Es war eine Sendung, bei der die Erregung vorab zu erwarten war: Markus Lanz lädt seinen guten Freund Richard David Precht ein, mit dem er einen wöchentlichen Podcast aufnimmt.
Precht hat zusammen mit dem Soziologen Harald Welzer ein Buch geschrieben, in dem er mangelnde Meinungsvielfalt in den deutschen Medien beklagt.
Zwei Alpha-Journalisten sind zum Sparring angetreten und es geht hart zur Sache.
Zum Warmtalken geht es erst ein bisschen um die Situation in der Ukraine und Richard David Precht bekennt: «So mulmig wie jetzt war es die letzten sieben Monaten nicht.»
Die militärischen Erfolge der Ukraine brächten die Russen «in eine desaströse Lage». Für ihn steht fest: «So nah an einer atomaren Eskalation sind wir seit der Kubakrise nicht mehr gewesen.»
Sein Co-Autor Harald Welzer bemängelt ganz generell spätestens seit dem Emma-Brief, den er mitunterzeichnet hat, dass die Sicht auf die Entwicklung des Ukraine-Kriegs verengt auf Waffenlieferungen sei: «Wo gibt es noch eine Ausstiegssituation und für wen?» Das frage niemand, es gebe nur noch Eskalation.
Und Bundeskanzler Olaf Scholz‘ eher abwartendem Verhalten, was Waffenlieferungen angeht, gewinnt er eine Qualität ab:
Er sei heilfroh über Olaf Scholz' Haltung, auch wenn es in den deutschen Medien fast ausschliesslich Kritik dafür gebe. Dinge wie diese beiden Aspekte in der Ukraine-Berichterstattung beklagen Precht und Welzer in ihrem Buch «Die vierte Gewalt».
Es ist mindestens bizarr, dass zwei Männer, die ihre Prominenz und ihren Status im Wesentlichen Medien verdanken, nun Medien kritisieren, während sie für Verhandlungen mit einem Regime eintreten, unter dem schon ein (!) Wort für Jahre in den Knast führen kann. #Precht #Welzer
— Markus Decker (@BerlinerNotizen) September 24, 2022
Dabei gehen sie nicht, wie etwa oft aus Querdenkerkreisen zu hören, davon aus, dass es eine staatlich verordnete Vorgabe oder eine Absprache gebe. Richard David Precht sagt, dass er nicht glaube, dass alle Journalisten «zusammensitzen und klüngeln», es geschehe unbewusster und sei «ein sozialpsychologischer Prozess, wo man sich angleicht». Aber er staune schon, mit «welcher unglaublichen Einigkeit eine Form der Ereignisse geschildert» würde.
Es herrsche «ein enormes Übergewicht einer bestimmten Positionierung». Precht würde sich wünschen, dass man, gerade in Krisen-Situation wie dem Ukraine-Krieg, «so breit, so umfassend und so divers» berichtet wie möglich.
Das sei leider bei den deutschen Medien nicht so, hakt Harald Welzer ein. «Es mag ja divers diskutiert werden in den Redaktionen, was aber herauskommt, ist eher wenig divers.»
Markus Lanz hat sich zur Verstärkung gegen die beiden Medien-Kritiker zwei seiner liebsten Journalisten eingeladen. Melanie Amann vom «Spiegel» und Robin Alexander von der «Welt». Letzterer kommt präpariert in die Sendung und hat auf einem Din-A4-Zettel Datum und Titel von Texten aus seiner Zeitung notiert, die unterschiedliche, teils gegensätzliche Standpunkte zur Ukraine haben.
Doch Precht lässt das spöttisch abgleiten.
Der Ton ist gesetzt. Richard David Precht, der sonst selten aus der Rolle fällt, wirkt auf der einen Seite aggressiv, aber auf der anderen sehr dünnhäutig. Nach einigen Diskussionen, bei denen es eigentlich immer um graduelle Formulierungsunterschiede geht, wirft er der «Spiegel»-Journalistin an den Kopf: «Frau Amann, es macht keinen Sinn, mit Ihnen zu reden. Wissen Sie, warum? Weil Sie ständig mit einer Beharrlichkeitspenetranz Dinge behaupten, die gar nicht im Buch stehen. Am Anfang dachte ich, es ist Absicht, mittlerweile denke ich, sie haben es nicht verstanden.»
Durch jede Gegenrede fühlt sich Precht noch mehr bestätigt. «Das ist, was sie ärgert: Dass man von aussen reinkommt wie ein Consultant und sagt, was falsch läuft», sagt er triumphierend.
Melanie Amann ist zunächst sichtlich irritiert von Prechts Angriff. Doch im Laufe der Sendung fasst sie sich und zerlegt den Philosophen regelrecht. Für sie ist das Buch eher «wie ein geschriebener Podcast, wo mal geschrieben wird, wie die Welt so wahrgenommen wird», es sei eine «Breitseite» aber nicht besonders tief, sie vermisst die Fakten. «Sie sind vielleicht ein Leser, aber sie sind kein Rechercheur», wirft sie Precht an den Kopf.
Harald Welzer springt ein und sagt: «Wir würden für uns ja auch nicht in Anspruch nehmen, dass alles total hyper-plausibel und nicht kritisierbar ist in diesem Buch.» Es sei «ein an vielen Stellen auch wissenschaftlich gut unterlegter Vorschlag», den Medienbetrieb zu verstehen. Im Dezember erscheine eine wissenschaftliche Auswertung der Ukraine-Berichterstattung. Melanie Amann spottet:
Leider kommt auf diese Art keine wirkliche Diskussion zustande. Immer wieder bemängeln Precht und Welzer, dass «etwas reingelesen wird, was gar nicht drinsteht». Mühe mit dem Erklären machen sie sich dann auch nicht wirklich. Und manchmal bekommt man auch den Eindruck, dass es ihnen vor allem um eine rebellische Aufmerksamkeit geht.
Schon vorab gab es Ärger um das Buch. In der Verlagsankündigung war von einer «Gleichschaltung» der Medien die Rede. Sowohl von Precht als auch von Welzer muss man annehmen, dass sie wussten, dass es sich um einen Begriff handelt, der aus der nationalsozialistischen Propaganda stammt.
Als Markus Lanz fragt, von wem denn dieses Wort eingebracht wurde, meldet sich Welzer nach kurzem Zögern. «Ich ziehe mir gern den Schuh an.» Aber er habe die Formulierung ja dann nachträglich geändert.
Man kann das ganz kurz zusammenfassen. #Precht & #Welzer haben in ihrem Buch die alte rechts- und linkspopulistische Legende der Mediengleichschaltung vertreten und werden gerade von @MelAmann und @robinalexander_ der Lüge überführt. Tatsächlich ein wenig sehenswert.#Lanz
— Peter Heilrath (@heilrath) September 29, 2022
Teilweise nimmt die Diskussion absurde Formen an: Harald Welzer führt den umstrittenen Emma-Brief für Frieden und gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und die Berichterstattung darüber an. Lanz findet, dass das ja ein gutes Beispiel sei, um zu zeigen, wie in seiner Sendung alle Seiten zu Wort kämen: Von den 26 Ernstunterzeichnern hätte seine Redaktion elf als Gesprächspartner angefragt, fünf seien tatsächlich in der Sendung zu Gast gewesen.
Welzer fragt Alexander, ob er die Sendung gesehen habe, als der emeritierte Professor für Strafrecht Reinhard Merkel zu Gast war: «Was heisst: ‹Haben Sie die Sendung gesehen?› Ich war dabei!», sagt Alexander irritiert-amüsiert.
«Das ist ja schon mal keine gute Voraussetzung», hält Welzer dagegen. Der Eindruck mag täuschen, aber wie sich Harald Welzer im Studiosessel fläzt und lacht, wenn andere etwas sagen, das lässt ihn erst mal nicht sonderlich sympathisch wirken.
Im Mai erntete Welzer einen Shitstorm, als er bei Anne Will dem ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk unter anderem vorwarf, «unglaublich offensiv mit Gesprächspartnern» umzugehen. Dafür hat er viel Schelte einstecken müssen. Aber nach eigenem Bekunden auch Zustimmung erhalten. «Die Leute sprechen mich an und sagen: Das war mal nötig, dem Herrn zu widersprechen – in den Medien war die Reaktion gegenteilig».
Da klingt auch ein bisschen verletztes Ego mit. Es gibt bessere Gründe, ein Buch zu schreiben.
(ark/watson.de)
Hätte man so gehandelt wie Harald Welzer, dann gäbe es keine Ukraine mehr. Die beiden Vögel haben auch gar nicht das Recht die Medien zu kritisieren. Die beiden sind das Paradebeispiel für sicheres Auftreten in absolute Ahnungslosigkeit. Das hat man auch in der Sendung gesehen.
Sobald es einen Konter gab oder eine berechtigte Gegenfrage, waren beide eingeschnappt und klangen eher beleidigend.