Eineinhalb Monate nach der Parlamentswahl in Österreich nehmen die Konservativen der ÖVP von Ex-Kanzler Sebastian Kurz und die Grünen Koalitionsverhandlungen auf. Einen Tag nach den Grünen gab auch die ÖVP am Montag grünes Licht für entsprechende Verhandlungen. ÖVP-Chef Kurz rechnete allerdings mit schwierigen Gesprächen.
Laut der österreichischen Nachrichtenagentur APA sollen die Gespräche am Dienstag mit einem Gespräch der beiden Parteivorsitzenden beginnen.
Kurz sagte vor Journalisten in Wien, er rechne mit einem «durchaus herausfordernden Prozess». Ob letztlich eine Regierung aus beiden Parteien zustande komme, sei ungewiss, da die Positionen sehr unterschiedlich seien. Grünen-Chef Werner Kogler sprach von einem Wagnis, das man aber eingehen wolle.
Wie lange die Verhandlungen dauern könnten, liess Kurz offen. Er wies aber darauf hin, dass seine frühere Regierung 2017 nach nur zwei Monate langen Gesprächen mit der rechtspopulistischen FPÖ gebildet war. Dies seien extrem schnelle Koalitionsverhandlungen gewesen. Kurz schloss laut APA aus, parallel mit anderen Parteien über eine gemeinsame Regierung sprechen zu wollen.
Die Parteiführung der österreichischen Grünen hatte bereits am Sonntag einstimmig beschlossen, mit der ÖVP Verhandlungen über eine gemeinsame Regierung aufzunehmen. Im Falle einer Koalitionsbildung würden die Grünen zum ersten Mal Regierungsverantwortung in Wien übernehmen.
Die beiden Parteien waren als Wahlsieger aus dem Urnengang am 29. September hervorgegangen. Die ÖVP erhielt 37,5 Prozent der Stimmen - ein Plus von sechs Prozentpunkten im Vergleich zur Wahl 2017. Die Grünen konnten 13,9 Prozent (plus 10,1 Prozentpunkte) der Wähler von sich überzeugen und zogen damit nach der herben Niederlage vor zwei Jahren wieder in den Nationalrat ein.
Während auch die SPÖ (21,2 Prozent) für Regierungsverhandlungen bereit gewesen wäre, sieht sich der vorherige Koalitionspartner der ÖVP, die rechte FPÖ (16,2 Prozent), in den kommenden Jahren eher in der Opposition.
Dass in Österreich derzeit überhaupt eine neue Regierung gebildet werden muss, ist Folge des sogenannten Ibiza-Skandals rund um den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. «Spiegel» und «Süddeutsche Zeitung» hatten im Mai ein Video veröffentlicht, auf dem Strache im Gespräch mit einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte korruptionswillig erschien.
Strache trat einen Tag nach der Veröffentlichung von allen Ämtern zurück, die gesamte Regierung zerbracht, der damalige Kanzler Kurz rief Neuwahlen aus. Derzeit regiert in Österreich ein überparteiliches Expertenkabinett. (aeg/sda/afp/dpa)
Die Grünen könnten das gleiche unrühmliche Ende nehmen wie die SPD in Deutschland.