Die Geschichte der Skinwalker-Ranch klingt wie der Plot für eine klischeebeladene Science-Fiction-Fernsehserie. Wohl die meisten Menschen würden nie glauben, dass sie wahr sein könnte.
Was ist wahr? Wer hat seine Finger im Spiel? Und mit welchen Interessen? Der freie Journalist Christoph Kummer ist der Geschichte um die Skinwalker-Ranch und die UFO-Forschung des Pentagons für watson auf den Grund gegangen. Teil 4 der Sommerserie.
Es gibt zwei Fakten in diesem Fall, die durch Dokumente belegt sind:
Nachprüfbare Beweise, welche das Unfassbare belegen, gibt es nicht oder werden unter Verschluss gehalten. Sowohl die Shermans als auch NIDS gaben an, eine Vielzahl von UFO-Sichtungen gehabt zu haben. Doch wo sind die Videoaufnahmen und Fotos, die das zeigen? Es gibt zwar Aussagen von NIDS-Leuten und Terry Sherman, dass sie existierten, doch sind sie nie veröffentlicht worden.
NIDS-Studienleiter Colm A. Kelleher erklärte 2008 in einem Interview gegenüber «Above Top Secret», dass sämtliche Fotos, Videoaufnahmen und Daten von Messgeräten Eigentum von NIDS und damit Robert Bigelow seien. Und der will sie offenbar nicht herausrücken. «Ob und wann das Material veröffentlicht wird, weiss ich nicht», erklärte Kelleher. Er sagte auch, dass sich zwar «interessante Aufnahmen» darunter befänden, jedoch keine «Smoking Gun», also kein ultimativer Beweis für eine ausserirdische Präsenz in Utah.
Obwohl also Beweise fehlten, entschied das Pentagon, Bigelow für dessen Jagd nach Antworten mehrere Millionen Dollar zu geben.
Der Mangel an frei zugänglichen Quellen und Originaldokumenten ist das eine Problem, die Verschwiegenheit der Beteiligten das andere. Bei meiner Recherche hatte ich grösste Schwierigkeiten, an Informationen aus erster Hand zu gelangen.
Die Shermans, welche die Geschichte ins Rollen brachten, reagierten nicht auf meine Anfragen. Ich versuchte es bei Gwen Sherman und ihren inzwischen erwachsenen Kindern. Doch diverse Kontaktversuche via E-Mail und Facebook-Nachrichten scheiterten.
Es existieren auch nur Interviews mit der Familie aus der Zeit vor dem Verkauf der Ranch. Seitdem haben sie geschwiegen. Ein Grund dafür könnte sein, dass sie nichts mehr mit der Sache zu tun haben wollen, weil die Ereignisse scheinbar sehr traumatisch für sie waren. Ein anderer Grund ist wohl, dass die Shermans an Geheimhaltungsverträge gebunden waren oder noch immer sind.
Der UFO-Forscher Christopher O'Brien, der selbst mit Terry Sherman gesprochen hatte, bestätigte mir, dass die Shermans beim Verkauf der Ranch eine Stillschweigevereinbarung mit Robert Bigelow unterschrieben hätten.
Ähnlich verhält es sich mit den meisten NIDS-Involvierten und Ranch-Besuchern: Kelleher und Knapp unterschieben solche Verträge, ebenso Jacques Vallée, der französische Astrophysiker und UFO-Pionierforscher, der Mitglied im wissenschaftlichen Beirat von NIDS war. Doch was diese Schweigeklauseln genau beinhalteten und ob sie zeitlich unbegrenzt sind, ist unklar.
Schweigeklauseln machen grundsätzlich auch Sinn. So verhinderte Bigelow – zumindest zu einem gewissen Grad –, dass Infos an die Öffentlichkeit gelangten und Schaulustige und Medienleute die Aktivitäten auf der Ranch stören konnten. Zudem konnte Bigelow sicherstellen, dass allfällige Erkenntnisse zu bahnbrechenden Technologien in seinen Händen verblieben und nicht an Konkurrenzfirmen oder gar fremde Staaten fielen.
Sehr verschwiegen war mir gegenüber auch die Organisation «To the Stars Academy of Arts and Science» um Musiker und UFO-Fan Tom DeLonge. Mit Ausnahme der «New York Times» und einigen ausgewählten Medien meidet die Gruppe, die aus Analysen von UFO-Daten eine revolutionierende Technologie entwickeln möchte, die Presse und dabei insbesondere skeptische Publikationen.
Auf meine Anfrage, ob Kurzinterviews mit Kelleher und der «New York Times»-Quelle Luis Elizondo möglich wären, erhielt ich lange keine Antwort. Auf mein Nachhaken sagte Medien-Betreuerin Kari DeLonge, die Schwester von Tom DeLonge, dass die Beiden «volle Terminkalender» hätten. Schliesslich konnte ich ihr je drei Fragen für Elizondo und Kelleher per E-Mail schicken. Nach Wochen des Wartens erhielt ich die Antworten von Elizondo, die wenig Neues beinhalteten. Von Colm Kelleher, der zentralen und vielleicht interessantesten Figur in der Skinwalker-Saga, habe ich bis heute nichts gehört.
Diese Verschweigenheit aller Beteiligten schafft auf jeden Fall kein Vertrauen bei der Öffentlichkeit. Wo Informationen fehlen, spriessen Desinformation und Verschwörungstheorien in den Himmel. Die Fakten bleiben auf der Strecke.
Die zentrale Frage in Bezug auf die Skinwalker-Ranch ist, wie sich die Ereignisse erklären lassen. Was steckt dahinter? Oder anders gefragt: Wer war es? Wer hat die Kälber getötet? Wer hat die UFOs geflogen? Die NIDS-Forscher selbst bevorzugen ungewöhnliche Hypothesen.
Die Rede ist von Wurmlöchern, fremden Dimensionen und Ausserirdischen (vgl. Teil 3). Jedenfalls scheint für Investor Bigelow und den Grossteil seiner Forscher klar zu sein, dass sie es mit einer Technologie zu tun hatten, der mit aktuellen Methoden der Wissenschaft nicht beizukommen ist.
Doch war diese Technologie irdisch oder ausserirdisch? NIDS-Studienleiter Kelleher spekulierte auch über einen möglichen militärischen Hintergrund. Testeten das US-Militär oder Geheimdienste auf der Ranch und im Umland eine Reihe von neuartigen Geheimwaffen und -flugzeugen? Waren die Monster und UFOs am Ende nichts mehr als Hologramme, Roboter und Drohnen? Waren die Shermans und andere Bürger des Städtchens unfreiwillige Versuchskaninchen für Experimente mit High-Tech, die Jahre später in Kriegsgebieten eingesetzt werden sollte?
Nebst diesen eher wilden Erklärungsversuchen gibt es auch den skeptischen Ansatz: Es war ein Mix aus Fehldeutungen, Halluzinationen und Schwindel.
Die Shermans und NIDS-Forscher hätten nicht wirklich Alien-Flugzeuge gesehen, sondern Wetterphänomene, Drohnen oder Flugzeuge. Vielleicht hätten sie sich Dinge auch nur eingebildet oder diese schlicht erfunden.
Skeptiker vermuten, dass der Confirmation Bias (Bestätigungsfehler) eine Rolle gespielt haben könnten. Mit dem Begriff umschreiben Psychologen die Neigung vieler Menschen, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwartungen bestätigen. Sprich, wer nach UFOs sucht, sieht diese auch. Und eines ist klar: Die meisten NIDS-Forscher und natürlich auch Bigelow selbst glaubten bereits vor ihrem Engagement auf der Skinwalker-Ranch an die Existenz von übersinnlichen Fähigkeiten und Besuchern aus dem All.
Nicht nur skeptische Autoren wie beispielsweise Jason Colavito oder Robert Sheaffer bevorzugen diese Hypothese, sondern auch ein NIDS-Insider, der anonym bleiben möchte. Der Mann, nennen wir ihn Alex Harper*, war mehrere Jahre für Bigelows Organisation tätig und hat viele der Geschichten rund um die Ranch mitbekommen.
«Auf der einen Seite gibt es sogenannte Skeptiker, die oft zu engstirnig sind», sagt Harper im Interview mit watson. «Sie stehen fast jeder neuen Idee feindlich gegenüber und alles ausserhalb ihrer gegenwärtigen Weltanschauung lehnen sie ab; oft auf absurde Art und Weise», sagt er. «Andererseits habe ich gelernt, dass selbst hochintelligente, gut ausgebildete Menschen dazu neigen, sehr leichtgläubig zu werden, wenn es um Themen ausserhalb ihres Fachgebiets geht».
Besonders wenn es Dinge seien, an die sie aus irgendeinem Grund glauben. «Schnell fehlt ihnen dann die grundlegende Fähigkeit, kritisch zu denken, obwohl sie diese innerhalb ihrer eigentlichen Forschungsarbeit haben.»
Harper glaubt zwar, dass die NIDS-Wissenschaftler solide wissenschaftliche Forschungen betrieben hatten, bevor sie zum NIDS kamen. «Innerhalb der Organisation gab es jedoch keine wirkliche Gelegenheit, Wissenschaft im eigentlichen Sinne zu praktizieren. Meistens war es Ermittlungsarbeit wie bei der Polizei: Zeugen befragen, Berichte schreiben und dergleichen.»
Harper erklärt, dass die meisten Anomalien auf der Skinwalker-Ranch auf die Zeugenberichte der Shermans zurückgeführt werden könnten. Und die NIDS-Forscher seien nicht gerade kritisch gewesen. «Gerade Colm Kelleher schien Terry Sherman immer beim Wort zu nehmen, egal wie lächerlich sich dessen Aussagen anhörten.» Die Möglichkeit, dass psychologische Faktoren bei der Farmersfamilie eine Rolle gespielt haben könnten, sei in den Gesprächen, bei denen Harper selbst dabei war, nie diskutiert worden.
Und so steht Harper den Berichten über die einzelnen, teils haarsträubenden Ereignisse auf der Ranch sehr skeptisch gegenüber. Etwa dem Vorfall mit dem kugelsicheren Wolf, der im ersten Teil thematisiert wird. «Können wir wirklich glauben, dass Terry Sherman ein Dutzend Mal auf den Wolf geschossen hatte, dieser aber unversehrt blieb? Ist es nicht plausibler, dass er in seiner Panik einfach das Ziel verfehlte?»
Die Viehtötungen und -verstümmelungen waren für Harper das einzige wirklich Mysteriöse auf der Ranch. Für ihn sei ungeklärt, wer oder was die Rinder getötet hatte. Doch er bevorzugt auch hier erst einmal «irdische» Erklärungen. «Wenn Kelleher behauptet, das Kalb sei innert kurzer Zeit getötet und auseinandergenommen worden, würde ich dagegen halten und sagen, dass er es nicht selber erlebt hat. Er stützt sich auf die Aussagen der Shermans, und die waren in meinen Augen nicht glaubwürdig.»
Nebst dem Confirmation Bias sieht Harper noch einen anderen möglichen Grund, weshalb die NIDS-Forscher in den meisten Fällen «paranormale» Erklärungen bevorzugten. «Sie müssen bedenken, dass die NIDS-Mitarbeiter mit ihren Familien von weit her nach Las Vegas zogen, um beim Institut arbeiten zu können. Deshalb war ihre Motivation hoch, sich auf authentisch wirkende, paranormale Berichte zu stützen, anstatt Falschdarstellungen oder psychologische Ursachen in Betracht zu ziehen.»
Ausserdem hätten sie Bigelow bei Laune halten müssen, um so die Finanzierung zu sichern. Investor Bigelow sei als unausgeglichene und oft unvorhersehbare Person bekannt gewesen. «Es gab die anhaltende Befürchtung, dass er dem NIDS jederzeit den Geldhahn abdrehen könnte.» Was dann auch geschah: 2004 wurde NIDS aufgelöst. Drei Monate später begann das Pentagon-Programm, und NIDS wurde unter dem Namen Bigelow Advanced Aerospace Studies (BAASS) reanimiert.
Harper weiss nichts von einer Beteiligung des Pentagons während NIDS-Zeiten. «Ich glaube, wenn die Regierung schon damals involviert gewesen wäre, hätte ich zumindest Gerüchte darüber gehört. Ich verbrachte auch privat viel Zeit mit den Forschern, allen voran John Alexander. Aber er hat mir nie etwas in diese Richtung erzählt.»
Die spätere Verbindung zwischen Bigelow und dem Pentagon-Programm habe ihn überrascht. «Für viele hier in Las Vegas klang das aber weniger nach ernsthaften UFO-Forschungen als nach einem Freundschaftsdienst von Harry Reid an Bigelow, da dieser jahrelang den Wahlkampf von Reid gesponsert hatte.»
Harper betont am Ende des Interviews, dass er «keinerlei negativen Gefühle» gegenüber Bigelow, Kelleher oder den anderen NIDS-Leuten hege – im Gegenteil. «Ich vertrete nur eine andere Sicht. Ich glaube, dass wir der Wahrheit nicht näher kommen ohne ein höheres Mass an gesunder Skepsis und sachlicher Berichterstattung.»
auch wenn dort wohl kein Militär oder Geheimdienst vorkommt... ;)