400'000 Menschen fliehen aus Gaza-Stadt – EU berät über Israel-Sanktionen
Appell der NGOs
Nach dem Beginn von Israels höchst umstrittener Bodenoffensive in der Stadt Gaza fordern Hilfsorganisationen die internationale Gemeinschaft zum dringenden Handeln auf.
«Die Staaten müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Mittel einsetzen, um zu intervenieren», hiess es in einer im Namen von rund zwei Dutzend Hilfsorganisationen von «Save the Children» veröffentlichten Mitteilung.
In der von «Save the Children» veröffentlichten Mitteilung hiess es anklagend: «Unsere Warnungen wurden ignoriert, und Tausende weitere Menschenleben stehen weiterhin auf dem Spiel.»
Armee will Flucht erleichtern
Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagte laut «Times of Israel», bisher seien fast 400'000 Menschen den Evakuierungsaufrufen der Armee gefolgt und hätten die zur Kampfzone erklärte Stadt verlassen. Das sind aber erst weniger als die Hälfte der schätzungsweise rund eine Million Bewohner der Stadt. Er habe die Armee angewiesen, Wege zu finden, den Menschen die Flucht zu vereinfachen, wurde Netanjahu zitiert.
Am Morgen gab ein israelischer Armeesprecher in arabischer Sprache auf der Plattform X die vorübergehende Öffnung einer Evakuierungsroute Richtung Süden bekannt und wies diese in einer beigefügten Karte aus. Sie gelte ab heute 12.00 Uhr Ortszeit (11.00 Uhr MESZ) für genau 48 Stunden. Die Menschen dürften sich nur auf der ausgewiesenen Strasse bewegen, hiess es. Die Massnahme diene dazu, das Verlassen der Stadt Gaza Richtung Süden zu erleichtern, schrieb der Sprecher.
#عاجل ‼️ إعلان هام إلى سكان مدينة غزة وأحيائها،
— افيخاي ادرعي (@AvichayAdraee) September 17, 2025
⭕️يعلن جيش الدفاع أنه ومن أجل تسهيل الانتقال جنوباً يتم فتح مسار انتقال مؤقت عبر شارع صلاح الدين
⭕️سيُتاح لكم الانتقال عبر شارع صلاح الدين وثم مواصلة التحرك جنوباً من وادي غزة.
⭕️في هذه المرحلة، سيتاح الانتقال عبر هذا المسار لمدة 48… pic.twitter.com/PZMhtu4B51
Viele Palästinenser können sich Flucht nicht leisten
Israels Armee hatte die Bewohner der Stadt Gaza vor Beginn der Offensive aufgerufen, sich in eine sogenannte humanitäre Zone im Süden des abgeriegelten Küstenstreifens zu begeben. Laut Hilfsorganisationen sind die Lebensbedingungen aber auch dort katastrophal. Viele Palästinenser können sich zudem laut Medienberichten die Flucht aus der Stadt schlicht nicht leisten.
Ein Reporter des israelischen TV-Senders N12 berichtete unter Berufung auf Palästinenser in der Stadt, die Kosten für einen Leihwagen zum Transport ihrer Habseligkeiten seien sprunghaft auf 5000 Schekel gestiegen – umgerechnet fast 1200 Franken. Ein Grossteil der rund zwei Millionen Einwohner des Gazastreifens lebt in grosser Armut. Fast alle von ihnen wurden während des schon seit fast zwei Jahren andauernden Krieges zu Binnenvertriebenen.
Eine von den UN bestellte Kommission von Menschenrechtlern war in einem am Dienstag vorgestellten Bericht zum Schluss gekommen, Israels Kriegsführung gegen die Hamas ziele auf die Zerstörung der Palästinenser ab. Israel begehe Völkermord. Israel verurteilte den Bericht als skandalös. Hilfsorganisationen klagen immer wieder über die katastrophale humanitäre Lage im Gazastreifen.
«Wir haben Familien getroffen, die Tierfutter essen, um zu überleben, und Blätter kochen, um ihre Kinder zu ernähren», hiess es in der von «Save the Children» veröffentlichten Mitteilung der Hilfsorganisationen.
Mögliche EU-Sanktionen
Als Reaktion auf Israels Vorgehen in Gaza will die EU-Kommission heute weitere konkrete Vorschläge für Sanktionen gegen das Land vorlegen. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas appellierte zuvor an die deutsche Regierung, die Pläne für Handelssanktionen zu unterstützen oder alternative Druckmittel vorzuschlagen.
«Wenn wir uns einig sind, dass die Lage unhaltbar ist und wir die israelische Regierung zum Kurswechsel bringen wollen, dann müssen wir klären: Was können wir dafür tun?», sagte Kallas dem Sender Euronews. Die Europäische Union ist im Umgang mit dem jüdischen Staat tief gespalten. (rbu/sda/dpa)