Es war wohl die Sportgeschichte des bisherigen Jahres – und das, obwohl der Sport eher Nebenschauplatz war: das Rätselraten um Novak Djokovics Impfstatus.
Wir erinnern uns: Der Tennis-Superstar wollte im Januar am Australian Open spielen, allerdings war er nicht gegen das Corona-Virus geimpft, wie es in Down Under Pflicht gewesen wäre, und auch sonst warfen seine Visum-Papiere Fragen auf. Nach einem medienwirksamen Hin und Her wurde Djokovic des Landes verwiesen, ohne auch nur einem Gegner auf dem Court gegenübergestanden zu haben.
Während seiner Zeit in Australien verfrachteten die australischen Behörden den serbischen Sportler in das Abschiebungshotel «Park Hotel» in Melbourne – wo seine Anwesenheit dafür gesorgt hat, dass ein verdrängtes Problem mehr Aufmerksamkeit bekommen hat: Asylbewerber, die als Abschreckungsbeispiele für andere Flüchtlinge fungieren.
Jetzt wurde bekannt: Das Hotel-Gefängnis wurde geräumt. Und nicht nur das «Park Hotel», sondern auch andere ähnliche Einrichtung im ganzen Land. Die Asylbewerber und die Kritiker des australischen Asylsystems freut dies besonders.
Bis zu 20 Asylbewerber seien am Donnerstag in ganz Australien aus Haftanstalten freigelassen worden, darunter auch die verbliebenen acht Männer im «Park Hotel». Für viele Asylbewerber ende damit eine etwa neunjährige Haftzeit in australisch geführten Einrichtungen, berichtet der australische Nachrichtendienst «ABC News».
Ian Rintoul von der Menschenrechtsorganisation «Refugee Advocacy Coalition» sagte gegenüber «ABC News», dass er davon ausgehe, dass alle freigelassenen Asylbewerber nun Überbrückungsvisa für einen vorübergehenden Aufenthalt in Australien erhalten werden.
Denn alle Inhaftierten seien bereits als Flüchtlinge anerkannt worden, als sie sich noch in den Internierungslagern auf Nauru und Manus Island befunden hätten (siehe Infobox). Die australischen Behörden hätten diese Annahme allerdings noch nicht bestätigt, wie «ABC News» schreibt.
Das «Asylum Seeker Resource Centre» teilte mit, dass seit Dezember 2020 landesweit etwa 230 Flüchtlinge aus Haftanstalten entlassen worden seien. Rintoul betont jedoch, dass landesweit immer noch 10 Asylbewerber inhaftiert seien. Allerdings könne man davon ausgehen, dass auch sie bald freigelassen würden.
Die Anwältin Jennifer Kanis, die einige der Asylbewerber vertritt, die am Donnerstag aus dem Park Hotel entlassen wurden, äusserte sich ebenfalls gegenüber «ABC News». Sie sagt, dass nicht klar sei, warum ihre Mandanten plötzlich freigelassen wurden. Denn noch im März hatte die Regierung ausdrücklich betont, dass Flüchtlinge, die mit dem Boot ankämen, auch weiterhin keine Niederlassungsbewilligung bekämen.
«Wir können nur vermuten, dass es sich um einen politischen Schachzug in letzter Minute am Vorabend der Wahlen handelt, um ein politisch heisses Eisen zu entsorgen», spekuliert Kanis.
Ende letzten Jahres habe der damalige australische Innenminister, Peter Dutton, erklärt, dass die Kosten der Inhaftierung zu hoch seien. Ob die Asylbewerber tatsächlich aus Kostengründen freigelassen wurden, wollten die australische Grenzschutzbehörde sowie der Einwanderungsminister auf Anfrage von« ABC News» nicht beantworten.
Der Menschenrechtsaktivist und ehemalige Fussballspieler Craig Foster erklärte in den Medien: «Jeder Australier sollte sich darüber im Klaren sein, dass dies nur der erste Schritt auf einem sehr langen Weg zur Genesung von Menschen ist, denen wir sehr schweres Leid zugefügt haben.»
Foster wies ebenfalls darauf hin, dass die Inhaftierung von Novak Djokovic massgeblich dazu beigetragen habe, dass sich das «nationale Gewissen in Bezug auf die Inhaftierung von Asylbewerbern und Flüchtlingen in den letzten Monaten» stark verändert habe. Denn «Schweigen und Unsichtbarkeit sind ein sehr wichtiger Teil dieser ganzen Infrastruktur».
(yam)