und Kanada müssen mehr ausgeben».
Das tun sie jetzt. Wobei: Sie tun es schon seit 2014. Damals, im Jahr der Krim-Annexion, wurde beim Nato-Gipfel in Wales das zwei Prozent Ziel verabschiedet und der jahrzehntelange Trend von sinkenden Verteidigungsausgaben umgekehrt. Richtig los ging der Anstieg dann während Trumps erster Amtszeit ab 2017. Trump lobte sich explizit dafür, dass er den Europäern Beine gemacht habe und jetzt «Milliarden und Abermilliarden» in die Nato flössen.
Allerdings ist es bei genauerem Hinschauen etwas komplizierter: Im Jahr 2020 war der Anstieg der Verteidigungsausgaben anteilsmässig nur deshalb besonders gross, weil die Wirtschaftsleistung wegen der Pandemie eingebrochen ist. Einen Trump-Effekt gab es keinen. Vielmehr war der Anstieg konstant.
Wenn schon, dann gab es einen Putin-Effekt: Ab 2022 und dem Überfall der Ukraine akzentuierte sich die Entwicklung und die europäischen Länder stockten ihre Wehretats zusätzlich auf. 2023 allein sind die Verteidigungsausgaben der Europäer und Kanada um elf Prozent angestiegen. Das sei beispiellos, so Generalsekretär Stoltenberg. Im Jahr 2024 liegen die europäischen Gesamtausgaben für die Verteidigung bei über 380 Milliarden Dollar, so viel, wie noch nie.
Exemplarisch für den Aufwuchs steht Deutschland mit seinem 100 Milliarden-Sondervermögen. In diesem Jahr dürfte Berlin über 70 Milliarden Euro in seine Armee investieren, was rund 2,01 Prozent sein wird. So viel, wie seit den 1990er Jahren nicht mehr.
Allein: Dass Deutschland bereits dieses Jahr die Nato-Schwelle reisst, liegt auch daran, dass seine Wirtschaft in eine Rezession gefallen ist. Damit zeigen sich die Grenzen des Modells, die Verteidigungsausgaben nur im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung zu beurteilen, wie schon der Pandemie-Effekt zeigt.
Besonders für reiche ist die Methode schwierig. Luxemburg zum Beispiel, welches für seine Grösse wirtschaftlich enorm stark ist, dürfte das Nato-Ziel nie erreichen. Auf die Schweiz bezogen würde das zwei Prozent-Ziel eine Verdreifachung des Armee-Budgets von heute rund 5 Milliarden Jahr auf deren 16 Milliarden bedeuten.
Mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine sind statt Prozentzahlen aber ohnehin konkrete Tatsachen entscheidend. Vor allem bei der Produktion von Munition: «Der Krieg in der Ukraine wird auch am Fliessband entschieden», sagte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius am Mittwoch und verwies auf den Spatenstich zu einer neuen Munitionsfabrik diese Woche in Niedersachsen.
Deutschland werde in diesem Jahr das Drei- bis Vierfache an Artilleriemunition an die Ukraine liefern wie im vergangenen Jahr. In Sachen Trump warnte Pistorius, jedes Wort aus dem US-Wahlkampf auf die Goldwaage zu legen: «Wir tun sehr gut daran, nicht ständig wie das Kaninchen auf die Schlange zu schauen, sondern unsere Hausaufgaben machen, was in den letzten zehn Jahren nicht immer ausreichend passiert ist».
Zu der aufkommenden Debatte über die Zuverlässigkeit des amerikanischen Nuklearschirms und einer deutschen Atombombe hat der Verteidigungsminister auch eine klare Meinung: «Die Nukleardebatte brauchen wir jetzt wirklich als Letztes. Das ist eine Eskalation in der Diskussion, die wir nicht brauchen». Seine Antwort dürfte Richtung SPD-Parteikollegin und Spitzenkandidatin für die Europawahl Katharina Barley gehen, die eigene Atomwaffen für die EU «auf dem Weg zu einer europäischen Armee» zum Thema machte. (aargauerzeitung.ch)
Nur Trump könnte in seinen wildesten Träumen von einem Trump-Effekt ausgehen.
Und es sollte Richtung gemeinsame Armee und Verteidigung gehen: Kommunikation und Transparenz.