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Russland-Ukraine: Wie ein Berner Regionalbus im Donbas Leben rettet

«BE 765 919» auf gefährlicher Mission – wie ein Berner Regionalbus im Donbas Leben rettet

11 Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer mussten ihre Heimat wegen des Krieges verlassen. Die lebensgefährliche Evakuation der Bevölkerung geht weiter - mit Schweizer Hilfe.
03.05.2022, 22:4103.05.2022, 22:41
Samuel Schumacher / ch media
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Russische Raketenwerfer rollen durch den Donbass, ukrainische Panzer kurven durch die kriegsgeplagte Region – und seit ein paar Tagen auch zwei Schweizer Regionalbusse. Statt wie üblich durch die beschauliche Schweizer Landschaft fahren die blau-gelben Busse in ihrem neuen Leben durch zerbombte Vorstädte, vorbei an niedergebrannten Wohnquartieren und mitten durch den Krieg, der bereits jeden vierten Ukrainer zum Flüchtling gemacht hat.

11 Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen. 5.3 Millionen, schätzt die UNO, sind aus dem Land geflohen, 6.5 Millionen sind als Binnenvertriebene in ihnen fremden ukrainischen Städten und Dörfern untergekommen.

In seinem früheren Leben war der Bus im Kanton Bern im Einsatz. Seine wichtigste Fahrt aber beginnt in der ostukrainischen Kleinstadt Lyman.
In seinem früheren Leben war der Bus im Kanton Bern im Einsatz. Seine wichtigste Fahrt aber beginnt in der ostukrainischen Kleinstadt Lyman.Bild: zvg /ch media

In der Kleinstadt Lyman ganz im Norden der Region Donezk haben sich Ende der vergangenen Woche mehrere dutzend Bewohner versammelt, die bis jetzt in ihrer Heimat ausgeharrt hatten.

«Wir sind ganz voll, insgesamt 53 Personen sind im Bus, aber wir werden auf unserem Weg trotzdem noch durch Kramatorsk fahren und schauen, ob noch jemand mitkommen will» ...

... sagt der Fahrer und filmt die Menschentraube, die sich vor dem bereitstehenden Evakuationsfahrzeug drängt. «BE 765 919» steht auf dem Nummernschild des Berner Regionalbusses. Die Nummer ist nicht mehr eingelöst, der Bus ganz offiziell nicht mehr im Dienst.

Seit April in der Ukraine im Einsatz: zwei ausrangierte Busse von PostAuto Schweiz.
Bild: ZVG /ch media

Schweizer Busse und Trams sind in der Ukraine keine Seltenheit

Und trotzdem: Kaum eine Fahrt war je wichtiger als jene, die er am Freitag von Lyman über das schwer getroffene Kramatorsk raus aus dem Donbass gemacht hat. Und keine Fahrt war je so gefährlich. Immer wieder werden klar als Evakuationsfahrzeuge gekennzeichnete Busse von russischen Soldaten unter Beschuss genommen. Regelmässig kommen Fliehende in den Bussen ums Leben – auch Chauffeure, die unter Einsatz ihres Lebens täglich aufs Neue in die angegriffenen Städte fahren.

Von Lyman über das schwer getroffene Kramatorsk raus aus dem Donbass.
Von Lyman über das schwer getroffene Kramatorsk raus aus dem Donbass.Bild: google maps

Den Schweizer Bussen ist bislang glücklicherweise nichts passiert. Gespendet wurden sie von PostAuto Schweiz. Zwei Fahrer haben sie im April an die slowakisch-ukrainische Grenze gebracht und sie dort der Hilfsorganisatio «Vostok SOS» übergeben. Seither fahren die Helfer des Vereins «Segel der Hoffnung» mit den Trolleys durch den Donbass und bringen täglich Menschen in Sicherheit.

Dass ausrangierte Schweizer Fahrzeuge in der Ukraine unterwegs sind, war schon vor dem Krieg keine Seltenheit. In der Stadt Sumy im Nordosten des Landes sind mehrere Schweizer Feuerwehr- und Polizeifahrzeuge im Einsatz. In Slowjansk haben schon beim russischen Angriff 2014 Schweizer Postautos ausgeholfen. Und in der zentralukrainischen Stadt Vinnitsa kurven seit Jahren gar alte Züri-Trams durch die Strassen. Und wer weiss: Vielleicht wird auch der «BE 765 919»-Bus dereinst mit ukrainischem Nummernschild in friedlicher Mission durch das befreite Land tuckern.

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13 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Überdimensionierte Riesenshrimps aka Reaper
03.05.2022 22:54registriert Juni 2016
Hoffentlich werden sie eines Tages Zivilisten hinein Transportieren, in ein Gebiet ohne Russische Raketenwerfer und Beschuss
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Liebu
03.05.2022 23:20registriert Oktober 2020
Vielleicht wird auch der «BE 765 919»-Bus dereinst mit ukrainischem Nummernschild in friedlicher Mission durch das befreite Land tuckern.
Das wäre zu schön.
Bis dahin leistet er gute Dienste Indem er Evakuierten die Reise in sicherere Regionen ermöglicht und so Leben rettet.
Schöne Geschichte dass aussortiertes Material so wichtig sein kann.
Respekt den Chauffeuren, die sich freiwillig in Gefahr begeben um anderen zu helfen.
Das ist wahrhaftig gelebte Solidarität.
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Daniel Pünter
03.05.2022 23:15registriert April 2021
Jede Unterstützung für die Ukraine ist positiv. Aber Trolleys sind die "Büsser" deswegen noch lange nicht :-)
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